ACHTUNG Doku-TV-Tip: Schwarzwaldhaus 1902 Leben wie vor 100 Jahren

Geschrieben von Fred Feuerstein am 01. Dezember 2002 18:53:31:

Hallo Foris,

Die Zeit des nur theoretischen Gelabers um Vorsorge etc. ist vorbei, jetzt gehen wir mal richtig rin in die Kartoffeln :-)

Die ARD zeigt ab morgen 21:15 eine vierteilige Dokumentation über eine fünfköpfige Berliner Familie, die sozusagen in einer Zeitreise um 100 Jahre zurückgeschickt wurden, um zu versuchen auf einem abgelegenen Schwarzwaldbauernhof unter den Bedingungen von ca. 1902 zu überleben (Naaaa hat das irgendwas mit unserem Thema zu tun?)

Hier ein paar Backgroundinfos:
(da sieht man wieder mal die Diskrepanz von Theorie und Praxis ;-))


(DPZ) Wie fühlt sich die Vergangenheit an, wie riecht sie? Um diese Fragen zu beantworten, schickte Rolf Schlenker, Redaktionsleiter beim Südwestrundfunk (SWR), die fünfköpfige Familie Boro aus Berlin für zehn Wochen auf einen abgelegenen Hof ins Münstertal. Die Familie sollte unter Bedingungen leben, wie sie vor 100 Jahren für Schwarzwaldbauern herrschten. Der SWR stellte hohe Ansprüche an die Dokumentation, die er nicht immer einlösen wollte. Bei manchen Szenen schummelte das Team. Ab morgen sind die Großstadtbauern in einer vierteiligen DokuSerie in der ARD zu sehen.

„Wenn man eine bestimmte historische Epoche simulieren will, muss man ihre Bedingungen herstellen und sie konsequent durchhalten", lautete die AuthentizitätsMaxime des SWR: Bei einer „Zeitschleuse" musste die Berliner Familie Handys und Armbanduhren abgeben. Sie bekamen einen Vorrat an Geld, Mehl und Speck. Dazu kamen zwei Ziegen, ein Schwein und zwei Kühe sowie ein bestell-ter Acker und Gemüsegarten.

Ein „ZeitreiseExperiment" war Schlenkers Vorbild, nicht „Big Brother". Noch ganz in ContainerHysterie vermuteten jedoch viele Journalisten überall versteckte Kameras und Mikrofone in den Balken. Der SWR beachtete seine Maxime nicht immer. „Es gab Bereiche, wo man an Grenzen gestoßen ist", gibt Regisseur Volker Heise zu. Im nasskalten September etwa bestand der weibliche Teil der Boros auf lange Unterwäsche , für Bauern von 1902 undenkbar.
Eine Tierärztin musste der Milchkuh Antibiotika spritzen, einen Wirkstoff, der damals noch nicht erfunden war. „Es gab sogar Momente, an denen das Projekt zu scheitern drohte",sagt Heise.

Ismail Boro zog sich einen Leistenbruch zu. Der behandelnde Arzt befürchtete eine Operation. Ismail Boro konnte sich aber mit einem Bruchband behelfen, das die Leiste stützt.

Unterwäsche, Antibiotika, LeistenOP, diese Zugeständnisse an die moderne Zeit verarbeitet Volker Heise offen in seiner Dokumentation. Andere verschweigt der Dokumentarfilmer seinen Zuschauern. Die Kohlkopf Ernte etwa war komplett inszeniert. Der Kohl kam nicht vom Feld, wie im Film suggeriert, er wurde mit dem Lastwagen angeliefert und vom SWRTeam bezahlt. „Auch früher kauften die Bauern Kohl für ihren Wintervorrat hinzu, sucht Volker Heise die Lieferung zu rechtfertigen.

Mit dem Auto zur Heuernte

Weder die Ladung Kohlköpfe blieb den Bewohnern im Münstertal verborgen noch die Fahrten der Bords im SWRAuto. Diese erklärt Volker Heise damit, dass es nur außerhalb des Dorfes eine Wiese gab, auf der er die Heuernte filmen konnte.
„Man konnte ihnen nicht zumuten, so weit zu laufen." Dass Akay, der jüngste Sohn, nicht zu Fuß in die Schule ging, sondern gefahren wurde, wissen nur die Münstertäler, Zuschauer erfahren davon nichts.

„Was Herr Heise im Film macht, ist seine Sache", sagt Ismail Boro. Er habe kein Problem damit, dass manche Dinge nicht gezeigt werden. „Der Film und das was wir dort erlebt haben, sind zwei unterschiedliche Sachen." Der Familienvater scheint nicht mit allen Sequenzen des Films einverstanden zu sein. Seinen Leistenbruch etwa findet er zu dramatisch dargestellt; „Ich glaube nicht, dass dies 1902 eine entscheidende Sache gewesen wäre." Seine starken Frauen hätten ihn sicher eine Zeit lang ersetzen können.

Auch eine andere Szene gefällt Ismail Boro nicht: Im Film wird gezeigt, dass sich das Euter der Milchkuh entzündet hat, weil Reya, die älteste Tochter der Familie, zu langsam gemolken hatte. „Die Kuh hatte schon einen Zeckenbiss, als wir ankamen", sagt Vater Boro.

Auch der lange Fußmarsch in das Nachbardorf Staufen, um dort auf dem idylli-schen Marktplatz Gemüse zu verkaufen, war nicht seine Idee, sondern Wunsch von Filmemacher Heise. „Warum sollte ich die zehn Kilometer länger laufen, wenn ich in Münstertal das Gemüse ebenso verkaufen kann", sagt Boro. Der promovierte Wissenschaftler scheint Missverständnissen vorbeugen zu wollen, dass er im richtigen Leben einen solch unsinnigen Fußmarsch gemächt hätte.

Wie selbstbewusst der Berliner Familienvater ist, hat Regisseur Volker Heise zu spüren bekommen. Nachdem eine Kuh kalbte und diese ihr Kleines nicht annehmen wollte, kam es offenbar zu einer Diskussion, wer oder was daran Schuld sei. Die Diskussion endete damit, dass der sonst eher ruhige Familienvater den Regisseur einfach vom Hofschmiss.

„Schwarzwaldhaus 1902 Leben wie vor 100 Jahren": Vierteilige Dokumentation.Sendetermin: 2., 4., 6. und 9. Dezember, jeweils 21.45 Uhr in der ARD. '


mit freundlichen Grüßen
Fred
aus der Abt.: "trying by doing" :-)


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