Ein Jahr Weltkrieg - lt. Netzeitung.de
Geschrieben von ahlfi am 11. September 2002 12:05:19:
Ich fand die Schlagzeile heftig, daher wollte ich sie posten. Den Inhalt sehe ich zweitrangig, da schon hundert mal berichtet, gepostet usw.
Ein Jahr Weltkrieg
11. Sep 11:03
Gefangene in Guantanamo
Foto: AP
Am 11. September 2001 hat ein neuer Weltkrieg begonnen. Ob tödliche Ordnung oder Freiheit siegt, ist keineswegs sicher. Kommentar.Von Joachim Widmann
George W. Bush hatte in einer seiner ersten Reaktionen auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 Recht: Auf einer anderen Ebene als der physischen richteten sie sich gegen das Prinzip Freiheit, also gegen das Leben selbst. Dass die 19 Mörder in ihren als Geschosse missbrauchten Verkehrsflugzeugen Chaos und Unordnung repräsentierten, ist allerdings ebenso falsch wie die Annahme, dass nur die Freiheit der westlichen Welt oder gar lediglich jene der USA angegriffen wurde. Es ist ein Vielfronten-Weltkrieg der Ordnung gegen die Freiheit, der am 11. September 2001 in seine heiße Phase trat.Der Tag des Gedenkens, der den Toten gewidmet ist, bietet wenig Gelegenheit zu derlei Betrachtungen. Jeder Überlebende - und das sind nach den traumatischen Bildern nicht nur diejenigen, deren wundersamer Rettung aus den brennenden Türmen heute unter Tränen ebenfalls gedacht wird -, jeder spürt die Erschütterungen der Einschläge in die Türme noch immer als emotionale Gleichgewichtsstörung. Eine angemessene Antwort kann das Gleichgewicht wiederherstellen: «Auge um Auge» ist menschlich, der Krieg gegen Terrorzentralen in Afghanistan war wohlvorbereitet und richtig. Die zivilen Opfer, die es dort gab, gingen auf das Konto derer, deren tödliches Ordnungsprinzip in den Terroranschlägen körperliche Gestalt annahm.
Die Ordnung, die die Terroristen repräsentieren, ist die Trennung der Menschheit in Gottbegnadete und Gottlose. Gottes Gnade rechtfertigt ihnen jedes Mittel. Der «heilige Krieg» dieser Menschen richtet sich in seinem Beharren auf dem Verbot jeder natürlichen menschlichen Regung, wie unter dem Regime der Taliban in Afghanistan, gegen das Leben selbst. Leben heißt Freiheit, die auch die Freiheit einschließt zum Laster, zur Freude, zur Ausschweifung, zur Lebenslust, zum Widerspruch. Diese Freiheit ist ein universelles Menschenrecht. Jenseits der Freiheit herrscht Erstarrung: Ordnung als Erstarrung ist das tödliche Prinzip.
Das tödliche Ordnungsprinzip bedroht die Sphäre der Freiheiten aber auch von innen. Überall in der westlichen Welt dringen die Mechanismen der Terrorprävention in die vordem geschützte Privatsphäre ein, werden Rechtsschutz, Bürgerrechte, Verfassungsnormen und das Prinzip der Gewaltenteilung aufgeweicht oder durch mehr und mehr ordnungshüterische Maßnahmen in Frage gestellt.
Das blinde Umsichschlagen in einer Notwehrsituation ist eine normale Reaktion. Antrieb dessen ist in erster Linie Angst um das nackte Leben. Doch wer sich nicht in einem lebensfeindlichen Dualismus verstricken will, der strukturell jenem der Terroristen entspräche, muss sich davor hüten, die Welt in Kombattanten und (potenzielle) Feinde einzuteilen. Von da zu einem «heiligen Krieg», in dem der Zweck jedes Mittel heiligt, ist der Weg nicht weit. Im Gegensatz zum Krieg der Terroristen wäre dieser «heilige Krieg» der «Freiheit» für die Freiheit paradox, weil auch er sich gegen die Freiheit selbst richtet - das Prinzip Freiheit in seiner universellen Gültigkeit.
Es ist daher bitter, dass die Welt auf eine Einteilung in «Freund» und «Feind» steuert, die weit weniger als der Kalte Krieg rational nachvollziehbar ist. Die Stabilität des kalten Kriegszustandes der Nachkriegsordnung gründete auf einem Gleichgewicht des Schreckens, auf einer Vernunftsordnung, die niemand stören mochte. Der neue Weltkrieg kennt dies Prinzip der Waffengleichheit so wenig wie die Aussicht auf eine politische Lösung. Und die Front ist keine klare, keine geografische Linie. Sie mäandert durch alle Gesellschaften, und Angst und Eigenschutz drohen auf unserer Seite der Frontlinie der entscheidende Antrieb allen Handelns zu werden.
Soll das Prinzip Freiheit sich gegen die tödliche Ordnung behaupten, muss die Angst überwunden werden. Terrorprävention und Strafverfolgung um jeden Preis dürfen nicht Leitgedanke der selbstproklamierten «freien Welt» werden, sondern müssen deren kontrollierbares, durch Bürgerrechte eingeschränktes Mittel zum Schutz der Freiheit bleiben. Unsicherheit gehört zum Leben selbst. Nur wenn das nihilistische Prinzip der mörderischen Selbsttötung zum Erreichen eigener Ziele im Wort- wie im übertragenen Sinn nicht die Seiten wechselt, kann die Freiheit, kann das Leben diesen Krieg gewinnen. Wie lange er noch dauert, ist nach einem Jahr nicht abzusehen.
- Re: Ein Jahr Weltkrieg - von wegen... Torsten 11.9.2002 15:21 (0)
- NEWS: USA verlegen HQ nach Katar franz_liszt 11.9.2002 13:22 (1)
- Vielleicht ist es nun soweit.... The Saint 11.9.2002 15:33 (0)