EZB: Deutlich beschleunigtes Geldmengenwachstum

Geschrieben von ExImagina am 29. Juni 2001 14:20:12:

Frankfurt (Reuters) - Das unerwartet deutlich beschleunigte Geldmengenwachstum in der Euro-Zone signalisiert weiter Inflationsrisiken und macht Analysten zufolge eine Leitzinssenkung schon in der nächsten Woche unwahrscheinlicher. Wie die Europäische Zentralbank (EZB) am Freitag mitteilte, expandierte die Geldmenge M3 im Mai in der Jahresrate bereinigt um 5,4 (April revidiert 4,8) Prozent. Analysten hatten nur einen Anstieg auf 4,9 Prozent prognostiziert. Die M3-Daten sind nach früheren EZB-Angaben weiterhin um rund einen halben Prozentpunkt statistisch nach oben verzerrt. EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing äußerte sich unterdessen in Wien zuversichtlich, dass die Inflation in der Euro-Zone im Mai ihren Höhepunkt erreicht habe. Die EZB sei aber weiter besorgt über die Preisentwicklung.

Die Jahresrate im Dreimonatsdurchschnitt von März bis Mai kletterte den Angaben zufolge auf 4,9 (Februar/April 4,6) Prozent und liegt damit weiter über dem EZB-Referenzwert von 4,5 Prozent. Das Geldmengenwachstum ist neben einer breiten Beurteilung der allgemeinen Inflationsaussichten eine der beiden Säulen, an denen die EZB ihre Geldpolitik ausrichtet. M3 umfasst nach Definition der EZB Bargeld, Einlagen auf Girokonten bei Banken, Einlagen und Schuldverschreibungen bis zu zwei Jahren, Repogeschäfte, Geldmarktpapiere und -fonds sowie Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist.

Nach diesen M3-Daten wird die EZB Analysten zufolge zumindest auf ihrer Ratssitzung am 5. Juli die Zinsen noch nicht wieder senken. "Die Chancen für eine Zinssenkung in der kommenden Woche sind damit weiter gesunken", sagte Julian von Landesberger von der HypoVereinsbank. Entgegen den jüngsten Aussagen von EZB- Ratsmitgliedern gingen von der Geldmengenentwicklung offenbar doch Inflationsgefahren aus. Mit Blick auf die in den M3-Daten enthaltenen statistischen Verzerrungen hatten Notenbanker zuletzt immer wieder bekräftigt, die monetäre Entwicklung in der Euro-Zone berge keine Gefahren für die Preisstabilität mehr. Es sei fraglich, ob die EZB an dieser Haltung festhalten könne, sagte Michael Schubert von der Commerzbank. "Ich gehe davon aus, dass sie bei ihrem nächsten Ratstreffen die Zinsen nicht senken wird." Wegen der anhaltenden Konjunkturrisiken erwartet er aber dennoch eine erneute Zinssenkung in den nächsten Monaten.

Ihre jüngste Leitzinssenkung am 10. Mai um 25 Basispunkte auf 4,50 Prozent im Schlüsselzins hatte die EZB unter anderem mit dem verlangsamten Geldmengenwachstum begründet. Dabei ging die Notenbank von einer gesamten statistischen Überzeichnung der Daten um rund einen Prozentpunkt aus. Verlässlich beziffern kann sie aber bislang nach eigenen früheren Angaben lediglich eine Verzerrung um einen halben Prozentpunkt. Diese rechnete sie bei den im April veröffentlichten bereinigten M3-Daten erstmals offiziell heraus. Hintergrund der Berechnungsprobleme sind in M3 enthaltene Geldanlagen von Investoren außerhalb der Euro-Zone, die nach Ansicht der EZB eigentlich herausgerechnet werden müssen, da sie keinen Einfluss auf die Preisentwicklung in der Euro-Zone haben. Die Jahresteuerung in der Euro-Zone war im Mai auf 3,4 Prozent von 2,9 Prozent im April gestiegen.

Die EZB begründete das Geldmengenwachstum nicht näher. Volkswirte führten das starke M3-Wachstum darauf zurück, dass viele Investoren zuletzt wegen der Kursschwäche an den Börsen statt Aktien vor allem zu M3 gehörende kurzfristige Anlagen gehalten hätten. "Womöglich ist der Anstieg deshalb nur vorübergehend", sagte Ulla Kochwasser von der Industrial Bank of Japan (IBJ) in Frankfurt. Wegen dieser vergleichsweise günstigen Aussichten seien weitere Zinssenkungen nicht auszuschließen.

EZB-Chefvolkswirt Issing lieferte bei einer Konferenz in Wien unterdessen keine eindeutigen Signale für die künftige Zinspolitik der Notenbank. "Wir gehen davon aus, dass im Mai die Inflation mit 3,4 Prozent ihren Höhepunkt erreicht hat und künftig niedrigere Raten erzielt werden", sagte Issing. Dennoch nehme die Europäische Zentralbank die Inflationsentwicklung sehr ernst. "Wir müssen uns hüten anzunehmen, dass es vom Gipfel einen simplen Pfad zu niedrigeren Raten gibt." Er bekräftigte gleichzeitig seine Einschätzung, dass die Jahresteuerung in der Euro-Zone im Laufe des nächsten Jahres unter 2,0 Prozent sinken werde. Bis zu diesem Wert ist nach Definition der EZB mittelfristig Preisstabilität gewährleistet.

Der Euro und die europäischen Aktienmärkte reagierten auf die M3-Daten nicht spürbar, während die Kurse am Rentenmarkt etwas nachgaben.

Gruß
XI

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