Die Rechtfertigung eines guten Gottes angesichts der Übel der Welt
Geschrieben von Salim am 17. November 2002 01:09:33:
Als Antwort auf: gut und böse geschrieben von Gandalf am 16. November 2002 14:16:22:
As-salamu alaikum, lieber Gandalf,
Was du ansprichst, ist ein klassisches Problem christlicher Theologie, das der Rechtfertigung eines guten Gottes angesichts der Übel der Welt, "Theodizee" genannt. Dazu möchte ich folgendes sagen:
Der deutsche Philosoph immanuel Kant hat eine kleine Schrift "Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee" (Kant A A, Bd. 8. S. 253 ff.) geschrieben, und darin die Auffassung vertreten, es wäre nicht möglich die "Rechtfertigung eines guten Gottes angesichts der Übel dieser Welt" zu finden. Als Muslim hätte Kant vielleicht eher eine Lösung dieses brennenden Problems gefunden, weil wir Muslime doch zweierlei wissen:
Erstens wissen wir, daß wir nicht genau wissen, was für uns das Gutes oder das Beste ist. Etwas, das uns als etwas Schlechtes erscheint, kann tatsächlich für uns gerade das Beste sein. Und dann ist uns im Heiligen Koran gesagt worden: "mit dem Schweren komt das Leichte, mit dem Schweren kommt das Leichte". Ob das Leichte, das mit dem Schweren kommt, uns im Diesseits erreicht oder erst im Jenseits, wissen wir nicht. Entscheidend zur Auflösung des Problems der Theodizee ist aber, daß die Spanne des Blicks auf das Problem nicht um die Berücksichtigung des Jenseits auf das Diesseits verengt wird.
Zwei Beispiele: Einst fuhr die heilige Ursula, möge Allah ihre Seele heiligen, mit hundert Jungfrauen und dem damaligen Papst den Rhein hinunter, als das Boot von Hunnen überfallen wurde und es zu Umständen kam, deretwegen sie heilig wurde. Der Papst wurde aus der Liste der Päpste gestrichen, weil er Ursula begleitet hatte. (So kam er nicht mehr in die Verlegenheit, einen Bischof wegen Verstoßes gegen den Zölibat exkommunizieren zu müssen :-))
Und dann der Zimmermann in Suratul Jasîn: Der mußte sagen: "Wenn ihr wüßtet, wo ich jetzt bin!" Böse Leute hatten ihm: "Was, du willst auch ins Paradies, das kannst du haben!" den Schädel eingeschlagen und bewirkt, daß er sofort ins Paradies kam. Al-hamdu lillâh.
Epikur würde das Glück der heiligen Ursula, möge Allah sie segnen, nicht verstanden haben, weil einer, dem es nur um den augenblicklichen Genuß geht, hier nur blind sein kann, Kant aber ahnt wenigsten das Sayidina Ayyûbs (Hiobs) Glück.
Sayidina Ayyub und der Zimmermann in JâSîn, das sind unsere Vorbilder und nicht all die "Schweinchen aus der Herde des Epikur", wie man sie genannt hat, die nach dem Prinzip antreten. "Saufen, fressen, geschlechtlich paktieren, darüber hinaus keine Sekunde verlieren.".
Die beiden genannten Beispiele indes belegen, wie größte Brutalitäten, recht besehen, zu Quellen größten Glücks werden. Um es ganz platt zu sagen: Epikur und alle, die ihm Beifall klatschen, haben die eine, die entscheidende Seite der Wirklichkeit ganz weggelassen, die Ewigkeit (Kant hat in der Art seinem Versuch da ganz anderes geahnt) nämlich, das Jenseits. Wir Muslime glauben, daß, während die Wellt, in der wir jetzt als endliche Wesen leben, begrenzt ist, nach unserem Tod eine unendliche Welt auf uns wartet. Und diese Unendlichkeit tragen wir schon jetzt in uns. Es ist das Siegel dessen der uns erschuf und zu dem wir auf der Rückreise sind.
> Und wir glauben, daß alles, was uns geschieht, für uns das Beste ist.
Wir glauben, daß der Barmherzigste der Barmherzigen für uns immer nur das Beste macht und Ozeane des Glücks für uns bereithält. Nur können wir das Beste meist nicht vertragen und suchen dann das Zweit-, Dritt-, Viert-, wir suchen lieber das Hundertstbeste, weil wir das Beste nicht verkraften. Leider.
Das Beste,
wa maa salam,
SalimZum Problem der Theodizee:
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