Zu Tode gesendet

Geschrieben von H.Joerg H. am 11. September 2002 20:01:11:

N´abend!

Ja, ich weiß. Mitleid mit den Opfern, Solidarität bekunden und weitere Scherze, die einem aufzeigen sollen, daß man noch ein Mensch mit Gefühlen ist, an diesem ehrfurchtsvoll in Szene gesetzten Datum, ein Jahr nach was auch immer.

Schon seit Tagen quellen die Gazetten über, ebenso wird Senderkonform - ob TV oder Radio - Gebetsmühlenartig daran erinnert, wie beschissen und verlogen die Welt doch ist, und nicht erst seit vorigem Jahr.

Klar, man kann offline gehen, die Stromversorgung zum TV-Gerät kappen, die Batterien aus dem Radio fachgerecht entsorgen, und die Aufmacher der Zeitungen ignorieren. Dann sitzt man zuhause, auf den Tisch schweift mein Blick, und da fällt mir wieder ein, daß ich mir erst gestern noch "Die Wut und der Stolz" von Oriana Fallaci zugelegt, und sowieso da noch den Bildband vom WTC herumliegen habe.

In den Gassen betrübte Einerlei-Fressen, oder schauen sie, wie meist - sexuell unzufrieden und gleichzeitig mit lechzendem Blick einem, egal ob Weiblein oder Männlein, zuerst in die Lendengegend. Ekelhaft, denke ich mir, und bin zufrieden mit der Entscheidung, die ich vor Jahren traf, ein den Umständen entsprechend zurückgezogenes Leben zu führen.

Diese Narren lassen sich wieder belabern, ereifern sich geifernd dem Vorgeplänkel zur Wahl, als ob noch was zu ändern, geschweige denn ein vom Himmel gesandter Retter naht, der der Menschheit die Erlösung offenbaren könnte. Die Menschheit hat sich selbst erlöst. Erst primitivstens entblößt, und jetzt geht sie in Auflösung über, bevor die Endlösung verordnet wird.

Diese Einzelindividuen, ein Ei dem andern gleich, in Käfighaltung gezogen, gerupft, vermarktet und verbraten. Verzogene austauschbare und willenlos an den Drahtseilen ihrer auch noch überzeugten Lebenseinstellung der Verdrängung des Wesentlichen dahingerotzt im aufgeknüpften Scheindasein dahinbaumelnd.

Ach ja, erinnerst du dich noch? Vor einem Jahr, nachmittags, bei Gebäck, Törtchen und Kaffee, nach der "Wunschbox" im TV, als die ersten "Werbeeinblendungen" aus New-York in die Wohnstuben flimmerten? Die vollgefressenen Ex-Wirtschaftswunderkindertanten beim Kränzchen ohne Anstand, Sitte und Moral? Da blieben Tante Frieda die Krümel im Hals stecken, Onkel Erwin kam herbeigeeilt, herbeigehumpelt, denn ein Bein verlor er ja im Krieg, und schlug mit seiner rechten Hand der immer treu ergebenen Gattin den verschluckten Donat aus der Kehle. Da gafften sie und staunten, bevor eine der mit anwesenden Damen bemerkte, "die Werbung kenn ich ja noch gar nicht." Und TüranTür-Nachbarin Else fiel ins Wort mit der Bemerkung "ist die neue Werbung für den Deo-Roller-wie heißt er noch gleich, den im Doppelpack-jetzt bei Schlecker im Angebot-soll brennen unterm Arm vermeiden."

"Ne, dat is in echt-guck ma, jetz schmeißense Puppen ausem Fenster, hat nischt mit Deo-Roller zutun-eher wat mit Alles muss raus. Dabei is der Sommerschlussverkauf längs vorbei - versteh nich wat dat soll!"

"Erwin? Is noch Kaffe da-is richtig spannend jetzt, und bring dat Fläschchen Eierlikör mit-verstehste?" "Erwin-komm sag doch auch ma watt hier vorsichgeht."
"Achherrje, jetzt krachts aber gewaltisch!" "Erwin-mach hinne!"

Und der demütig gewordene, geschunden sein ganzen Leben lang, kam aus der Küche, mit dem Eierlikör und der Pulle Bier am Hals, und sagte Henkel-Trocken:"Dat is die Werbung für die, die keinen mehr hochkriegn-Ho-Ho!" "Aber dat passiert mir net-gell Frieda."

Und dann lachten sie im Takt, und dann wurde geschwoft, und dann wurde der Fernseher ausgemacht, und dann wurde weiter gesoffen und gemampft und die Lieblingsplatte von Tante Frieda aufgelegt: Roy Blacks "Ganz in Weiß." Und alle waren sie zufrieden. Und alle schunkelten sie. Und Erwin dachte sich insgeheim (denn ganz so verblödet wie er vorgibt war und is er ja doch nicht): "endlich habse se se erwischt-die Amis-endlich."

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Geschmacklos? Ganz und gar nicht! Nur abgrundtief ehrlich-so ehrlich wie "Ground-Zero"

Es grüßt

Jörg,

der einfach nicht anders konnte. Heute, ein Jahr danach, nachdem sich die Welt für immer veränderte. (würg)

Und abschließend, ganz aktuell die letzte Meldung im VT bei N-TV: "US-Vertretungen erhielten laut Polizei Briefe mit weißem Pulver."

Bush scheint wieder rückfällig geworden zu sein-die alte Koks-Nase. Erst letzte Woche verhaftete man eine Nichte Bushs wegen Missbrauch der weißen Substanz. Liegt wohl in der Familie-scheiß drauf!


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