Re: Nachtrag, eine Analyse
Geschrieben von H.Joerg H. am 14. August 2002 23:31:55:
Als Antwort auf: Schon 30.000 Menschen... geschrieben von H.Joerg H. am 14. August 2002 15:36:43:
N´abend!
Hier noch ein paar Parolen auf der angesprochen Seite, deren Wortlaut bei den Demonstrationen in Leipzig auf Transparenten erscheinen, oder als Losungen gelten sollen, eigenanalysiert;-)
-Die Politik drückt uns an die Wand - uns den deutschen Mittelstand!
Anm.: Solidarischer Text, gerade der 2.Teil. Eine "verschworene Gemeinschaft" soll hier geschaffen werden, die notfalls geschlossen und bereit zum Kampfe gegen das herrschende System gerichtet agieren könnte.
Der 1.Teil zeigt ein Aufwachen aus der Ohnmacht, nachdem man lange genug malträtiert vom System mit dem Rücken zur Wand gedrängt erkennt, daß diese Wand auch jederzeit über einem zusammenbrechen könnte. Angst wird hier geschürt, kann Aggressionen hervorrufen!-------
-Wir sichern 80% der Arbeitsplätze in Deutschland - und die Politik!
Anm.: Der Politiker wird als Versager transparent gemacht. Er dient zum Gespött und Hohn der Massen, es "nicht auf die Reihe zu kriegen". Man zeigt Verantwortung für das eigene handeln, indem zum Ausdruck kommt, daß 80% eine Menge Potential mitbringen, die es zu mobilisieren gilt, um Deutschlannd wieder "auf Vordermann zu bringen."
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-Nicht den Rechsstaat - unser gutes Recht wollen wir haben!
Anm.: Sehr bedenklich, geradezu anarchistische Töne werden hier extrem deutlich. Ein regelrechter Aufruf das System zu stürzen! Mit allen Konsequenzen! Man sieht förmlich die gehobenen Fäuste des im abgetrackenen Sacko wild gestikulierenden Mannes, der seit der Wende von einer Maßnahme zur nächsten Pleite schlitterte. Der durchs Hochwasser obdachlos geworden ist, und nun, in Richtung Bühne, auf der eine Politgröße ihre Phrasen drischt, seine Fäuste ballt. Fäuste, die er im nächsten Augenblick mit einem spitzen Metallstück eines Absperrgitters bewaffnet - wobei er sich die symbolisch geltende rechte Hand blutig gerissen hat - mit hasserfüllten Augen und Kehle wie in Munchs "Der Schrei" aufgerissen, steht er da. Und im nächsten Augenblick stürmt er über das löchrige Gitter der Absperrung, wird brutal von mehreren uniformierten Ordnern zu Boden gerissen. Plötzlich fällt ein Schuss. Der Fremde, der eigens zu dieser Montagsdemonstration auf dem Fahrrad (alles was ihm noch blieb) nach Leipzig radelte, um seinem Unmut Gehör zu verschaffen; dieser 48-jährige mit grauem Bart, wurde zum 1. Märtyrer für Gesamtdeutschland, in einer gemeinsamen Sache, das Deutschland entscheidend verändern sollte.
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-Weg mit der Raubritterbürokratie!
Anm.: Einprägsamer Slogan den jeder gleich versteht wenn er an seine Geldbörse greift, und feststellen muss, welch hohe Steuern, Abgaben, Gebühren usw., nicht immer zum Segen des Einzelnen, erhoben werden, um gleichzeitig klarzumachen, das "der Beamtenapparat weg muss!"
Man assoziiert damit zudem "einen Sturm auf die Rathäuser", aus geöffneten oder zerbrochenen Fenstern fliegen ganze Berge voll mit Akten, weißen Blättern und Mobiliar. Einzelne Feuerchen flammen auf, die BW greift ein. Na ja, kennen wir ja alles.-------
-Deutschland - kein Wintermärchen, sondern ein Trauerspiel!
Verhängnisvoller, doch kluger Spruch mit viel Esprit zu vergangenen Zeiten. Geradezu eine duftende Melancholie, den Ehren Heines zart streifend, versinkt und verschmilzt Deutschland im Trauermarsch der Pein vergangener und verlorener Schlachten mehrerer Kriege. Viel Wehklage und Leid spricht aus der Zeile, gar mit Antisemitismus spielend (Heine!), was die Situation, ein solches Plakat erblickend, eine Gänsehaut zu provozieren möglich macht.
Auch ganz schlimm: Dieses "Deutschland!". Man hört tausende dumpfer Stimmen lauthals "Deutschland" brüllen! Kein schöner Gedanke, keine ausgebildetenen Chorstimmen christlicher Güte erkennnend. Und die Stiefel hört man auch schon, und die Schritte hallen auf dem Asphalt.
Mit "Trauerspiel" wird ebenfalls verhängnisvoll mit der linken RAF, und im Besonderen an die Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten H.M.Schleyer 1977 - im "Heißen Herbst" - erinnert (erinnert sei hier an den 2-teiligen Fernsehfilm zum Thema). Rechte und linke Krawalle sind vorprogrammiert. Auch als "Freibrief" zum Morden an Politgrößen zu verstehen! Sehr gefährlich!-------
-Jetzt reichts! Keins unserer Kinder für Bushs Trauerspiel!
Anm.: Oh Weh! Jetzt wird es ganz gefährlich! In erster Linie eine klare Absage, und zugleich Kampfansage an Bush und seinen Größenwahn. Der Spruch bewirke mehr, würde statt "keins unserer Kinder", "kein deutsches Kind für..." drauf stehen.
Indirekt hat man Angst um das weitere "Ausbluten" der Deutschen, und sogleich fällt die Frage, "wer bezahlt in die Rentenkasse ein!?"
Eine ganz klare Anti-USA-Stimmung soll hier zum Ausdruck gebracht werden. Verhängnisvoll!-------
-Verlust von Arbeitsplatz, Wohnung, Sprache, Heimat, Betrieben - was noch???
Hat es einer gemerkt? Da schummelt sich ganz unverhohlen "Sprache" ein. Es wird sich wohl um die deutsche Sprache handeln müssen, ansonsten hätte man von vorne herein eine andere Sprache gewählt. Sehr listig und gewitzt, dieser nicht wirklich versteckte Hinweis auf die Tradition der deutschen Sprache. Geradezu eine ernste Bedrohung in Richtung Großbritanien und USA ="Verdenglischung", auch und gerade im politischen!
Das "Was noch" ist provozierend. "Was noch" steht für "schießt mich tot!". Ganz einfach und ohne Kompromisse. "Schießt mich tot", steht für einen, der weiß alles verloren zu haben, und er hat außer seinem Tod nichts mehr zu verlieren. Sehr tragisch diese Devise, einer machts vor, und alle stürzen sie mit ins Verderben. Es geht um den klassischen Heldentod - um sonst nichts!
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-Politiker:Verfressen ohne gleichen! das Volk soll dafür weichen? WIR SIND DAS VOLK!
Anm.: Der Politiker wird bei diesem abschließend vorgetragenen Leitspruch als "verfresen" benannt. Man darf davon ausgehen, das "ein voller Sack besser steht" (hier:"Der" Politiker) als "ein leerer, der in sich zusammen fällt (dort: Das Volk).
Durch die schweren Ernteausfälle bedingt, müssen Waren wie Obst, Brot und Gemüse importiert, und teuer bezahlt werden. Die Folge: Hunger, Krankheiten wie Seuchen, Grippe usw. breiten sich aus. Das Volk soll dafür "weichen". "Die Weichen stellen", notfalls in den Abgrund ohne Wiederkehr. Denn wer ausgelaugt kränkelnd dahinvegetiert, schafft es nicht mehr rechtzeitig, die "Weichen" zu stellen. Oder vom Zug abzuspringen, ohne im Graben zu landen, welcher mit der Zeit überwuchert, und einen vergessen macht!
Hier wird auch auf die Schokoladen-Tafeln eines bestimmten Monopolisten der Nahrungsmittel-Industrie hingewiesen: "Ohne Gleichen", mit Schokoladen - und mit Keks-Seite. Dort der "harte Keks", der einem auf den selbigen geht (Politiker), dort die "weiche und schmelzende" Schoko-Masse (=Volksmassen), die sich gesellschaftlich im Aus fühlen müssen, und von Seiten der Politik nicht mehr eingeordnet werden können, weil das Volk "zerfliest", in alle Richtungen des fatalen!
Eine plazierte Werbung also, wenn auch mit viel Hintersinn, den es gilt zu entdecken, und der einen zu Süßigkeiten verleiten soll. (Was wiederum die Krankenkassen überlastet, wegen Inanspruchnahme durch Zahnschmerzen, Diabetis und sonstiger Folgekrankheiten und somit weiteren auflaufenden Kosten im Gesundheitswesen=höhere Beiträge=usw...)"WIR SIND DAS VOLK" in Großbuchstaben durchgehend gehalten. "Noch schreien wir es nicht frei raus" soll dabei zum Ausdruck gebracht werden. Doch ein Funke genügt, um die Massen zum blindwütig mutierten Mob werden zu lassen.
Es geht manchmal schneller, als man Transparente und Parolen unter Volk mischen kann.
Gruß
Jörg