Der reiche Mann

Geschrieben von Schamane am 11. November 2002 17:39:37:

Die Geschichte vom reichen Mann, der mächtiger werden wollte als der König

Es war einmal ein reicher Mann. Er war der reichste Mann im Land. Der wollte mächtiger werden als der König. Er überlegte lange, wie er das bewerkstelligen könnte, bis ihm die Lösung einfiel.
Er streute unauffällig Zwitracht im Lande und nährte das Gerücht, der König wäre hart und ungerecht zum Volk - ein wahrer Despot. Dazu kaufte er die Zeitungen des Landes, die noch nicht in seiner Hand waren auf. Diese berichteten nun ganz in seinem Sinne. Als die Stimmen gegen den König immer lauter wurden, der Regent diesen und jenen Fehler begangen hatte, ließ der reiche Mann verbreiten, dass es eine viel gerechtere Regierungsform gäbe, genannt „Demokratie“. Diese Regierungsform wäre deshalb so gerecht, weil sie vom Volke selbst ausgehe, das Volk also sich selbst regieren würde. Was wäre wohl gerechter?
Schließlich gelang es, den unbeliebten König aus dem Land zu treiben. Damit die neue Regierungsform eingeführt werden konnte, schlossen sich Menschen in sogenannten Parteien zusammen. Der reiche Mann, der nun mächtiger als der ehemalige König war, wollte aber mächtiger werden als dieser zu seiner besten Zeit.
Darum unterstützte er die aussichtsreichsten Parteien, die nun bei den ersten Wahlen teilnahmen mit viel, viel Geld. In den Zeitungen des Landes, die ja alle bereits ihm gehörten, ließ er nur mehr seine Parteien zu Wort kommen, die anderen wurden allenfalls schlecht gemacht. Mit dem Geld des reichen Mannes konnten die Parteien große Wahlveranstaltungen mit tollen Geschenken für die Menschen im ganzen Land abhalten. Dabei versprachen sie den Menschen das Blaue vom Himmel. Natürlich ging eine dieser Parteien als Sieger aus den Wahlen hervor.
Der reiche Mann konnte sich erfreut die Hände reiben, denn nun war er am Ziel seiner Träume. Zwar war er bei weitem nicht so bekannt wie früher der König – nur ganz wenige wussten von seinem Tun. Aber das war ihm nur recht, denn so war er unangreifbarer als der König. Wenn die Bevölkerung unzufrieden wurde, war die Regierung schuld – nicht er. Wenn die Zustände im Land gar zu schlimm wurden, kam es zu Neuwahlen.
Die Bevölkerung hatte immer die Wahl zwischen einer seiner Parteien und einer Partei von ihm. Alle anderen Gruppierungen waren chancenlos, da die weder das Geld für einen erfolgreichen Wahlkampf, noch diese Unterstützung durch die Medien hatten.
Wenn in einer Regierungspartei selbst einmal der Unmut über die eigene Regierungsweise stark wurde und der Kurs komplett geändert wurde, dann wussten die wenigen Eingeweihten, dass diese Partei nach der nächsten Wahl keine Rolle mehr spielen würde; der reiche Mann würde schon dafür sorgen. Daher kam es kaum vor, dass Regierungsparteien aus der Reihe tanzten.
Mit Vorliebe unterstützte der reiche Mann Politiker, die eine dunkle Vergangenheit hatten und besonders machthungrig waren. Diese ließen sich nämlich am leichtesten von ihm manipulieren. Versuchten diese aber einmal eigene Wege zu beschreiten, war es dem reichen Mann ein Leichtes, den Politiker durch Veröffentlichung eines belastendes Details wieder auf Kurs zu bringen. Ganz Unwillige wurden von den gut bezahlten Schergen des reichen Mannes ins Jenseits befördert, was selten vorkam.

Die Menschen aber waren froh, weil sie sich einbildeten, jetzt endlich mitbestimmen zu können. „Wenn uns die Regierung schlecht behandelt“, sprachen die Leute, „so wählen wir beim nächsten Mal einfach eine andere“ und lehnten sich zufrieden zurück. Nie kamen sie auf die Idee, dass ihre Wahlfreiheit in Wirklichkeit bloß ein Trugschluss war. Somit wurde die Herrschaft des reichen Mannes unwissentlich auch vom Volk gestützt.

Und wenn er nicht gestorben ist, so zieht er weiterhin die Fäden an seinen Politikermarionetten.


Gruß vom Schamanen


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