Re: Hilfe! Ich habe ein ernstes mentales Problem mit der deutschen Geschichte!

Geschrieben von ahlfi am 08. November 2002 12:56:34:

Als Antwort auf: Hilfe! Ich habe ein ernstes mentales Problem mit der deutschen Geschichte! geschrieben von Niels am 08. November 2002 12:25:11:

Hi Niels,

ich kann deine Gedankengänge gut verstehen, auch ich habe mich in den 80ern intensiv mit dem Thema beschäftigt.

>Ich kann einfach nicht fassen, daß sich tatsächlich soviel Böses in Dland zusammenbrauen konnte. Die Nazi-Verbrechen erscheinen mir immer noch unfaßbar, obwohl ich 30 Jahre nach der Hitlerzeit geboren bin. Das ist doch alles wie ein großer schwarzer Fleck in der deutschen Geschichte. Manchmal wünschte ich, ich könnte diesen Fleck aus dem Gedächtnis der Menschheit ausradieren. Aber es geht nicht. Natürlich bin ich nicht schuldig, aber als Deutscher belastet es einen naturgemäß. Vor allem frage ich mich, warum so viele mitgemacht haben. Warum sind Millionen Deutsche einem "Führer" hinterhergerannt, der im bürgerlichen Leben versagt hat? Warum haben so wenige gesehen, was Hitler wirklich bedeutet?
>Mich interessiert vor allem die Frage der Schuld. Was meint ihr, gibt es eine Kollektivschuld des deutschen Volkes am Holocaust? Oder meint ihr, daß Schuld stets nur persönlich ist? Wieviele Deutsche wußten eigentlich, was in Auschwitz usw. vor sich geht?

Die Kollektiv-Schuld gibt es meines Erachtens nicht. Es waren viele Geschichtsereignisse dabei, die sich in der Zeit dann entladen konnten. Antisemitismus gab es schon viel früher. Die Deutschen (Normalbürger) suchten förmlich nach Führung und nach einer neuen Perspektive für sich. Man muss, wenn du dich damit näher beschäftigen willst, noch ein paar Schritte weiter in die Vergangenheit gehen. Lese mal das Buch: Joachim Fest, Hitler. Es ist zwar national angehaucht, aber da werden die Zusammenhänge klarer. Von Goldhagen halte ich persönlich überhaupt nichts. Ich will jetzt gar nicht mit den Illus anfangen, wäre auch viel zu lang, aber Hitler war der Mann, der gefunden wurde, nicht, wie viele annehmen, die Macht an sich gerissen hat.

Meine Großväter wussten bis zum Kriegsende nichts von Auschwitz, zwar Kriegsgefangenenlager, aber nicht wirklich etwas von KZs. Ich war noch glücklicherweise in der Lage, meine Großväter zu fragen, welche Sicht sie hatten. Sie gehörten zu den "einfachen" Deutschen.

>Ich meine, wir Deutschen haben doch eine sehr verkorkste Geschichte. Und was das Schlimmste ist, es wird für alle Ewigkeit so bleiben. Bei uns kann sich doch gar kein gesundes Nationalgefühl mehr entwickeln. Wir müssen uns doch immer noch schämen, wenn man uns im Ausland "spaßeshalber" mit "Heil Hitler!" grüßt.

Ich habe Nationalgefühl, aber leider wird man von der Masse dann in die "rechte" Ecke gestellt. Schämen müssten sich alle Völker, jedes Volk und jedes Land hat Dreck am Stecken. Ich will nicht sagen: ich bin stolz ein Deutscher zu sein und erst recht nicht Europäer. Ich sage einfach: ich bin Deutscher! Punkt! Ich freue mich, wenn wir gut Fussball spielen und ärgere mich, wenn vom Ausland wieder ein altes deutsches Unternehmen platt gemacht wird.

>Ich habe auch den Eindruck, daß in Westdeutschland nach dem Krieg sehr schnell verdrängt wurde. Verdrängung scheint eine deutsche Spezialität zu sein.

Das stimmt wohl und darum erinnern uns andere Nationen auch ständig daran, ohne sich an ihre eigene Nase zu fassen! Klar, man braucht die Deutschen als Melkkuh!

>Ach irgendwie fällt mir plötzlich nix mehr ein... Ich wollte halt nur sagen,daß mich die deutsche Geschichte im Moment mental belastet.

Das ist schon okay! Mich belastet es schon lange nicht mehr!

>Danke für euer Verständnis.

Kein Problem!

>Niels

Gruß
Ahlfi




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