Re: Das geht ganz einfach:
Geschrieben von Torsten am 11. Oktober 2002 16:22:35:
Als Antwort auf: Wie hat das passieren können ? geschrieben von franke43 am 11. Oktober 2002 14:49:42:
Lieber Franke43,
man schafft eine Grenze und verbreitet eine neue Ideologie.
Übrigens stimmt das mit der 1000jährigen gemeinsamen Geschichte nicht. Bis zum Deutschen Reich lagen sich die "Deutschen" Staaten regelmäßig in wechselnden Bündnissen in den Haaren und dezimierten ihre Bevölkerung. Die Nachwirkungen sind bis heute in Vorurteilen bis Ausschreitungen spürbar - so gab es selbst zu DDR-Zeiten regelmäßig Krawalle, wenn Dynamo Dresden auf den BFC Dynamo traf. Zu den alten Differenzen zwischen Sachsen und Preußen kam noch, daß Mielke's Lieblingsmannschaft die eine oder andere kleine Ungenauigkeit der Regelauslegung durch den Schiedsrichter half.
Abgesehen davon: Selbst die Eltern meines Jahrgangs waren in den Kriegsjahren oder nach dem Krieg geboren und kannten kein geeintes Deutschland (obwohl zum Jugendweihe-Eid meiner Mutter noch das Streben nach Wiedervereinigung gehörte und "Deutschland einig Vaterland" in der DDR-Nationalhymne stand).
Die Spaltung wurde ja von beiden Seiten betrieben. Sowohl Amis als auch Russen brauchten Deutschland als Grenzland. Da ist ein Einigkeitsgefühl das Letzte, was man braucht. Im Westen gab's Kaugummis und Zigaretten, später Marshall-Plan und Wirtschaftswunder, im Osten marxistisch-leninistische Ideologie. Eine bessere Grundlage der Teilung konnte gar nicht geschaffen werden.
Wie gesagt, BRD-Bürger sah ich nicht als Feinde, sondern als Ausländer. Und da wir eine nationale Identität als DDR-Bürger hatten, hätten wir natürlich unser Territorium verteidigt.
Aus meiner Sicht knüpft genau hier das Ossi-Wessi-Problem an. Wir hatten nämlich nicht vor, BRD zu werden, sondern haben nur ein nicht mehr tragbares System abgeschafft. Dann kam der fette Helmut mit seinen "blühenden Landschaften" und an einem Wochenende wurde von einem einzelnen Mann (Günter Krause) ein "Einigungsvertrag" ausgehandelt, dessen Inhalt die Übernahme war. Wir sollten einfach eine neue Identität übernehmen und der alten abschwören (und das meine ich wörtlich). Daß so etwas auf Widerstand stößt, liegt in der Natur des Menschen. Diejenigen, die uns ohne den geringsten Einblick in gewachsene Verhaltensmuster und Strukturen erzählen wollten, wie man zum besseren Menschen wird, haben das noch weiter zugespitzt. Oft genug waren das Mitarbeiter, die in den alten Bundesländern abkömmlich waren, und das bestimmt nicht wegen Überkompetenz. Ausgestattet mit alter Dummheit und neuer Macht war der "Besserwessi" geboren.
Tja, und die Behandlung als Deutsche dritter Klasse (zweite sind die Türken), staatlich durch Osttarife (an welche viele Unternehmer noch nicht einmal gebunden sind), seitens der Medien durch Hinweise auf "neue Bundesländer" oder "Ostdeuschland" ständig ins Gedächtnis gerufen, dient nicht gerade der Verbesserung der Situation. Da hilft auch keine Androhung von Strafen gegen die Begriffe "Ossi" und "Wessi" - auf die Art wird sich der von Dir beschworene Patriotismus wohl kaum einstellen.
Abgesehen davon wüßte ich auch als Vollwertdeutscher nicht, mit wem und gegen wen ich hier patriotisch sein soll. Das Wort beinhaltet ja den Kampf gegen innere und äußere Feinde des Vaterlandes. Da sehe ich zunächst die inneren und äußeren Feinde, die mit einer jahrzehntelangen Mißwirtschaft zum persönlichen Nutzen das Vaterland dauerhaft ruiniert haben und dies nach wie vor tun. Insofern bin ich schon Patriot, weil ich mich denen schon immer entgegengestellt habe - auch schon vor der Wende.
Nicht daß Du denkst, das ginge jetzt in Richtung eines proletarischen Internationalismus - ich halte Nationen - gegründet auf Sprache und Kultur und als Staaten zum Nutzen der Bürger organisiert, durchaus für sinnvoll. Ob es in diesem Sinne gegenwärtig oder überhaupt eine Deutsche Nation gibt, mag sich Jeder selbst fragen.
Viele Grüße
Torsten