Satire auf Österreichisch (off t.)
Geschrieben von mica am 10. November 2002 17:48:56:
Haider lebt - 1. April 2021
Peter Kerns Satire "Haider lebt - 1. April 2021" (Kinostart: 8. November) zeigt Österreich in der nahen Zukunft: Europa ist in amerikanische Sektoren aufgeteilt, Dollar statt Euro und Englisch statt Deutsch. Der gestürzte Jörg Haider, der Österreich 20 Jahre regiert hat, ist tot - sagen die Amerikaner.
Der junge deutsche TV-Journalist August Maria Kaiser (August Diehl) will es Haiders Tod nicht glauben und macht sich für den "letzten freien deutschen Sender" auf die Suche nach dem verschollenen Politiker, der "Österreich in den Amerikanismus geführt hat". Seine Recherchen führen Kaiser in die Abgründe des österreichischen Opportunismus und zu den Widerstandsnestern des Untergrunds.
Kern verknüpft dabei Archivmaterial (z.B. die Regierungsangelobung 2000 und die Protestdemos auf dem Heldenplatz) mit abstrus-trashigen Spielszenen. Das Kamerateam gerät in eine Razzia im Naturhistorischen Museum, wo sich widerständische Wienerlied-Sänger treffen, im Cafe Jelinek rückt ihm der Mob in einer Gruppenchoreografie mit "Auße!"-Rufen und Zeitungshaltern zu Leibe.
Im Burgtheater, das jetzt Austrian-American-Theatre, heißt, inszeniert Franz Morak "Square Dance". Marlene Streeruwitz, Peter Turrini, Robert Schindel, Helmut Berger und Michael Schottenberg verkörpern auf einer Waldlichtung rezitierend die letzten Künstler, und Paulus Manker darf in einer Holzhütte Kindern geheimes sprachliches Erbe wie "Fut" und "Beidel" weitergeben.
Fazit: Fröhliches Low Budget-Politkabarett mit kindlicher Lust am Kitzel unter der Gürtellinie und so überzogen, dass es niemand ernsthaft weh tut - sollte man meinen. 1952 beschrieb der Science-Fiction-Film "1. April 2000" den Weg Österreichs, das im Jahr 2000 noch immer von den Alliierten besetzt ist, in die Unabhängigkeit. Das hochkarätig besetzte Propaganda-Auftragswerk der damaligen Bundesregierung wurde vor der gesamten österreichische Politprominenz uraufgeführt. "Haider lebt - 1. April 2021" (die Reminiszenz des Titels ist übrigens Zufall) steht unter umgekehrten politischen Vorzeichen: Die Kärntner FPÖ hat ein Verbot des Films gefordert.
Sieh mal einer an?
Auf der Insel der Seligen regt sich leise Widerstand gegen die Glücklichmacherei vom Großen Bruder überm großen Teich....