Das Kleinstaatsyndrom

Geschrieben von franke43 am 13. November 2002 12:43:24:

Als Antwort auf: Re: die spinnen, die tschechen! geschrieben von Ismael am 13. November 2002 11:56:55:

Hallo

Tschechien leidet am typischen Kleinstaatsyndrom.

>sollten sich die tschechen mal überlegen, daß sie nur ein kleinstaat irgendwo >am rande europas sind,

Leider nicht am Rand, sondern mitten in Europa. Und das hat Folgen.

>der wirtschaftlich mit dem beitritt zur eu steht oder fällt (oder auch nur >fällt, jenachdem, wie sich die weltwirtschaft ent(ver)wickelt).

Das verstärkt das Kleinstaatsyndrom noch zusätzlich.

>irgendwie wage ich zu bezweifeln, das lukaschenko über genug großmut verfügt, >über derartige frechheiten hinweg zu sehen. bin mal gespannt, wie die >weißrussische retourkutsche aussieht!

Glücklicherweise ist Weissrussland OHNE Papa Putin ebenfalls ein
Kleinstaat.

>Ismael

Woher rührt das Kleinstaatsyndrom der Kleinen ?

Tschechien ist jahrhundertelang fremdgesteuert worden, nämlich
von den grösseren und mächtigeren Nachbarn. Die tschechische
Sprache und Kultur war marginalisiert.

Tschechien konnte man recht straflos überfallen und besetzen. Keine
riesigen Befreiungsarmeen wurden in Gang gesetzt.

In Tschechien wurden unzählige Schlachten gekämpft, die mit
tschechischen Querelen nichts zu tun hatten, aber sehr viel
mit den Streitigkeiten der mächtigen Nachbarn.

Österreich hat als erstes Tschechien über Jahrhunderte
besetzt. Österreich und Preussen balgten sich oft auf tschechischem
Boden (von Kolin bis Königgrätz). Schweden balgte sich ebenfalls
mit Österreich in Tschechien (Dreissigjähriger Krieg).

Vertrauter sind uns die Machenschaften im vorigen Jahrhundert:

Erste tschechische Selbstständigkeit, dann "Sudetenkrise",
Besetzung erst des Sudetenlandes, dann der gesamten "Rest-
tschechei" als Protektorat Böhmen+Mähren.

Nach dem Krieg nicht etwa Befreiung von der Fremdsteuerung,
sondern Degradierung zu einem Satellitenstaat in der neuen
sowjetischen Machtsphäre.

Die Zeiten, in denen die Tschechen ohne Angst vor ihren
grösseren und mächtigeren Nachbarn über sich selbst
bestimmen durften, kann man in Jahren zählen, sofern man
nicht bis ins Hochmittelalter zurückgehen will.

So etwas prägt.

Auch Dänemark leidet z.B. an einem ausgeprägten Klein-
staatsyndrom, obwohl dieser Staat die meiste Zeit seiner
geschichte selbst bestimmen durfte.

Sogar Polen, das als Staat viel grösser ist als tschechien,
hat lange Perioden der Fremdbestimmung hinnehmen müssen.
Allerdings war Polen so gross, dass sich mehrere zusammen-
tun mussten, um das Land schlucken zu können. So geschehen
im 18. Jahrhundert ("Polnische Teilungen") und dann wieder
1939.

Das alles prägt das kollektive Gedächtnis eines kleinen
Volkes, das mitten zwischen grösseren Nachbarn lebt und
leben muss.

Gruss

Franke 43




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