"Die Kunst des Sterbens"
Geschrieben von Niko am 02. Mai 2001 17:14:40:
"Im Hinblick auf die Kunst des Lebens ist der Mensch einfallslos; aber in der Kunst des Sterbens übertrifft er die Natur selbst und bringt durch Chemie und Technik Seuchen, Pest und Hungersnot hervor."
George Bernard Shaw (1856-1950)"Zu den außergewöhnlichen Dingen bei Ereignissen, die von Menschen verursacht werden, gehört es, daß das Undenkbare denkbar wird."
Salman Rushdie (geb. 1948)
Zahlen, Zahlen, Zahlen...
(Aus dem Buch "Unser ausgebrannter Planet", Thom Hartmann)...
Heute sind 90 Prozent der Toten in allen Kriegen Zivilisten. Seit dem Zweiten Weltkrieg sind über zwanzig Millionen Menschen in Kriegen getötet worden, und von den 82 Kriegen, die seitdem stattgefunden haben, waren 79 Bürgerkriege. Und bei den meisten dieser Kriege ging es um die Kontrolle von Ressourcen wie Waldland, Ackerland, Öl, Kohle und Mineralien.
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Bei einem Weltkongreß der Zentralbanken in Hongkong am 25. September 199 7 hob Weltbankpräsident James D. Wolfensohn hervor, daß über drei Milliarden Menschen - mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung und das Dreifache der gesamten Menschheit, die im Jahre 1800 auf diesem Planeten lebte - heute von weniger als zwei Dollar pro Tag existieren müssen. »Wir sitzen auf einer Zeitbombe, und wenn wir jetzt nicht handeln, könnte sie mitten ins Gesicht unserer Kinder explodieren«, erklärte Wolfensohn. Ungefähr zur gleichen Zeit veröffentlichte das Population Institute in Washington einen Bericht, der dokumentiert, daß 82 Nationen (mehr als die Hälfte aller Länder dieser Welt) nun das kritische Stadium erreicht haben, wo sie nicht mehr genügend Nahrungsmittel anbauen können und auch nicht über das für entsprechende Importe notwendige Geld verfügen, um ihre Bevölkerung ausreichend zu ernähren.
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Im Jahre 1989 haben die reichsten 20 Prozent der Weltbevölkerung über 82 Prozent des Reichtums der Welt kontrolliert, wogegen das ärmste Fünftel der Weltbevölkerung sich mit 1, 4 Prozent des weltweiten Reichtums begnügen mußte. Das ist ein Verhältnis von sechzig zu eins. Ein ähnliches Ungleichgewicht (ungefähr vierzig zu eins) trat kurz vor der Weltwirtschaftskrise von 1929 auf, aber davon abgesehen gab es solche Extreme noch nie in einem überlebensfähigen »demokratischen« Wirtschaftssystem, oft genug jedoch in Demokratien, kurz bevor sie in Diktatur oder Anarchie abstürzten wie zahlreiche afrikanische Nationen, Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg und Frankreich vor der Revolution.
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Während wir für die erste Milliarde Menschen 200 000 Jahre benötigt hatten, reichten 130 Jahre für die zweite und ganze 30 Jahre für die dritte Milliarde. 1960 erreichte die Weltbevölkerung die Drei-Milliarden-Marke. Es dauerte nur noch 14 Jahre, von 1960 bis 1974, und wir hatten eine Weltbevölkerung von vier Milliarden erreicht. Nach weiteren 13 Jahren waren wir 1987 bei fünf Milliarden angelangt, und für die nächste Milliarde brauchen wir nur noch 12 Jahre: 1999 erreicht die Weltbevölkerung die Sechs-Milliarden-Marke. Bei einer unveränderten Wachstumsrate würden wir 2030 schon zehn Milliarden erreichen, 2070 wären es zwanzig Milliarden und 2150 volle achtzig Milliarden. Doch niemand erwartet, daß die Wachstumsrate so bleibt. Es gibt einfach nicht genug Nahrung für so viele Menschen. Ob das Ende durch Hungersnöte, Krankheitsepidemien, Naturkatastrophen oder »gute Wissenschaft« (wie beispielsweise eine weltweite Geburtenkontrolle) kommt, darüber wird noch heftig diskutiert. Unbestritten ist jedoch, daß wir uns nicht mit der gegenwärtigen Wachstumsrate weiter vermehren können.
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Die von der Weltbank und den Vereinten Nationen gegründete Consultative Group on International Agricultural Research berichtete 1996, daß jede Minute 29 Hektar Regenwald zerstört werden, überwiegend von notleidenden Menschen, die den Wald roden und abbrennen, um Ackerland oder Viehweiden für Rinder zu gewinnen, deren Fleisch dann in die Vereinigten Staaten exportiert wird.
Dieser Verlust von 15 Millionen Hektar Regenwald pro Jahr wird, wenn er unvermindert anhält, noch zu Lebzeiten unserer Kinder die gesamten Regenwälder der Welt zerstören. Das Ende ist buchstäblich absehbar.
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Stündlich werden 600 Hektar Land weltweit zur Wüste, hauptsächlich durch die Zerstörung der Wälder. Der gesamte Bestand an Regenwäldern auf diesem Planeten entspricht in etwa noch dem kontinentalen Teil der Vereinigten Staaten, und jedes Jahr wird davon ein Gebiet so groß wie Florida abgeholzt und für immer zerstört.
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Durch die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle pumpen wir jedes Jahr mehr als sechs Milliarden Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid in die dünne Schicht unserer Erdatmosphäre - so viel, daß sich allein in den letzten zwanzig Jahren die Kohlendioxidkonzentration von 315 ppm, auf 360 ppm erhöht hat. Nach weiteren zwei Jahrzehnten wird sie voraussichtlich über 500 ppm liegen und damit zu einer dramatischen Erwärmung unseres Planeten führen.
Schon jetzt scheint die Temperaturerhöhung überall auf dem Planeten zu gewaltigen Wetterextremen zu führen, denn Hitze ist Energie, und ein Anstieg der Hitze in der Atmosphäre bedeutet eine erhöhte Energie in der Atmosphäre. Diese erhöhte Energie führt dazu, daß das Wetter weltweit weniger stabil ist und zu heftigeren Extremen neigt.
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Die Vereinten Nationen haben einen Kongreß veranstaltet, bei dem 2500 führende Wissenschaftler aus aller Welt zusammenkamen, die sich in den Bereichen Meteorologie, Ökologie, Geologie und anderen Geowissenschaften jahrelang mit diesen Fragen beschäftigt hatten. Dieser Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der UN kam zu dem Schluß, daß wir aufgrund der globalen Erwärmung durch die Erhöhung der Treibhausgase in der Atmosphäre in der Tat einer Krise von möglicherweise biblischen Ausmaßen entgegensehen.
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Weil es auf diesem Planeten inzwischen über fünf Milliarden Menschen gibt, verlieren wir jährlich zwischen 17 000 und 100 000 Arten (je nachdem, von welchen Statistiken man ausgeht): ein weltweiter Schwund von pflanzlichem und tierischem Leben, den es in dieser Größenordnung nur fünfmal in den letzten fünf Milliarden Jahren gegeben hat (zuletzt beim Untergang der Dinosaurier).
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Und selbst wenn die Natur uns nicht töten sollte, dann werden wir es wahrscheinlich selber tun. Der Verbrauch an Pestiziden ist in den USA seit dem Zweiten Weltkrieg um über dreitausend Prozent gestiegen, doch das hat keineswegs zu geringeren Ernteverlusten durch Insektenfraß geführt. Im Gegenteil: Heute haben wir 20 Prozent mehr Fraßschäden, aber wegen der zunehmenden Pestizidresistenzen bei Insekten und bedingt durch die stark technisierten Formen der Landwirtschaft hat die Pestizidindustrie viele Bauern von ihren Produkten ökonomisch abhängig gemacht. Harmlose Arten verschwinden tatsächlich von unserem Planeten, aber keine einzige Schädlingsart ist vernichtet worden. ... 99 % der Muttermilch amerikanischer Frauen enthält heute nachweisbare Mengen an DDT.
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Wenn wir bedenken, daß es ohne Mutterboden keine Ernte gibt, sollten wir eigentlich sehr besorgt sein über den Verlust der Mutterboden hervorbringenden Bäume und den Verlust des gegenwärtigen Mutterbodens. Doch statt dessen sehen die Regierungen und die Agrarunternehmen, die den größten Teil der landwirtschaftlichen Erträge in Amerika produzieren, einfach weg, wenn weltweit jede Minute über 300 Tonnen Mutterboden verlorengehen.
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In den letzten vierundzwanzig Stunden sind auf unserem Planeten 80 000 Hektar Regenwald zerstört worden. Volle 13 Millionen Tonnen giftiger Chemikalien wurden in unsere Umwelt entlassen. Mehr als 45 000 Menschen sind verhungert, davon 38 000 Kinder. Und mehr als 130 Pflanzen- oder Tierarten sind durch menschliches Handeln ausgelöscht worden. (Ein Artensterben von diesen Ausmaßen fand zuletzt beim Untergang der Dinosaurier statt.) Und all dies geschah in nur vierundzwanzig Stunden.
..."Eine Nation, die ihren Boden zerstört, zerstört sich selbst."
Franklin D.Roosevelt (1882-1945)