Die letzten Dämme brechen
Geschrieben von Hubert am 19. September 2002 16:28:40:
Als Antwort auf: Aktuelles von der Börse geschrieben von Bekenchon am 19. September 2002 16:08:23:
(Quelle: Spiegel.de)
Die letzten Dämme brechen
Die Krisenstimmung an den Weltmärkten hat den Dax am Donnerstag in die Nähe der 3000-Punkte-Marke gedrückt. Von der Wall Street droht neues Ungemach: Der Dow Jones nähert sich mit Riesenschritten der 8000-Punkte-Marke.
Angst vor dem Fall der 3000-er-Marke: Händler an der Frankfurter Börse
Frankfurt am Main - Bis zum Nachmittag verlor der Dax in Frankfurt drei Prozent auf 3031 Punkte. Das Geschäft war zum großen Teil von den Entwicklungen an der Terminbörse geprägt. Im Vergleich der wichtigsten Börsen in Europa war der deutsche Markt damit erneut der schwächste. Mittlerweile notieren sechs von 30 Dax-Aktien im einstelligen Bereich.Bei sehr niedrigen Umsätzen sank der Nemax 50 am Neuen Markt um 2,1 Prozent auf 397 Punkte. Hier war erneut die MobilCom-Aktie mit Verlusten von zuletzt 15,09 Prozent auf 2,25 Euro der schwächste Wert.
"Wir haben hier einen Bärenmarkt, wie er schlechter nicht sein kann. Das ist nur noch mit den dreißiger Jahren vergleichbar", sagte Aktienhändler Giuseppe Amato von Lang und Schwarz. "Und es wird noch viele Monate dauern, bis sich ein stabiler Aufwärtstrend etablieren wird", prophezeite er.
Der Dax hat inzwischen mehr als 60 Prozent eingebüßt. Innerhalb der vergangenen sechs Monate wurde an der Börse damit ein Kapital vernichtet, das dem Bruttoinlandsprodukt von Polen entspricht. "Wir büßen jetzt für die Sünden der zweiten Hälfte der neunziger Jahre", sagt HypoVereinsbank-Chefvolkswirt Martin Hüfner.
Trotzdem mache es keinen Sinn, jetzt der Panik nachzugeben. Anleger sollten sich vielmehr sagen: "Okay, das war schrecklich. Aber jetzt zu verkaufen, wäre der ungünstigste Zeitpunkt." Vor allzu großen Hoffnungen, dass endlich die Talsohle erreicht ist, warnt der Börsenexperte. Nach der Blase an den Börsen übertreibe der Markt nun nach unten. Verstärkt würde die Entwicklung durch die Kriegsgefahr im Nahen Osten. Gemessen an den ökonomisch Grunddaten sei die aktuelle Kurs-Entwicklung jedenfalls nicht mehr begründbar.
Das sieht der Chef-Volkswirt der Allianz-Gruppe, Michael Heise, ähnlich. "Die Ursachen für die Talfahrt an der Börse sind ein Gemisch aus Befürchtungen." Dazu zähle etwa die Sorge, die sanfte Konjunkturerholung könne schon wieder zu Ende sein. Aber auch Unsicherheiten über die Entwicklungen im Irak spielten eine Rolle - dass jetzt dort Inspektoren zugelassen würden, ändere offensichtlich wenig.
Wenn auch die bevorstehende Bundestagswahl wohl keine entscheidende Rolle für die Entwicklung auf dem Parkett spiele, stellten sich die Börsianer doch die Frage, ob die notwendigen Reformen in Deutschland umgesetzt würden: "Das hat den negativen Trend an den Aktienmärkten bestimmt noch verstärkt." Dennoch ist Heise sich sicher, dass 2003 mit einem Anziehen der Konjunktur zu rechnen ist und die Gewinne der Unternehmen sich nach massiven Kostensenkungen selbst bei schwacher Konjunktur erholen. "Der Markt wird sich wieder fangen - die Frage ist nur: Wann?"
Ulrich Ramm, Chefvolkswirt der Commerzbank, betonte ebenfalls: "Es gibt jetzt eine Pendelbewegung, von der wir wissen, sie ist übertrieben. Wir wissen nur nicht, wieweit das Pendel ausschlägt." Auch er ist der Ansicht, dass die Aktienmärkte eigentlich eine höhere Bewertung verdienten. Doch sei die Börse beeinflusst von Unsicherheiten aus dem politischen Raum.
Das sei zum einen die Terror- und Kriegsangst, in Deutschland komme die Wahl hinzu. "Sicherlich spielt auch die Diskussion um die Reformunfähigkeit der deutschen Politik eine Rolle." Ramm hofft, dass es nach dem Wahl-Sonntag einiges mehr an Klarheit und Perspektive gibt.
Bei den Anlegern seien panische, teilweise misstrauische Reaktionen auszumachen. Für die Volkswirtschaft wäre es Ramms Ansicht nach allzu schade, wenn die Finanzierung der Wirtschaft durch Aktienemissionen, die zu einer tollen Blüte gekommen ist, auf einmal wieder wegfällt. Für jedes Industrieland sei die Finanzierung von Unternehmen über die Börse äußerst wichtig.
Für Anleger sollte nach Ansicht von Professor Wolfgang Gerke von der Universität Nürnberg-Erlangen, jetzt gelten: "Nur ganz Mutige könnten kleinere Beträge einsetzen. Aber so viel Aufschwung werden wir diesem Jahr nicht mehr bekommen, dass man nicht auch noch bis zum nächsten Jahr warten könnte." Für ihn spielt die anstehende Wahl keine große Rolle bei der aktuellen Börsenentwicklung, zumal die beiden Kandidaten mit ihren Programmen nicht so weit auseinander liegen.
Vielmehr mache die Irak-Krise Europa und insbesondere Deutschland zu schaffen, weil wir wesentlich abhängiger von der arabischen Ölversorgung sind, als andere. Ein Irakkrieg würde Europa wirtschaftlich besonders treffen. Dem Bank- und Börsenexperten zufolge spiegeln die Aktienmärkte gegenwärtig zudem die Schwierigkeiten, mit denen einige Branchen zu kämpfen haben. Dies gelte etwa für den Telekommunikationsbereich, aber auch für die Banken, die eine Ertragskrise erlebten. Betroffen sei zudem die Versicherungswirtschaft, die zum einen hohe Schäden zu verkraften habe und darüber hinaus - um ihre Reserven sicherzustellen - Aktien zu schlechten Kursen verkaufe, was die Kurse weiter drücke.
- das ist: blah fasel raah! (o.T.) RaginHari 20.9.2002 01:37 (0)