Re: Entschuldigung für Vertreibung und Enteignung@Nlmda

Geschrieben von NLMDA am 06. August 2001 08:45:37:

Als Antwort auf: Re: Entschuldigung für Vertreibung und Enteignung@Nlmda geschrieben von Evi am 05. August 2001 16:17:03:

Hallo Evi!

>>Muss ich mich mit 70 immer noch bei der Ur-Ur-Enkelin entschuldigen, für das, >>was vor 108 Jahren in Deutschland passierte?
>>Wenn man Wunden immer wieder aufreisst, dann können sie nicht heilen.
>Ja, Nlmda, das muß offensichtlich so sein. Das sind Energien, die über Generationen wirken, denen wir Nachkommen nicht so einfach entfliehen können. Warst Du nicht bei einer Familienaufstellung? - Ich würde übrigens gerne mehr über Deine Erfahrungen wissen.

Ich habe nichts gegen Aktionen wie "Gegen das Vergessen". Da engagiere ich mich selbst dafür. Aber ein 20 Jähriger kann nichts dafür, was damals passiert ist. Er muss dafür sorgen, dass er sich nicht Schuld auflädt. In der Zukunft, nicht in der Vergangenheit.
Weißt Du, ich bin einiges rumgekommen in der Welt, nix Hotelurlaub, sondern Rucksack und Gastfamilien. Ich habe mich immer sehr gefreut, wenn ich freundlich aufgenommen wurde, trotz deutschem Pass. Habe ich weniger Schuld, weil meine Familie um ein paar Ecken im Widerstand tätig war? Nee, ich habe überhaupt keine Schuld, weil ich damals nicht dabei war. Also wehre ich mich gegen Schuldzuweisungen. Erst wenn wieder die Bewegung innerhalb unserer Grenzen kräftiger aufmarschiert, lade ich mir Schuld auf, wenn ich nicht genügend Zivilcourage zeige.

Die Erfahrung von der Familienaufstellung hast Du ja auszugsweise. Mehr gibts auch nicht, ich mache nämlich noch eine. ;-)))


Weißt Du, ich sehe das nicht so mit den Wunden aufreißen, sondern eher, ein Geschwür rausoperieren, damit eine vollständige Heilung erfolgen kann.
Wenn "wildes Fleisch" wuchert, ist sicher eine Operation nötig. Wäre es nicht besser, von vornherein kein "wildes Fleisch" entstehen zu lassen?

Wunden heilen laßen ist nur bei einer oberflächlichen Verletzung möglich.
Krebs kann auch ohne Operationen verschwinden....

Mir hängt das alles genauso wie Dir zum Hals raus mit dem ewigen Auftischen von der Schuld über Generationen hinweg.
Im Gegenteil. Mir hängts zum Hals raus, wenn Menschen Theorien vorschieben oder dafür plädieren, aber selbst nicht nach diesen Theorien handeln, leben oder sonst was.

Unsere Gesellschaft ist voller Theoretiker. Alles wäre so schön, wenn es jeder wüsste. Willst Du jetzt jeden zur Familienaufstellung schicken? Vielleicht sogar ein ganzes Land in Übersee? Es reicht nicht, wenn die Menschen "verstanden" haben, sie müssen es "verinnerlichen". Du hast selbst einmal gesagt, der Kopf weiss alles, man weiß, wie es funktioniert, aber die Umsetzung fällt schwer.
Wenn Du diese Erkenntnis aber in Deinem Inneren trägt, ist die Umsetzung ein Kinderspiel, die Leichtigkeit des Seins.

Nur heil werden kann die Gesellschaft nur dann, wenn die Ursachen beseitigt werden und nicht nur die Symptome.
Einspruch. Manchmal muss man erst die Symptome lindern, damit man (oder die Gesellschaft) überhaupt erst therapiefähig ist.

Liebe Grüsse
NLMDA



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