Da war noch mehr

Geschrieben von franke43 am 19. Dezember 2002 12:33:12:

Als Antwort auf: Re: Frage:: Wieso dieser Hass auf die römisch katholische Kirche? geschrieben von Badland Warrior am 18. Dezember 2002 23:45:30:

Hallo Ödlandkrieger

>Hallo, Georg!

>Bei einem der Kreuzzüge wurde Konstantinopel (heutiges Istanbul, damals noch >in griechischem Eigentum) überfallen und plattgebügelt von einer etwas >ausgelassenen Touristengruppe namens "Crusader", welche auf Erlebnisurlaub >waren und sich dabei sehr, sehr unhöflich verhielten gegen die Orthodoxen.

Das war 1204. Der Kreuzzug unter Leitung des Venezianer Dogen
Enrico Dandolo wurde "umgeleitet", weil Venedig sich der
Handelskonkurrenten im östlichen Mittelmeer ("Levante")
entledigen oder bemächtigen wollte. Dabei wurden die Bewohner
der Hauptstadt des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs wie
die schlimmsten Heiden behandelt, ihre Kirchen und ihre
Frauen geschändet und die Reliquien ins katholische Abend-
land verschleppt. In Byzanz wurde ein "katholisches Kaiser-
reich" aufgebaut. Als die Türken 1453 die Stadt belagerten,
kam vom katholischen Westen keine Waffenhilfe gegen die
Musel- und Osmanen.

Der ganze Streit geht auf die Spätantike zurück. Im oströmischen
Reich war der Kaiser gleichzeitig "Pontifex maximus", also
"Oberster Brückenbauer" (Oberster Priester) und damit im frisch
christianisierten Römerreich das oberste Kirchenoberhaupt.
Im Westreich erlosch das weltliche Kaisertum 476 diurch den
Staatsstreich des Skiren Odoakar und wurde erst durch die
Kaiserkröning Karls des Grossen Weihnachten 800 wieder
eingeführt. Dazwischen ging der weströmische Titel Pontifex
maximus an den Bischof von Rom über, der dadurch zum obersten
Kirchenchef und Vertreter von Petrus in der westlichen
(lateinischen) Kirche mutierte. Dieser Übergang des
Pontifikats vom Kaiser auf den Papst wurde niemals rück-
gängig gemacht. Das hat den Grund für die westliche Trennung
von geistlicher und kirchlicher Macht gelegt, die weder
die orthodoxe Ostkirche (egal ob griechisch oder russisch)
noch der Islam jemals haben nachvollziehen können.

Ausserdem gab es Sprachstreit wegen der Liturgiesprache,
denn die lateinische Westkirche wurde am Anfang von
der griechischen oder syrischen (aramäischen) Ostkirche
als abtrünnig angesehen, denn die kanonischen Schriften
der Bibel sind ja in Hebräisch, Aramäisch und Griechisch.
Jesus sprach im Alltag Aramäisch.

Weiterhin kam dazu ein Theologenstreit um des berüchtigte
"quicumque" im lateinischen Glaubensbekenntnis.

Das alles führte zu einer Kirchenspaltung, die nach
Wiedervereinigungsversuchen im Jahr 1054 als endgültig
erklärt wurde (grosses Kirchenschisma). Kurz darauf
wurde das griechisch-orthodoxe (byzantinische) Ostreich
von den Türken vom Osten her aufgerollt, und schon da
kam vom Westen erst mal 25 Jahre lang keine Waffenhilfe.
Nach der Schlacht von Manzikert (1071) bat der
byzantinische Kaiser die lateinischen Westregenten
um Hilfer, aber erst die Kreuzzugspredigt von Urnban II
(1095 auf dem Konzil in clermont) brachte genügend
Freiwillige für einen ersten Kreuzzug zusammen. Da
war aber der grösste Teil der heutigen Türkei fast
bis zum Bosporus bereits durch die Türken erobert.
Auch versuchte der Westen, die Lage im Osten auszunutzen
und die Waffenhilfe von einer Wiedervereinigung der
beiden Kirchen nach westlichen Vorgaben abhängig zu
machen. Dabei hätte sich die Ostkirche unter das
westliche Pontifikat (den Papst) einordnen müssen,
mit beibehaltenem eigenem Ritus.

1453 also derselbe Verrat nochmal. Und durch die
Zerschlagung der Reste des byzantinischen Reichs
1453 wurde die russische Zweigstelle zum neuen
Mittelpunkt der orthodoxen Welt, mit Moskau als
neuem Mittelpunkt (das "dritte Rom").

>Seitdem sind die Orthodoxen etwas voreingenommen, was zwar nachtragend, aber >verständlich ist. Ferner waren Hitler, Mussolini und Franco (wobei Franco vom >Vatikan als neues Staatsoberhaupt anerkannt wurde, bevo er den Bürgerkrieg >überhaupt gewonnen hatte) als "Verteidiger des Glaubens bezeichnet worden. >Hitler unterzeichnete ein Konkordat mit dem vatikan und als guter Sohn der >römischen Kirche machte er sich dran, das, was "Crusading Tours" im >Mittelalter versaut hatten, in größerem Maßstab und viel moderner mit Russland >zu wiederholen. Dass dann Verschwörungstheorien entstehen und man dies mit >Argusaugen betrachtete, zumal es da ja schon einmal was Hässliches gegeben >hatte, ist nachvollziehbar.

Und noch heute befürchtet die Ostkirche, dass jeder
Hirtenbesuch des Papstes in orthodoxen Gebieten der
Versuch einer Wiedervereinigung der Kirchen nach den
römischen Bedingungen ist. Nach dem Motto:

"Ut unum sint"

>Badland Warrior

Gruss

Franke 43


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