Re: Warum man Unruhen erst bemerkt, wenn es zu spät ist (LESEN!)

Geschrieben von Pez am 01. August 2002 20:59:11:

Als Antwort auf: Warum man Unruhen erst bemerkt, wenn es zu spät ist (LESEN!) geschrieben von SoL333 am 01. August 2002 20:23:23:

>Hallöchen mal wieder :-)
>Viele Menschen vertreten die Meinung, soziale Unruhen seien bereits lange im Vorfeld erkennbar oder würden sich erst über Wochen oder Monate ausweiten.
>Diesen Menschen möchte ich sagen: das ist leider ein absoluter Fehlschluß.
>Unzufriedenheit, das Gefühl eigener Machtlosigkeit, Wut, Zorn etc. alles, was dazu führt, daß Menschen versuchen, sich gewaltsam Gehör zu verschaffen (= Ausschreitungen, wenn dies bei vielen Menschen gleichzeitig passiert), finden zuerst in den Köpfen der betreffenden Menschen statt. Vollkommen still. Von außen kaum erkennbar.
>Natürlich, die Wütenden reden vielleicht unter Freunden über Ihre Unzufriedenheit oder versuchen sich anderweitig (z.B. durch wütende Briefe an Verantwortliche) Luft zu machen, aber im Großen und Ganzen versuchen sie eine zeitlang trotz allem, Ihrem normalen Leben nachzugehen. Aus Angst, vielleicht Repressionen zu erleben, ihren Job zu verlieren, an Ansehen und Geld einzubüßen etc.
>Der Ausbruch findet in aller Regel dann vollkommen plötzlich statt. Meist nach einem eigentlich nichtigen Anlaß, sprich: dem berühmten Tropfen, der das Faß zum überlaufen brachte.
>
>Ich selbst komme aus dem Ruhrgebiet, dem Ort, wonach einiger Prophezeiungen die Unruhen in Deutschland ihren Ausbruch erleben sollen und, wir erinnern uns: die untersten sozialen Schichten sollen ausflippen, nicht die ganz normalen Mittelschichts-Leute.
>Ich bin aufgewachsen zwischen zwei Stadtteilen in Dortmund, die absolute soziale Brennpunkte sind. Hohe Arbeitlosigkeit, wenig Bildung, kaum Wohlstand, hoher Ausländeranteil. Getthos. Neue-Heimat-PLattenbau-Siedlungen.
>Vor wenigen Jahren erst, randallierten und plünderten über 100 Jugendliche (für uns "normale" Menschen im Vorfeld in keinsterweise erahnbar) im kleinen Einkaufsviertel zu Sylvester. Dem gegenüber standen 4 oder 5 vollkommen überraschte und absolut machtlose Polizisten.
>Tage später traf ich dann einen alten Bekannten, mit dem ich aufgewachsen bin und der später in eines dieser Viertel zog, als ich noch recht jung war. Er bot mir stolz eine goldene Rolex an, die er dort in dem kleinen Juwelierladen erbeutet hatte.
>In den (gesamtdeutschen) Nachrichten kam darüber NICHTS.
>Ich habe in der ganzen Zeit sehr regelmäßigen Kontakt zu den untersten Schichten in unserer grauen Großstadt gehabt. Mich haben sie akzeptiert, weil ich sie immer als gleichwertige Menschen akzeptiert und respketiert habe.
>Als ich vor kurzem wieder einmal an einem dieser gefürchteten Plätze vorbeischaute (war vorher einige Zeit nicht mehr dort) waren jedoch alle weg. Niemand von dieser Sorte (Haschdealer, Punks, Fixer, Penner, Straßenkids etc.) war mehr dort, sie wurden von der Polizei vertrieben (wie ich später erfuhr). Großrazzia in ganz Dortmund. Sogar ich wurde im Zuge dieser Großaktion fast verhaftet.
>Diese Menschen leben in der Regel von Sozialhilfe und/oder Arbeitslosengeld und Profiten illegaler Geschäfte. Genau das (ersteres) soll Ihnen nun genommen werden und zwar von ALLEN Parteien (z.B. Hartz-Kommission der SPD/Grünen). Sie sollen zum Arbeiten "animiert" werden. Etwas, was diese Menschen nie und nimmer akzeptieren werden.
>Das Gefährliche ist, wie gesagt: sie sind nun alle verschwunden. Dies ist die erste Stufe eines allgemeinen Aufruhrs, denn soziale Unruhen funktionieren gewissermaßen nach dem "Flipper-Prinzip" (nicht der Delfin):
>Zunächst ist die Spielkugel in ihrem Lauf, für alle sichtbar vor der Abzugsfeder. Zieht man diese Feder zurück, dann VERSCHWINDET die Kugel für einen Moment aus dem Blickfeld, bis man die Feder losläßt. Zack: schon ist die Kugel im Spiel und prallt unkontrollierbar mal hierhin, mal dorthin....
>
>Um zu meinem Beispiel mit den Ausschreitungen zu Sylvester zurück zu kehren: die Basis für Ausschreitungen ist schon seit Jahren im Ruhrpott (!!!!) längts und im vollen Ausmaß vorhanden. Es fehlte bisher nur an einen passenden Auslöser, der alle auf einmal und gleichzeitig auf die Straße bringt.
>Dieser Auslöser wird nun schon seit Wochen aufgebaut und jeden Tag kommt ein weiteres Stückchen hinzu (Telekom-Affäre (Sommer zieht mit vollen Taschen ins sorgenlose Leben, während die Menschen, dessen Geld er verprasst hat, mit nichts dastehen), Bonusmeilen-Affäre etc. etc. etc. etc. etc. etc. Tag für Tag, siehe Nachrichten).
>Die Unruhen werden vollkommen plötzlich ausbrechen, für uns Großstädter vielleicht noch eher erkennbar als für Menschen, die relativ wohlbehütet in Kleinstädten oder auf dem Lande leben. Vorher finden sie vollkommen unsichtbar hinter der Stirn vieler vieler Leute statt. Das wichtigste: Man kann den Leuten nicht in die Köppe gucken.
>Müsste ich wetten, wann sie ausbrechen, dann würde ich mein Geld auf recht wenige Wochen in Deutschland setzen und wenige Tage auf Italien und Frankreich.
>Apropos Italien und Frankreich: gerade eben in den Nachrichten: just in diesem Moment demonstriert eine aufgebrachte Menge vor dem italienischen Parlament, weil Berlusconi wieder einmal ein Gesetz durchzubringen versucht, was vor allem IHM nützt. Auf Euronews: der Bauernführer in Frankreich (der damals McDonalds demmoliert hatte) kam heute aus dem Gefängnis frei und rief eine ihn feiernde Masse zur Revolte gegen die Laberköppe auf.........
>
>Liebe Grüße
>Euer Chrisi


Stimmt! Bin uneingeschränkt deiner Meinung.mfg.pez

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