Re: Ja zu einer "neuen Weltordnung"

Geschrieben von Torsten am 07. Oktober 2002 15:09:52:

Als Antwort auf: Ja zu einer "neuen Weltordnung" geschrieben von Waldgeist_33 am 07. Oktober 2002 14:03:03:

Lieber Waldgeist,

dieses Modell dürfte zum alsbaldigen Ableben Aller führen. Der Mensch ist in seiner Physiologie und Psychologie als soziales Wesen konzipiert - zwar kann ein kleiner Rambo überleben, aber nicht, wenn er Nachwuchs betreuen muß. Willst Du Dir Deine Medikamente selbst herstellen, damit Deine Frau nicht am Kindbettfieber stirbt, oder soll sie das machen? Welches Modell würdest Du denn bevorzugen: Jäger und Sammler oder Ackerbauer und Viehzüchter? Übrigens müßtest Du oder Deine Partnerin Alles machen, was irgendwann gemacht werden muß. Z.B. ab und zu ans Meer pilgern, um Salz zu gewinnen (natürlich kann man auch mit Kropf leben). Schließlich sollen ja Alle nach dem Modell leben - deshalb wird es keinen Salzhändler geben. Ich hoffe, Du und Deine Partnerin seid auch mit der Herstellung von Fäden und Geweben vertraut, beherrscht Gerberei (einschließlich der Herstellung von Gerbmitteln), Köhlerei und das Schmiedehandwerk. Etwas Bergbauerfahrung wäre sicherlich hilfreich. Zimmermännische Kenntnisse machen Bahausungen haltbarer - außerdem brauchst Du sie zur Abstützung im Bergwerk und Herstellung landwirtschaftlicher Geräte. Um nicht zu vergessen: Auch Streichholz- und Feuerzeugfabrik sind dann zu. Und Klopapier gibts auch keins mehr. Zum Glück soll Seife gar nicht so schwer herzustellen sein - ich hoffe, Du kennst das Rezept.

Ein Leben von 35 Jahren (mehr wirds wohl nicht werden) ist etwas Anderes als eine Trekkingtour, deren Zubehör man kaufen kann. Einiges der Probleme ist ja in "Robinson Crusoe" geschildert, und das waren nur einige Jahre, die das literarische Vorbild ausgesetzt auf der Insel verbracht hatte. Oder ist Dir die Geschichte der Meuterer der Bounty bekannt? Von denen waren nach wenigen Jahren ich glaube auch nur noch zwei übrig - dabei hatten sie Ausrüstung und die Unterstützung Einheimischer.

Kurz: die Arbeitsteilung ist schon eine recht nützliche Erfindung - was Dir jeder Schimpanse leicht erklären kann.

Unser Problem ist die Art, wie das Zusammenleben organisiert ist. Damit meine ich, daß Jeder Probleme lösen soll, die nicht seine sind. Überlagert von egoistischen Interessen kann das System nicht funktionieren. Wie soll ein Arbeitsminister Belange der Arbeiter und Arbeitslosen vertreten, wie ein Wirtschaftsminister gleichzeitig die ihm völlig fremden Probleme von Einzelunternehmern und Großkonzernen überblicken oder ein Finanzminister die Belastbarkeit von Geringverdienern einschätzen?

Ich meine, daß die räumliche Trennung funktionell zusammengehöriger Strukturen ihre vernünftige Organisation verhindert. "Regierungsviertel", "Arbeitersiedlung", "Bankenviertel" sind Beispiele dafür. So nimmt Jeder den Anderen nur noch in seiner Funktion wahr (Produzent, Beamter, Konsument - je nach Problemstellung), aber nicht mehr in seinen anderen Merkmalen (z.B. als Mensch).

Eine Organisation in einem Stammessystem (wie in den keltischen Clans) würde das lösen. Auch hier müßte - nach Fähigkeiten, nicht nach Aggressivität ausgewählt - eine Hierarchie bestehen, der gegenüber die jeweils unteren Stufen abgabepflichtig sind. Das macht aber erst dann Sinn, wenn der Einzelne soweit ist, sich aus einer Position keine persönlichen Vorteile zu ziehen - und der Untere, ihm kurzerhand die Abgabe zu verweigern, falls er es doch versucht. Kurz, daß das Ganze nach dem Vorbild Jesu organisiert wird, daß der Höchste der Diener Aller sein muß.

Ein solches Modell würde auch im globalen Mastab funktionieren - im europäischen hat es das schon bei den Kelten. Und das Rezept ist auch einfach: Die Verweigerung gegenüber den Mächtigen und die Verweigerung, selbst Macht anzustreben. Damit hat Gandhi das Britische Empire in Indien gekippt - welches sicher kein leichter Gegner war und noch nie ein zimperlicher in der Wahl seiner Mittel.

Viele Grüße

Torsten


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