"...gewaltiges Blutbad in Bagdad"
Geschrieben von H.Joerg H. am 12. September 2002 16:22:40:
Tag zusammen!
Zur Zeit findet in Mainz der "Welt-Orientkongress" statt. Im Zusammenhang zum 11.Sept. zieht dieser ein skeptisches Fazit, die US-Irak Politik angehend.
Dazu ein (durchaus US-kritischer) Artikel von Dietmar Brück aus der Rhein-Zeitung von heute:
Experten befürchten gewaltiges Blutbad in Bagdad
Mainz. Die Abscheu über das, was am 11.September in New York und Washington geschah, war gestern allenthalber auf dem Welt-Orientkongress in Mainz zu spüren. Aber nicht nur dieses Gefühl einte viele Akademiker, die in einem der unzähligen Foren das Wort ergriffen. Auch die Angst macht sich breit, die USA könnten die falschen Konsequenzen aus dem Terror-Anschlag vor einem Jahr ziehen. Besorgte Blicke gehen zur Golf-Region.
"Saddam Hussein zieht seine Truppen derzeit in den urbanen Zentren zusammen. Wenn er gestürzt werden soll, müssen vermutlich die Städte bombardiert werden, könnte es zu verlustreichen Häuserkämpfen kommen. Ein Irak-Krieg würde ein gewaltiges Blutbad bedeuten", befürchtet der Berliner Politikwissenschaftler Friedemann Büttner. Der Orientalist Tim Niblock (Universität Exeter) hält es gar für möglich, dass der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon einen neuen Golfkrieg dazu nutzen wird, noch rabiater gegen die Palästinenser vorzugehen. Selbst eine gezielte Vertreibungspolitik will er nicht ausschließen.
Ähnlich kritisch geht auch der US-Politologe Stephen Zunes mit seiner eigenen Regierung ins Gericht. Der Professor an der Universität von San Francisco sieht keinerlei Legitimation für einen amerikanischen Angriff. "Kein Terrorist, der den Anschlag am 11.September verübt hat, war ein Iraki", erklärte er. Die irakische Regierung sei vielmehr von Osama bin Laden vor drei Jahren selbst bedroht worden.
Zunes analysierte beunruhigt, "dass die USA mittlerweile wie ein Empire agieren, nahezu ohne Rücksichtnahme auf den Rest der Welt". Offene Kritik übte er an US-Präsident Bush:" Er erklärte nach dem 11.September, die Terroristen haben Amerika wegen unserer Werte attackiert, sie haben die Freiheit und Demokratie angegriffen. Doch Bush sagt nicht die Wahrheit. Die USA haben im mittleren Osten all die Jahre nicht die Freiheit und die Demokratie unterstützt."
Zunes weiter:"Im Gegenteil:Aus den USA sind Waffen und Gelder an Besatzer und diktatorische Regime geflossen." Die terroristische Aggression wurzelt seiner Ansicht auch darin, dass Amerika sich in der Außenpolitik von seinen Grundwerten verabschiedet hat. Ein Grund mehr, um den Irak nicht anzugreifen:"Die arabische Welt würde dieses Massaker nicht verstehen", so Zunes.
Der jordanische Orientalist Kamel S. Abu Jaber warnte davor, die Araber unter eine Art Kollektivverdacht zu stellen. Nur eine kleine Minderheit rechtfertige den Terror. Und gleich mehrere Wissenschaftler - unter ihnen der Italiener Lorenzo Trombetta - bezeichneten den Nahost-Konflikt als Schlüssel zum Frieden. Ihre These: Die arabischen Länder verlangen, dass Israel sich nicht ungestraft über UN-Resolutionen hinwegsetzen darf, während beim Irak peinlich genau auf deren Einhaltung gepocht wird.
Doch all diese Argumente dringen offenbar nicht zur US-Regierung durch, denn auf dem Orientkongress gilt ein Irak-Krieg nahezu als beschlossene Sache. "In unserer Regierung macht sich eine Anti-Haltung gegen Intellektuelle breit", meint Stephen Zunes. Und der Harvard-Professor Robert Owen monierte, dass im Kabinett niemand den Fachleuten zuhöre. Tim Niblock resigniert:"Ich höre immer nur Leute, die gegen den Krieg sind. Aber er wird offenbar trotzdem geführt werden."