Irak-Krieg: Kanada macht nicht mit

Geschrieben von CalMaN am 29. August 2002 12:11:17:


Irak-Krieg: Kanada macht nicht mit
(Fox-TV, New York Times, EIR)
In den Tagen vor US-Präsident Bushs Konferenz mit seinen militärischen und strategischen Beratern am 21. August in Crawford (Texas), erreichten die Auseinandersetzungen im politischen Establishment der USA einen Höhepunkt. Die ohnehin schon erhitzte Atmosphäre in den USA wurde noch weiter angeheizt durch das Ausscheiden des traditionellen Bürdnispartners Kanada aus der Kriegsfront. Am 20. August erklärte der kanadische Verteidigungsminister McCallum, seiner Regierung lägen keine Informationen vor, die einen Krieg rechtfertigen würden: "Aufgrund der Informationen, die wir jetzt haben, sagt jeder in dieser Regierung, es sei unwahrscheinlich, daß wir bei einem Angriff gegen den Irak mitmachen würden." Auch Kanadas Außenminister Graham äußerte sich ähnlich.

Nach der außerordentlich scharfen Kritik an der Kampagne für den Irakkrieg von Brent Scocroft, war das wohl ungewöhnlichste Ereignis des Fraktionskampfes in den USA das Interview des ehem. Außenministers Lawrence Eagleburger im Fernsehsender Fox am 18. August, da Eagleburger zu den engsten Kreisen um Bush senior und Kissinger gehört. Eagleburger griff direkt die "Kriegspartei" in der heutigen US-Administration an, die einen Krieg gegen den Irak als schnelle und einfache Sache hinstellt. Er sagte: "Ich bin zu Tode erschrocken, daß die Perles und Wolfowitze dieser Welt behaupten, das wäre für uns nicht mehr als ein Spaziergang." Perle, der sich selbst den Spitznamen "Fürst der Finsternis" gab, leitet bekanntermaßen das einflußreiche Beratergremium des Pentagon, den Verteidigungspolitischen Beirat (DPB), und Wolfowitz ist Stellvertreter von Verteidigungsminister Rumsfeld.

Eagleburger warnte, für einen Feldzug gegen den Irak brauche man "mindestens mehrere hunderttausend Soldaten, um sicher zu sein, daß wir es richtig machen." Er betonte, daß er Perle und Wolfowitz nicht etwa für "naiv" halte, sondern für unaufrichtig... Ich bin zu Tode erschrocken, daß sie dabei sind, den Präsidenten davon zu überzeugen, er könne Saddam mal so eben stürzen, und dann finden wir uns mitten im Morast wieder, weil wir die Sache nicht richtig geplant haben." Weiterhin stellte sich Eagleburger hinter die Einschätzung des früheren Sicherheitsberaters von Präsident Bush senior, Scowcroft, der jetzt den Beirat des Präsidenten für die Auslandsaufklärung (PFIAB) leitet, ein Krieg gegen den Irak werde den von Bush junior gewünschten "Krieg gegen den Terrorismus" unterhöhlen. Von Fox TV darauf angesprochen, antwortete Eagleburger, er glaube nicht, daß der Vater des jetzigen Präsidenten hinter Scowcrofts Warnungen vor einem Irak-Krieg gesteckt habe. Aber es spricht doch sehr vieles dafür, daß Bush senior seinen inneren Kreis von Beratern und Mitarbeitern mobilisiert hat, um den Vorstoß für den Krieg - oder wenigstens für einen Krieg in der jetzt geplanten Form - aufzuhalten, zumal am 25. August sein ehem. Außenminister, James Baker III, in einem Kommentar in der New York Times Bush junior vor einem kriegerischen Alleingang zum jetzigen Zeitpunkt warnte.

Diese Entwicklung hat die "Kriegspartei" in Washington zur Weißglut getrieben, wie u.a. an den Erklärungen von Podhoretz abzulesen war. Innerhalb der Administration hat die Kriegsfraktion Verteidigungsminister Rumsfeld auf ihrer Seite - auch wenn dieser sich öffentlich z.B. von den antisaudischen Ausfällen distanzieren mußte. In einer Rede am 20. August forderte Rumsfeld einen baldigen Beginn des Krieges gegen den Irak: "Wenn man wartet, bis man in der Art von Pearl Harbor angegriffen wird und viele tausend Menschen getötet werden, dann führt das dazu, daß viel tausend Menschen getötet werden. Wenn man wartet, bis jemand angreift, der Massenvernichtungswaffen entwickelt und eingesetzt hat, und man nicht nur das Leben von Tausenden, sondern potentiell von Zehntausenden oder Hunderttausenden riskiert, ist das noch etwas ganz anderes." Auf die kritischen Stimmen antwortete Rumsfeld, ohne Saddam Hussein beim Namen zu nennen: "Die Leute, die Einwände haben, müssen sich fragen, wie sie sich zu dem späten Zeitpunkt fühlen werden, wo man überhaupt noch eingreifen kann - und zwar nicht mehr auf konventionelle Weise, sondern nur noch auf nichtkonventionelle. Dann müssen sie sich fragen: ,War es richtig, mehr Beweise zu wollen, oder mehr Zeit, oder noch eine UN-Resolution?'"

Kriegsbegeisterung zeigte am 22. August auch der Sprecher der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus DeLay. In einer Rede vor dem Houston Forum in Texas erklärte DeLay, die USA seien eine "Super-Duper-Macht", und verkündete: "Ich bin heute hier, um für den Krieg gegen den Irak zu sprechen. Saddam muß weg, und je eher, desto besser." Delay verurteilte die "Impertinenz" jener Vertreter der US-Regierung, die vor einem solchen Krieg zurückschrecken, und ereiferte sich: "Das US-Außenministerium täte gut daran, sich daran zu erinnern, daß es dem Präsidenten der USA verantwortlich ist und nicht der EU." DeLay ist einer der Lieblinge der neokonservativen, "christlichen" Fundamentalisten und der rechtsextremen Unterstützer Scharons in den USA.

In dieser Situation besteht natürlich die akute Gefahr, daß die Kriegstreiber versuchen, "etwas Drastisches" zu tun, wie der von EIR herausgegebene Nachrichtenbrief Strategic Alert diese Woche meldet. Am 23.8. hatte ein Londoner Insider, der über sehr gute Verbindungen vefügt, gewrnt, daß die "Putschisten" hinter dem Angriff des 11.9. wieder "etwas Drastisches" erfinden und neue schreckliche Terroranschläge o.ä. inszenieren könnten, weil sie sehen, daß der politisch-diplomatische Vorstoß für einen Irak-Krieg ernstlich bekämpft werde. Ein solcher Terrorismus könnte als Vorwand dienen, um den Widerstand gegen den Krieg im Establishment und in der breiten Bevölkerung zu unterdrücken. Wörtlich erklärte der Londoner Experte: "Die Leute, die diesen Irak-Krieg wollen, könnten in den kommenden Tagen durchaus etwas Drastisches tun, um die Dynamik zurückzugewinnen... Es ist sicherlich gut, daß es alle diese Einwände gegen den Irak-Krieg gibt. Aber wir sollten nicht die Tatsache aus den Augen verlieren, daß es einflußreiche Leute in Washington gibt, die im letzten Jahr den 11. September organisiert haben. Sie haben ihren Plan A, der jetzt in Schwierigkeiten gerät. Aber sie haben auch ihren Plan B, Plan C, Plan D. Der Experte schloß, diese Kräfte "haben vielleicht bis vor kurzem gedacht, daß ihr am 11.9. begonnener Putsch sehr gut läuft. Aber plötzlich müssen sie das in Frage stellen. Und ich glaube, sie sind verzweifelt und zu sehr vielem fähig."

"Blair verliert Schlacht um Irak-Krieg"
(Strategic Alert, BBC, Guardian)
Großbritanniens Premierminister Blair ist inzwischen mit seiner Unterstützung eines von den USA angeführten Irak-Kriegs politisch isoliert. Am 22. August erklärte ein führender britischer Militärexperte gegenüber Strategic Alert: "In der Irakfrage beherrscht jetzt die Opposition gegen Tony Blair das politische Feld in England. Blair verliert diese politische Schlacht. Das Ausmaß des Widerstandes gegen den Krieg nahm in den letzten drei Wochen stark zu. Der entscheidende Wendepunkt kam, als der frühere Chef des Verteidigungsstabes Lord Bramall in einem Brief an die Londoner Times seine Vorbehalte zum Ausdruck brachte. Das öffnete die Schleusentore."

Tatsächlich haben in den letzten Tagen mehrere sehr hochrangige Persönlichkeiten des britischen Establishments den Plan für einen neuen Irak-Krieg attackiert. So etwa Lord Wright, der während des Golfkriegs 1991 Ständiger Staatssekretär im Außenministerium (die höchste diplomatische Position des Landes) und früher Botschafter in Saudi-Arabien war. Wright am 21.8. in der BBC: "Ich glaube wirklich, daß die Minister diesen Fall sehr sorgfältig prüfen müssen. Die Implikationen eines Angriffs auf den Irak könnten absolut verheerend sein." Es gebe "im Parlament wie auch darüber hinaus die weitverbreitete Ansicht, daß ein Angriff auf den Irak ein Fehler wäre, der uns teuer zu stehen käme".

Ablehnung äußerte auch der führende Strategieexperte und gestandene proamerikanische Atlantiker Lord Chalfont. Bedeutsam ist weiter ein kritischer Kommentar im Guardian vom 20. August aus der Feder von Sir Timothy Garden, Gastprofessor am Zentrum für Verteidigungsstudien am Londoner King's College. Die Überschrift lautet "Wir dürfen diesen Krieg nicht den Politikern überlassen", der Untertitel "Die USA haben keine klare Vorstellung von einem Irak nach einem Konflikt". Obwohl der Artikel teilweise vorsichtig formuliert ist, ist er eine verheerende Kritik an der politischen Inkompetenz derjenigen, die den Krieg wollen und rechtfertigen.

Ein führender britischer Nahostexperte, der Garden gut kennt, bezeichnete gegenüber EIR den Artikel als "Signal" für die starke Opposition innerhalb des Verteidigungsministeriums, für die Garden spreche. Auch der andere wichtige Gastprofessor am Zentrum für Verteidigungsstudien neben Garden, der frühere hochrangige Beamte des Verteidigungsministeriums Sir Michael Quinlan, hatte kürzlich in der Financial Times die Kriegspläne massiv angegriffen. Der Experte sagte weiter: "Mit Volldampf wächst in Großbritannien der Druck, von diesen Kriegsplänen wegzukommen. In unseren früheren Diskussionen war ich noch überzeugt, England werde letzten Endes mitmachen, wenn es soweit ist. Aber angesichts der jüngsten Entwicklungen habe ich meine Ansicht geändert. Blair steht nicht mehr innerhalb, sondern außerhalb des Konsenses... Es bilden sich viele sehr schlechte Beziehungen zwischen Großbritannien und dieser amerikanischen Regierung. Und wir sind erst in der Frühphase: die Opposition gegen diesem Krieg wird im nächsten Monat ihren Höhepunkt erreichen."




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