Die Raelianer und ihr ewiges Leben... (von Thorsten Stegemann)
Geschrieben von KyroxX KyroxX am 28. Dezember 2002 16:56:22:
Der französische Sektengründer Rael hatte schon jede Menge gute Ideen. Vor nicht allzu langer Zeit wollte er Adolf Hitler klonen, um ihn zeitverzögert doch noch vor Gericht stellen zu können. Dann bot er dem japanischen Kronprinzen Naruhito und dessen Frau Masako an, die ungeklärte Nachwuchsfrage ebenfalls in den - immer mal wieder ihren Standort wechselnden - Labors der raelistischen Bewegung zu lösen. Aber jetzt soll endlich auch die breite Bevölkerung auf ihre Kosten kommen. Das zur Sekte gehörende US-Unternehmen Clonaid hat in Washington mitgeteilt, dass sie den umkämpften Gentech-Markt in Kürze um eine Klonmaschine bereichern will. Die revolutionäre Gerätschaft hört auf den Namen RMX 2010, kostet schlappe 9.119 US-Dollar und kann per Internet bestellt werden.
Nach Angaben der Sekte soll in Südkorea außerdem bereits eine Frau mit einem geklonten Embryo schwanger sein. Die südkoreanische Regierung hat daraufhin gegen die Firma BioFusion, ein Tochterunternehmen der Clonaid, bereits eine Untersuchung angeordnet.
All das verdanken wir dem 13. Dezember 1973. An diesem Tag flog dem Journalisten Claude Vorilhon mitten in Frankreich ein Ufo vor die Füße, dem ein 1,20 m großer Alien mit langen schwarzen Haaren, mandelförmigen Augen und olivfarbener Haut entstieg. Der stellte sich als Mitglied der "Elohim" vor, verwies kurz darauf, dass der Name seines Volkes bereits in der Bibel erwähnt, dann aber falsch übersetzt wurde, und erklärte dem interessierten Gegenüber dann Grundsätzliches über die menschliche Entwicklung und das Leben auf dem blauen Planeten insgesamt.
Selbiges entstand nämlich nicht im Laufe einer natürlichen Evolution, sondern durch gewagte DNS-Experimente der Außerirdischen, die der Menschheit von Zeit zu Zeit Propheten wie Buddha, Jesus, Mohammed und nun eben Vorilhon - ab jetzt genannt: Rael - schickten, um ihre Vervollkommnung zu unterstützen. Die Elohim wollten zu ihren Geschöpfen nämlich erst dann wieder direkten Kontakt aufnehmen, wenn sie selbst in der Lage sind, gentechnische Experimente durchzuführen und also ein geistiges Niveau erreicht haben, das sie in die Lage versetzt, auf gleicher Augenhöhe mit den Zivilisationen zu kommunizieren, die sonst noch so den Kosmos bereisen.
Nach vielen Gesprächen mit den Außerirdischen und einem Kurzbesuch auf ihrem Heimatplaneten verfolgt Rael nun zwei wichtige Unternehmungen, welche der unendlichen Glückseligkeit seiner Artgenossen dienlich sein sollen. Zum einen baut er mit seiner zahlreichen Anhängerschaft, die mittlerweile auf 55.000 Raelianer in 84 Ländern angewachsen sein soll, ein chices Botschaftsgebäude für die Außerirdischen, zum anderen setzt er sich wie kaum ein Gentechniker für das Klonen menschlicher Individuen ein, das schließlich den uralten Traum vom ewigen Leben in die moderne Laborrealität umsetzen soll.
Da es schwierig sein dürfte, nur Menschen zu klonen, die Raels zahllose Bücher kaufen und seine überteuerten Erweckungsseminare besuchen, richtet sich der Sektenchef und mit ihm die Werbeabteilung der "Clonaid" zunächst einmal an "unfruchtbare Paare", "Homosexuelle" und ganz allgemein an "Familien, die einen geliebten Verwandten verloren haben", will sagen: an alle Familien. Ihnen bietet die "erste Menschenklon-Firma", die 1997 gegründet wurde, verschiedene Produkte und Dienstleistungen an. Diese reichen vom simplen Einfrieren eigener Zellen (200 US-Dollar im Jahr nebst Grundgebühr) über die künstliche Befruchtung (5.000 US-Dollar) und das Klonen von Haustieren (eignet sich nach Clonaid-Angaben vorwiegend "für reiche Personen") bis hin zur Klonmaschine RMX 2010, in der Zellen angeblich in nur einem einzigen Versuch fusioniert und so Hunderte von Blastozysten hergestellt werden können.
Das Gerät, über dessen genaue Arbeitsweise sowohl Rael als auch seine Clonaid-Geschäftsführerin Dr. Brigitte Boisselier vorerst Stillschweigen vereinbart haben, soll Fusionen zwischen fünf und 200 Volts erlauben, über Wiederhol- und Speicherfunktionen verfügen und kurz vor der Markteinführung stehen.
Nun kann man sich fragen, warum der 10 %ige Frühbucher-Rabatt nur bis zum 28. Februar 2002 galt, doch für die Raelianer ist selbst die ominöse Klonmaschine allenfalls ein Zwischenschritt auf dem Weg ins Paradies. Denn sobald alle technischen Möglichkeiten und vor allem die juristischen Voraussetzungen gegeben sind, wollen die Alien-Fans ihren vermeintlichen Schöpfern nacheifern und auch erwachsene Menschen klonen, denen sämtliche Gehirnfunktionen nebst Erinnerungsvermögen und Persönlichkeitsstruktur dann eben auch irgendwie transplantiert werden müssen. Auch für den Kampf gegen den Terrorismus sei das gut, schließlich könne man die Opfer von Anschlägen dann prompt wieder herstellen. Hat man einmal Phase 3 erreicht, also das Klonen erwachsener Menschen durch den "beschleunigten Wachstumsprozess", dann wird auch der Upload oder Download persönlicher Informationen ins Gehirn möglich sein. Es muss allerdings eine Genbank geben und eine Datenbank, um regelmäßig ein Back-up seiner Persönlichkeit abzuspeichern.
Unter all diesen Umständen verwundert es kaum, dass das Berliner Magazin Jungle World den Raelianern bereits einen "Wanderpokal für die irrsten Spinner der Woche" verliehen hat. Trotzdem gibt es Experten, welche die Kloninitiave der eigenwilligen Sekte durchaus mit Sorge betrachten. Denn die Pläne der Raelianer sind letztlich nicht wesentlich unrealistischer als die des vielleicht noch medienwirksamer auftretenden Arztes Severino Antinori. Für Brigitte Boisselier gehören entsprechende Versuche jedenfalls offenbar schon zur Normalität: "Wir stellen jeden Tag Embryos her!"
Außerdem scheint die Sekte über erhebliche finanzielle Reserven, eine Reihe experimentierfreudiger Leihmütter und - wie die Meldung aus Südkrorea, wo das Klonen bislang nicht ausdrücklich verboten ist, anzudeuten scheint - über den unbedingten Willen zu verfügen, ihr Projekt notfalls auch im rechtsfreien Raum durchzuführen. Rael selbst lässt daran jedenfalls keinen Zweifel aufkommen: "Selbst wenn wir unser Laboratorium auf ein Boot in internationale Gewässer schicken müssen, wird das Menschenklonprojekt fortgesetzt. Nichts darf die Wissenschaft aufhalten." Und, wie man mitteilt, man sei auch bereit, für den Nachfahren des Grafen Dracula ein Kind zu klonen, nachdem dieser mitgeteilt hat, er wolle ein Kind adoptieren.
- Re: Die Raelianer und ihr ewiges Leben... (von Thorsten Stegemann) H.Joerg H. 28.12.2002 18:02 (0)