Das Deutschenbild der Russen

Geschrieben von Marco am 09. Oktober 2002 13:00:50:

Interessant, wie ich finde, wird hier doch stets das Bild vom "bösen Russen" vermittelt:

Die Zeit 09.10.2002

Pünktlich, berechnend, geizig - das Deutschenbild der Russen
Putins Westkurs ist im Volk beliebter als bei Eliten

Von Jens Hartmann

Moskau - Russlands Präsident Wladimir Putin findet für seinen Westkurs offenbar mehr Unterstützung bei seinen Bürgern als bei der skeptischen Elite in Politik und Militär. Die Studie "Deutschland und Europa in den Augen der Russen", die die Friedrich-Ebert-Stiftung zusammen mit der Russischen Akademie der Wissenschaften erstellte und die auf einer repräsentativen Befragung von 1750 Personen beruht, kommt zu dem Schluss, dass mehr als 80 Prozent der Russen die Außenpolitik des Kremlchefs "eindeutig oder eher positiv" bewerten.

Putin, der Russland in die Anti-Terror-Koalition einreihte, in die G 8 führte, sich von den USA und Europa einen Marktwirtschaftsstatus zuerkennen ließ und den Nato-Russland-Rat mitinitiierte, habe in zweieinhalb Jahren Amtszeit das internationale Renommee Russlands angehoben, ist sich die Mehrzahl der Russen sicher. Zum Amtsbeginn im Jahr 2000 hatte gerade jeder Zwanzigste positive Tendenzen ausmachen wollen.

Von einem bedingungslos prowestlichen Kurs wollen indes die meisten nichts wissen. Zwar sei es richtig gewesen, die Amerikaner im Kampf gegen Terroristen zu unterstützen. Die Truppenpräsenz der USA seit dem 11. September 2001 in Russlands "Hinterhof", in Zentralasien und dem Kaukasus, lehnt indes die große Mehrheit der Russen ab. Das Gefühl, noch eine Supermacht zu sein, schwindet in den Köpfen. Die meisten Russen sind der Meinung, man solle sich nicht mehr als unbedingt nötig in internationale Konflikte einmischen.

Das Deutschlandbild ist überwiegend freundlich: 68 Prozent der Russen haben positive, nur 14 Prozent negative Empfindungen gegenüber den Deutschen. Deutschland, das ist aus russischer Sicht ein "Land der Ordnung und Disziplin", ein "Land, von dem man etwas lernen kann", aber auch der "Schuldige am Zweiten Weltkrieg". Denkt man an Deutschland, fällt zuerst der "Große Vaterländische Krieg" ein, dann Fernsehbilder sauberer deutscher Städte und deutsche Markennamen wie Mercedes, Siemens, Bosch. Bei Deutschen fallen den Russen Adjektive wie genau, pünktlich, berechnend, gesetzestreu, geschäftig und geizig ein. Sich selbst halten sie für gastfreundlich, gütig, geduldig, mutig, unverbindlich und schlampig.

Finden viele Russen Deutschland und Europa anziehend, gilt dies nicht für die USA. Die Ressentiments sind in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen. Hegten 1995 noch 77 Prozent der Russen positive Gefühle gegenüber den Amerikanern, sind das heute nur noch 38 Prozent.

Ist Russland Europa? Ist es ein eigener eurasischer Kontinent oder gar schon Asien? Auf diese Frage, die schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Russland Westler ("Sapadniki") und Slawophile ("Slavjanophili") zu erbitterten Disputen hinriss, geben auch die Russen heute keine klare Antwort. 41 Prozent halten Russland für einen Teil Europas, 35 Prozent wollen ihrem Vaterland eine eigene "eurasische Zivilisation, deren Zentrum sich nach Osten verlagern wird", zugestehen. Trotzdem ist die Mehrheit der Russen dafür, alles daran zu setzen, in die EU aufgenommen zu werden.

Von einer tiefen Liebe zwischen Russland und Europa kann indes keine Rede sein. Westeuropa sei ausschließlich daran interessiert, Russlands Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas zu bekommen, sagt die Mehrheit. Westeuropa - da werden für Russen vor allem attraktive Assoziationen wie Wohlergehen, Komfort, Zivilisation und Menschenrechte wach. Denken sie an ihr eigenes Land, wird augenfällig, wie die Russen mit sich ringen. Neben Negativbegriffen wie Krise, Drogen und moralischer Verfall kommen ihnen - wie zum Trotz - Werte wie Patriotismus, Intellekt und geistige Welt in den Sinn.



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