Denk´ ich an Deutschland...

Geschrieben von DonQuichote am 22. November 2002 22:11:36:

Liebe Forumsteilnehmer,


bei nachfolgendem Artikel musste ich unwillkuerlich an Heinrich Heine
denken: Wo sind Sie nur geblieben - die deutschen Denker in diesen
Zeiten?

Hier der Artikel auf www.toko-hagen.de

Die Deutschen - ein Nachruf

Ihrer Rolle als "Totengräber der Volkswirtschaft" treubleibend präsentierte die Wirtschaftswoche am 14. November 2002
ein Musterbeispiel aggressiver Fehlinformation.

Der nun schon nicht mehr zu übersehende - und daher von den Medien nicht länger zu ignorierende - Prozeß der
Abwendung der Deutschen vom Prinzip der Besonderung, d.h. von der kalten Ellbogengesellschaft, wird aufgegriffen, um
ihn in eine Denkform zu zwängen, deren Bewegung in eine abermalige Stabilisierung des Systems auf niedrigerem Niveau
einmünden würde, wenn sich da nicht eine neue Widerstandsfront als Kampf gegen diese Denkformen in unserem Volke
aufbaute. In dem nicht namentlich gezeichneten Artikel werden die Erscheinungen der Dekadenz, die Symptome des
Zerfalls eindrucksvoll beschrieben und beim Namen genannt.

Bei der Lektüre steigt immer deutlicher Zustimmung auf, man ist geneigt "durchzuatmen" und in den Seufzer
auszubrechen "na endlich wird das mal gesagt!". Unbewußt schwingt der Gedanke mit: "Also haben wir doch noch
Medienfreiheit. Teile des Systems wechseln jetzt sogar die Seiten. usw...." Genau das ist beabsichtigt. Es ist gezielte
Sympathiewerbung, um die beim Leser vermutete Kritikfähigkeit herabzusetzen und das Feld für die Aufnahme der
dargebotenen Schlußfolgerungen zu bereiten. Die entscheidende - und überaus verräterische - Textpassage (S. 23 rechts
unten) wird nachfolgend wiedergegeben:

Auszug aus "Die Deutschen - Ein Nachruf ":

......Dem Land der einstmals tief schürfenden Mystiker und messerscharfen Denker, der disziplinierten Kämpfer und
nimmermüden Schwerarbeiter entweicht mittlerweile ein peinlicher Dunst von kollektiver Orientierungsarmut und
Selbstlähmung, von kleinkarierter Angepasstheit und Reformunfähigkeit, ein Hautgout von Bequemlichkeit und
übertriebenem Sicherheitsbedürfnis, von weinerlichem Selbstmitleid und Veränderungsangst, von morbidem
Hedonismus und Dekadenz.

In einer Zeit drängender Imperative spreizen sich die Deutschen in spitzwinkeligen Konjunktiven. Die Bundesrepublik
rotiert in der Endlosschleife eines akuten Hamletsyndroms. Wir Deutsche sind inzwischen Weltmeister in der
Problembeschreibung und Nieten in der Problemlösung. Wo immer Handlungsbedarf besteht, beruft die
Bundesregierung eine Kommission. Bald wird das "Outsourcing" der Regierenden auch noch das Denken umfassen.
Wozu wurden diese Leute eigentlich gewählt?

So wird die Symmetrie zwischen Deutschlands wirtschaftlicher und seiner politischen Bedeutung irgendwann wieder
hergestellt sein – wenngleich auf ganz anderem Niveau als wir uns das in der Euphorie der Wiedervereinigung
vorgestellt hatten. In der Weltpolitik sind die Deutschen, auch wiedervereinigt und ungeachtet wichtigtuerischer
Sprüche von einem "deutschen Weg", ein Leichtgewicht geblieben; in der Weltwirtschaft drohen sie es nun ebenfalls zu
werden. Wenn wir so weiter machen, wird unser Land im globalen Symphonieorchester, in dem es lange Zeit die erste
Posaune blies, eines Tages nur noch den Triangel schlagen.

Und was ist mit der einst viel gepriesenen deutschen Kultur? Zwar gebärden sich die Deutschen gern als leibhaftiges
Weltkulturerbe, doch das Interesse der anderen für unsere Selbstbespiegelungen hält sich in Grenzen. Den
Hervorbringungen der zeitgenössischen "Dichter und Denker" schenkt die Welt bestenfalls noch höfliches Gehör. Da
scheint es den deutschen Kulturschaffenden ein wenig wie dem unglücklichen August von Goethe zu gehen, dessen
epigonale Bühnenwerke einzig aus Respekt vor dem großen Vater aufgeführt wurden.

Wie aber konnte es mit uns nur so weit kommen? Die klare Antwort findet sich bei einem wirklich großen deutschen
Denker, dem Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel: "Die Ursache für den Zerfall aller gesellschaftlichen
Systeme liegt in der Übersteigerung ihres jeweiligen Hauptprinzips". Und was ist das deutsche Hauptprinzip, wenn
nicht die geradezu sprichwörtliche Gründlichkeit? Gründlich – das waren und sind wir, im Guten wie im Schlechten,
in der Tugendhaftigkeit wie im Laster.

Das ist meisterhaft! Es hat sich inzwischen herumgesprochen, daß im politischen Kampf - wo es hingehört - Hegelsches
Denken langsam wieder greift. Dem versucht man die Wirkung zu nehmen, indem man sich vor der Größe dieses
Denkers scheinbar verneigt, sich gleichzeitig aber blanken Unsinn, der die eigene betrügerische Absicht befördern soll,
ausdenkt und diesen als die Quintessenz des Hegelschen Denkens ausgibt. Der im zitierten Textausschnitt in
Anführungszeichen gesetzte Satz kommt in Hegels Schriften nicht vor. Der als Hegelzitat ausgegebene Gedanke ist
"hegelfremd", d.h. mit dem Begriff, wie ihn Hegel aufgezeigt hat, nicht vereinbar.

"Übersteigerung" und "Hauptprinzip" sind quantitative Reflexionsformen. Sie beziehen sich auf intensive Größen und
gehören folglich in die Seinslogik. Der Term "Ursachen des Zerfalls" gehört der Verstandesmetaphysik an, die - wie Hegel
gezeigt hat - den Geist nicht begreift. Der Term "gesellschaftliche Systeme" wäre von Hegel nur mit Spott bedacht
worden.

Die Bedeutung Hegels liegt darin, daß er das Denken dazu befreit hat, die "vorhandene", im Bewußtsein vorgefundene
Welt zu durchschauen, zu erkennen, "was die Welt im Innersten zusammenhält" (Goethe, Faust I). Was dem naiven
Verstand als selbständiges Sein gilt, wird durch Erkennen - die Tätigkeit der Vernunft - zum Schein, zur Erscheinung des
Wesens, herabgesetzt. Zur Erläuterung: So wie im "vorhandenen" Haus ein Inneres - der Plan des Architekten - ein
äußerliches Dasein erlangt hat - so ist die als "real" vorgestellte bürgerliche Gesellschaft (das Reich des Bedürfnisses) nach
Hegel nur ein Moment der Erscheinung eines Inneren. Dieses Innere ist der Begriff, der sich in fortschreitender und
zugleich rückwärts gewandter Entwicklung in je besonderen Gestalten äußert. Hegel faßt den Begriff als das allein tätige
Subjekt - man kann in der Sprache der Vorstellung "Gott" dazu sagen.

Der intellektuelle Betrug der Verfasser des Artikels besteht nun darin, daß sie eine zustimmungsfähige aber begriffslose
Beschreibung unseres Zustandes darbieten und dessen wesentlichen Gehalt geflissentlich verschweigen. Mit der hier
erörterten Zitatfälschung leiten sie dazu über, an die Stelle des begrifflichen Zusammenhanges einen Kausalnexus
zwischen "deutscher Gründlichkeit" als "Hauptprinzip" des "Gesellschaftlichen Systems" - wohl eines spezifisch
deutschen - und dem Untergang der Deutschen zu behaupten. Just in dem Augenblick, in dem die Deutschen, die es noch
sein wollen, beginnen, wieder "gründlich" - also im Geiste Hegels - über unsere Lage nachzudenken, wird uns unter
Berufung auf die Autorität des "wirklich großen deutschen Denkers" die Aufgabe dieser Gründlichkeit als Heilmittel
angesonnen.

Den Globalisten sind die Deutschen mit ihrer Gründlichkeit nicht hinreichend stromlinienförmig. Das ist die Botschaft
dieses Artikels. Die historischen Völker (nicht die "gesellschaftlichen Systeme") sind Darstellungen eines je besonderen
geistigen Prinzips (nicht eines "Hauptprinzips"). Sobald sich dieses als eine Welt vollständig ausgelegt hat, tritt die
Einseitigkeit - und damit Endlichkeit - dieser Geistesgestalt in das Bewußtsein. Das Träger-Volk dieser Idee hat dann auf
der Bühne der Weltgeschichte ausgespielt und tritt ab.

Was ist nun in diesem Sinne das geistige Prinzip des Deutschen Volkes, das zweifellos ein welthistorisches Volk ist? Es ist
- vom Einzelnen her gesehen - die sittliche Persönlichkeit, und - bei Betonung des Allgemeinen - die selbstbewußte
Volksgemeinschaft. Diese Gestalt des objektiven Geistes ist die Aufhebung der atomistischen Seinsweise der Menschen.
Zugleich ist sie die Befreiung des Staates aus dem Kerker der Sonderinteressen.

Als von den liberalkapitalistischen Mächten militärisch besiegtes Volk sind die unter Besatzungsgewalt lebenden
Deutschen vom Verfall der ihnen aufgezwungenen atomistischen Lebensweise betroffen. Wegen des ihnen angehexten
Schuldkomplexes sind die Symptome des Verfalls hier besonders scharf ausgeprägt. Um so klarer wird jetzt die fällige
Abwehrreaktion ausfallen und eine schnelle Genesung herbeiführen.

Das Deutsche Volk, das als einziges Volk den Begriff der selbstbewußten Volksgemeinschaft schon herausgedacht hat -
hier ist die Erwähnung Hegels angezeigt - wird auf der Bühne der Weltgeschichte erwartet. Das ist der wahre Grund,
warum dieses Volk nicht - jedenfalls jetzt noch nicht - untergehen wird. Dieses Volk wird die von den Globalisten
angestrebte neue Weltordnung durch die Schaffung einer Neuen Welt, die in sich freiheitlich geordnet ist, verhindern.

Würde ein am Markt plaziertes Medium diesen Gedanken erörtern, es wäre um seine wirtschaftliche Existenz geschehen.
Die medialen Kettenhunde der Globalisten würden es "in der Luft zerreißen".

Montag 18. November 2002, Kurt Willrich (Cairns, Australien)





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