Putin als Krisenmanager in der Zwickmühle

Geschrieben von IT Oma am 25. Oktober 2002 14:14:09:

Als Antwort auf: Moskauer Geiselnehmer stellen Ultimatum - «Erschießungen ab morgen» geschrieben von IT Oma am 25. Oktober 2002 14:12:10:

Putin als Krisenmanager in der Zwickmühle
Von Günther Chalupa, dpa
Moskau (dpa) - Das Geiseldrama unweit des Moskauer Kremls stellt
den russischen Präsidenten Wladimir Putin vor die bisher schwerste
Prüfung seiner Amtszeit. Schließlich war es Tschetschenien, das dem
bis dahin weitgehend unbekannten Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB
1999 als Sprungbrett an die Spitze der russischen Regierung und nur
kurz darauf an die Staatsspitze diente. Die Vergangenheit habe Putin
eingeholt, meinten Beobachter.
Immer noch kursieren in Russland Gerüchte, der FSB habe damals die
blutigen Terroranschläge auf Wohnhäuser in Moskau und anderen Städten
inszeniert, um einen Vorwand für den späteren Einmarsch der
Streitkräfte in Tschetschenien zu liefern. «Jetzt haben die
Tschetschen Moskau erobert, Russland hat den Krieg verloren», sagte
ein Politologe am Freitag.
«Das Leben der Menschen hat Vorrang», sagte Putin am Freitag bei
einem Treffen mit Moskaus Oberbürgermeister Juri Luschkow und
Innenminister Boris Gryslow. Diese Worte waren ein kleiner
Hoffnungsschimmer für die Angehörigen der rund 700 Geiseln im
Konzertsaal der Kugellagerfabrik. Tags zuvor hatte der Staatschef
noch die Parole an die Sicherheitskräfte ausgegeben, bei der Planung
zur Befreiung der Geiseln deren «maximale Sicherheit» zu
berücksichtigen.
Doch viel mehr Hoffnung kann Putin den Geiseln nicht machen.
Schließlich blockiert seine eigene Anweisung von Anfang 2000, dass
keine offiziellen Verhandlungen mit Vertretern der Tschetschenen
geführt werden dürfen, vorerst alle Vermittlungsbemühungen, wie der
für Tschetschenien zuständige Kreml-Vertreter Sergej Jastrschembski
andeutete. Vize-Regierungschefin Valentina Matwijenko gab zu
verstehen, dass ein Nachgeben des Kremls auf die Forderungen der
Geiselnehmer nach einem sofortigen Abzug der russischen Streitkräfte
aus Tschetschenien unmöglich sei. «Es geht dort nicht um Krieg,
sondern um die Entwaffnung illegaler Banden, und wir als Staat müssen
das tun, um ein größeres Blutvergießen zu vermeiden.»
Der starke Mann im Kreml ist plötzlich einsam geworden, denn er
steckt in der Zwickmühle. Eine Nation blickt auf ihn, wartet auf
seinen nächsten Schritt. «Er hat eine schwere Wahl - entweder das
Ansehen des Staates oder das Leben der Geiseln», meinte Dmitri
Olschanski, Leiter des Moskauer Zentrums für strategische Analysen.
Schließlich habe Putin selbst dafür gesorgt, dass er die alleinige
Entscheidungsgewalt hat.
«Egal was der Präsident sagt, es kann nur schlecht sein», meinte
der renommierte Politologe Wjatscheslaw Nikonow. «Dies entweder aus
politischer Sicht oder mit Blick auf die Ereignisse im Konzertsaal.»
Mit Sicherheit jedoch würden viele Opfer unter den Geiseln für Putin
«schwere politische Folgen» haben.
Unerwähnt blieb dabei Putins erster Misserfolg bei einem
Krisenmanagement, das ihm erstmals schwere Kritik im Lande
eingebracht hatte. Damals, im August 2000, hatte er nach dem Unglück
des Atom-U-Bootes «Kursk» die Ereignisse über Tage hinweg von seinem
Feriendomizil in Sotschi am Schwarzen Meer verfolgt, anstatt sich
direkt an den Unglücksort oder in den Kreml zu begeben.
dpa ch xx ik

251407 Okt 02


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