Re: WIR MENSCHEN HABEN JETZT DIE WAHL ...

Geschrieben von Kober am 18. Oktober 2002 13:04:19:

Als Antwort auf: Re: WIR MENSCHEN HABEN JETZT DIE WAHL ... geschrieben von Badland Warrior am 18. Oktober 2002 12:29:23:

>Hi, Inge!
>Ja, wir haben die Wahl! Ich habe z. B. gewählt, deine albernen Postings in Zukunft zu ignorieren.
>Goldbasis, also ehrlich!
>Badland Warrior



Dein Name passt!



Silvio Gesell (1862 - 1930)
Freigeld

Silvio Gesell ist der Erfinder des Begriffes ‘Freigeld’. In seinem Buch ‘Die natürliche Wirtschaftsordnung’ - Durch Freiland und Freigeld’ schlägt er als erster Ökonom eine Umlaufsicherung des Geldes zur Stabilisierung der Volkswirtschaft vor. Namhafte Zeitgenossen Gesells und Wirtschaftswissenschaftler urteilten:

“Ich glaube, dass die Zukunft mehr vom Geiste Gesells als von jenem von Marx lernen wird.” (John Maynard Keynes)

“Die Schaffung eines Geldes, das sich nicht horten lässt, würde zur Bildung von Eigentum in wesentlicherer Form führen.” (Albert Einstein)

“Gesells Name wird ein führender Name in der Geschichte sein, wenn sie einst entwirrt sein wird.” (H. G. Wells)

Theoretische Untermauerung

Irving Fisher blieb es vorbehalten, die ‘Relativitätstheorie’ der Wirtschaft zu finden:

Geldmenge mal Umlaufgeschwindigkeit = Preis mal volkswirtschaftliche Produktion

Diese als ‘Quantitätsgleichung’ bekanntgewordene Formel beweist die Exaktheit der Gesell’schen Ideen: Nur wenn eine Ökonomie sowohl Geldmenge als auch Umlaufgeschwindigkeit des Geldes kontrolliert, wird eine präzise Steuerung der Preise und der Produktion möglich sein (vgl. Fisher, Stamp Scrip, 1932). Verzichtet ein Währungsraum auf diese Steuerung, überlässt er die Abläufe und Ergebnisse des Wirtschaftens der Willkür und dem Zufall. Sozialen und ökologischen Missständen wird dadurch Tür und Tor geöffnet. Daraus lässt sich folgende Konsequenz ziehen: Mit einer bewussten Gestaltung der Geldordnung wird die Grundlage gelegt für eine organische Entwicklung der Wirtschaftskultur, vernachlässigt man dagegen das ‘Tabu Geld’ (vgl. Lietaer, Das Geld der Zukunft, 2000), werden noch so viele Bemühungen im technischen, pädagogischen, soziologischen oder politischen Bereich vergebens sein.

Ganzheitlicher Ansatz

Umgekehrt ist natürlich auch zu berücksichtigen, dass eine Änderung der Geldordnung ohne Rücksicht auf Pädagogik, Psychologie usw. ebenso scheitern muss! In einer komplexen Welt gibt es nicht den einen Hebel, der als Allheilmittel alle Probleme dieser Welt löst. Auch Gesell erkannte dies: Er sah, dass eine Umlaufsicherung zu einer Flucht in Sachwerte führen würde. Aus diesem Grund müsste zumindest der Boden aus den regulären Märkten herausgenommen werden (oder bei Henry George: prohibitive Bodenbesteuerung, die einen Handel von Boden unattraktiv macht).

Eine Umgestaltung der Geldordnung muss somit mit weiteren ökonomischen und ebenso mit ökologischen und sozialen Maßnahmen eingehen. Dieses Bündel an Änderungen würde die heutige Wirtschaftskultur grundlegend verändern. Wie so oft haben Konservative und Traditionalisten Angst vor Veränderungen und wehren sich mit Händen und Füßen gegen neue Ideen. Erst tun sie es als Spinnerei ab, dann bekämpfen sie die Argumente durch Polemik und letztlich setzen sie gegen Modelle und reale Alternativen unfaire Mittel ein, und wenn dann die große Mehrheit den ’Paradigmenwechsel’ akzeptiert, werden sie zu stillen oder sogar begeisterten Mitläufern nach dem Motto: “Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.” Doch wer fängt an?

Wendezeit

Wer heute am Tabuthema Geld ansetzen möchte, wird drei Dinge berücksichtigen müssen:

In der Realität gibt es noch keine echten Freigeld-Modelle.Weltweit gibt es 2600 Komplementärwährungen, von denen die meisten keine Umlaufgebühr haben und keine einzige als echte Konkurrenz zum konventionellen Geld aufgefasst werden kann (im Sinne einer Substitution des heute ungerechten Geldes und nicht nur als Ergänzung).
Die Welt hat sich seit Gesell fundamental verändert. Die Theorien um das Freigeld müssen weiterentwickelt werden (Liquiditätstheorie, Eigentumstheorie, dynamische Modelle, Zinstheorien ...), moderne technische Varianten müssen erst ge- und erfunden werden (elektronische Zahlungssysteme, effiziente Netzwerke). Auch sind nur einige Theorien, Thesen und Anschauungen von Gesell für einen modernen Ansatz wirklich relevant. Umgekehrt sollte man ein Buch von Gesell ‘hermeneutisch’ lesen, also den Kontext der Historie berücksichtigen. Auf diese Weise zeigen sich Seiten der Genialität und sicherlich auch Seiten geringer Qualität oder der Antiquiertheit. Wer lediglich an einem modernen Freigeld interessiert ist, für den ist lediglich die geniale Seite Gesells interessant. Wer an der Biografie Gesells interessiert ist, wird bei gründlichen Recherchen entdecken, dass Gesell ein echter Humanist war und an einem Fortschritt der sozialen Frage gearbeitet hat. Dass er dabei eher auf die Schwächen des Menschen geachtet hat, also Egoismus, Neid und Gier, zeigt sehr schön die pädagogische Einstellung von Gesell (vgl. Gesell 1948: 68 f.): Durch eine Veränderung des Systems soll der Mensch aus seiner Unreife abgeholt werden und in seinem Weg zur Mündigkeit unterstützt werden. In der heutigen Zeit müsste man aber ebenso darauf achten, die Stärken der Menschen herauszufordern: Der Mensch ist fähig zu Gemeinschaft, zu Solidarität, zu Verantwortung, zu Kreativität, zur Toleranz usw. Durch den demokratischen Ansatz, möglichst vielen Menschen die Fehler des Systems bewusst zu machen und gemeinsam neue Wege zu beschreiten, werden die positiven Seiten der Menschen gestärkt. Die Regeln zum Geld oder zum Wirtschaftssystem verhindern dann lediglich die negativen Auswirkungen von ebenso vorhandenen egoistischen Handlungsmustern. Eine ‘Änderung von oben’ würde heute dagegen ins Leere laufen, weil eine Geldgebühr als zusätzliche Belastung missverstanden würde und eine Abwahl der Regierenden zur Folge hätte.
Das Thema Geld ist keine Frage mehr von wenigen Eingeweihten, die die Hebel der Welt in ihren mächtigen Händen halten. Zugegeben: Es gibt viele erfolgreiche Spekulanten, die die Mechanismen der Geld- und Finanzordnung für sich auszunutzen verstehen, doch haben sie letztlich keine Ahnung, was Geld ist und in welche Richtung es sich verändern lässt. Nein, Geld muss heute als das begriffen werden, was es ist: als ‘Vereinbarung’ zwischen Menschen (vgl. Lietaer 2000)! Und jeder, der den Willen zu einem ‘Paradigmenwechsel’ besitzt und das System durchschaut, kann das Konstrukt Geld verändern.


“Die ganze Erdkugel, wie sie da im prächtigen Flug um die Sonne kreist, ist ein Teil, ein Organ des Menschen, jedes einzelnen Menschen.

Dürfen wir nun gestatten, dass einzelne Menschen Teile dieser Erde, Teile von uns selbst, als ausschließliches und ausschließendes Eigentum in Beschlag nehmen, Zäune errichten und mit Hunden und abgerichteten Sklaven uns von Teilen der Erde abhalten, uns ganze Glieder vom Leibe reißen? Bedeutet ein solches Vorgehen nicht dasselbe wie eine Verstümmelung von uns selbst?”

Gesell “An die Überlebenden”, Bern, 1948, S. 72



Kober




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