Exkurs: Sultan-Galiewismus
Geschrieben von Swissman am 24. Juli 2002 22:26:05:
Als Antwort auf: Re: Die ETArras sind weniger das Problem geschrieben von another am 24. Juli 2002 11:57:11:
>War es früher noch mehr oder minder offen linker Terror, den man >unterstützte, so hat man dem nun ein islamisches Mäntelchen umgehängt. Wobei >das auch nichts wirklich Neues ist, vielmehr nur eine Schwerpunktverlagerung. >Man erinnere sich z.b. daran, dass Arafats PLO schon von Beginn an von den >Sowjets unterstützt wurde.
Man könnte sogar noch weiter zurückgehen: Bereits in den 20er Jahren vertrat Sultan Galijew, ein gebürtiger (moslemischer) Wolgatatare, den Plan, zur Beschleunigung der Weltrevolution den Islam, bzw. eine Art islamisch/kommunistischen Synkretismus, zu instrumentalisieren. Als ehemaliger Moslem hatte er nämlich erkannt, dass gerade die muslimische Welt gegenüber dem Kommunismus zumeist überaus resistent war. Andererseits war ihm aber auch nicht entgangen, dass man die Moslems in den europäischen Kolonialgebieten sehr wohl gegen die Kolonialmächte aufwiegeln konnte, wenn man sich als Freund des Islams ausgab...
Er entwickelte dazu eine auf die moslemischen Länder zugeschnittene Spielart des Kommunismus, den Sultan-Galiewismus. Dabei blieb er trotzdem linientreuer Kommunist: Den Sultan-Galiewismus gedachte er nur solange aufrechtzuerhalten, bis die moslemischen Länder dem Kommunismus unterworfen wären, anschliessend würde man den PR-Gag aufgeben, und den Marxismus-Leninismus einführen.
Galiew genoss Lenins Unterstützung und entfaltete während den 20er Jahren eine rege Aktivität. Insbesondere versuchte man schon damals, Studenten aus den Kolonien für den Kommunismus zu begeistern. Auf der Gästeliste einer von Galiew organisierten "antikolonialistischen Konferenz" in Baku trug sich auch ein gewisser Nguyen Ai Quoc, der damals in Paris studierte, ein - später sollte er es unter seinem Nom de Guerre, Ho Tschi Minh, zu grösserer Bekanntheit bringen...
Interessanterweise war die Sowjetunion der erste Staat weltweit, der in den frühen 20er Jahren das wahhabitische Königreich Saudi Arabien diplomatisch anerkannte. Ich denke, es ist durchaus zulässig, den Einfluss Galiews dahinter zu vermuten...
Nach Lenins Tod fiel Galies unter Stalin in Ungnade, der ihn schon bald nach seiner Machtübernahme als Abweichler erschiessen liess. Al Kaida und Osama Bin Laden legen jedoch den Schluss nahe, dass der Galiewismus mittlerweile eine Renaissance feiert...