Hintergründe Marokko-Spanien

Geschrieben von H.Joerg H. am 24. Juli 2002 16:21:34:

Tag ihr Vollmondgesichter;-)

Aus der "Nahe-Zeitung" von gestern:

"Petersilienkrieg" erst der Anfang

Streit zwischen Marokko und Spanien geht weiter - Jetzt die Kanaren?

Auf den ersten Blick wirkte der spanisch-marokkanische Streit um die winzige Insel Perejil wie viel Lärm um nichts. Doch dort, wo Afrika und Europa nur einen Steinwurf voneinander entfernt liegen, stoßen Welten aufeinander.

Trotz der Wiederaufnahme direkter Gespräche zwischen Spanien und Marokko über die umstrittene Mittelmeerinsel Perejil (Petersilie) bleiben die Differenzen zwischen den beiden Staaten groß. Der Kampf um die Insel bestand darin, dass Spanien U-Boote, Kriegsschiffe, Kampfhubschrauber und Jagdflugzeuge losschickte - und 28 spanische Soldaten am Ende sechs zeltende Marokkaner überwältigten. Eine wahrhaft absurd anmutende Aktion, weil das winzige Eiland strategisch absolut unbedeutend ist.

Für die Spanier ging es jedoch um sehr viel mehr. Nachdem Marokko schon seit Jahrzehnten jedes Jahr vor der Uno-Vollversammlung fordert, dass Spanien seine Enklaven Ceuta und Melilla endlich "entkolonialisieren" müsse, wäre ein Nachgeben in den Augen der Bevölkerung der erste Schritt gewesen, um die beiden Hafenstädte an der marokkanischen Nordküste zu verlieren. Deshalb hat Madrid eine wahre Armada aufgeboten, um das an sich völlig wertlose Eiland zurückzugewinnen.

Viele Spanier hegten gar die dramatische Befürchtung, das Ceuta und Melilla nur der Einstieg wären, um anschließend auch die Kanarischen Inseln zu verlieren, die ja nur wenige Kilometer von der marokkanischen Westküste entfernt sind.
Tatsächlich hat Rabbat die angeblich "afrikanische Insel-Kette" schon häufig aufs Korn genommen. Das letzte Mal stellte es vor gut einem Jahr die Seegrenzen in Frage und protestierte gegen Ölbohrungen des spanischen Repsol-Konzers in den Gewässern vor Fuerteventura.

Für Spanien war die jüngste Aktion eindeutig "legitime Selbstverteidigung". Für Marokko entspricht sie dagegen "einer Kriegserklärung". Rabbat verzichtete jedoch auf eine militärische Antwort und strebt nun eine Verhandlungslösung an. Das ist auch nur logisch. Denn einerseits hat Marokko keine Chance gegen Spaniens erdrückende See- und Luft-Übermacht. Und andererseits hat es sein insgeheimes Ziel, den Streit um Ceuta und Melilla international zum Thema zu machen, längst erreicht.

Der Konflikt beschäftigt neben der Uno auch die Arabische Liga, die Maghreb-Union, die Nato, die EU und die USA. Alle haben sich als Vermittler angeboten und gefordert, dass die Lage im Krisengebiet schnellstens zum Status Quo vor dem 11.Juli zurückkehren müsse. Im Klartext bedeutet das, dass sich beide Länder zurückziehen sollen, bis eindeutig geklärt ist, wem das Eiland wirklich gehört. Eine weise Haltung, nachdem weder Madrid noch Rabbat ihre Ansprüche beweisen können.

Außenministerin Ana Palacio hat auf diese Appelle reagiert, indem sie bekräftigte, dass Spanien kein Interesse daran habe, auf Perejil zu bleiben. Wie sie andeutete, wäre Madrid sogar dazu bereit, die faktische Hoheit über das Inselchen mit Rabbat zu teilen. Die einzige Bedingung dafür sei, dass Marokko garantiere, die Insel nicht erneut zu besetzen. Das hat ihr Amtskollege Benaissa getan:"Ich verspreche, dass Marokko nicht die geringste Absicht hat, auf die Insel zurückzukehren."

Nach diesen Worten zeichnet sich jetzt eine friedliche Beilegung des Konflikts ab. Die Wogen sind damit aber noch nicht geglättet. In Spanien schimpfen die Kommunisten, dass die Regierung eine einstimmige Resolution des Parlaments verletzt habe, die eine diplomatische Lösung forderte. In Marokko fordern die Islamisten einen "Grünen Marsch" auf Ceuta und Melilla - genau wie 1975, als 400.000 Marokkaner, nur mit Koran und Palmzweigen bewaffnet, die spanische Ex-Kolonie Westsahara besetzten.

Vor diesem Hintergrund dürfte es nur einen Weg geben, um den Wirbel ein für alle Mal zu beenden: eine Klärung durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Derzeit bleibt lediglich der Trost, dass die Lage nur besser werden kann. Denn der Streit um Perejil macht diplomatische Verhandlungen für beide Seiten unverzichtbar. Und das ist ein großer Fortschritt, nachdem die Beziehungen zwischen Spanien und Marokko mit dem gegenseitigen Abzug der Botschafter einen historischen Tiefpunkt erreicht haben.

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STREI ZWISCHEN MADRID UND RABBAT

Auch nach der Beilegung des Streits um die Mittelmeerinsel Perejil gibt es zwischen Spanien und Marokko genug Gesprächsstoff. Die Hauptstreitpunkte:

Ceuta und Melilla: Die beiden Städte liegen an der nordmarokkanischen Küste, umgeben von marokkanischem Staatsgebiet. Spanien hatte sie im 15.und16.Jahrhundert erobert. Madrid weigert sich bis heute, die Orte an Marokko
abzutreten. Beide Exklaven sind als Umschlagplatz für Haschisch und Raubkopien
von Markenprodukten bekannt.

Westsahara: Rabbat wirft der spanischen Regierung vor, die regionale Unabhängigkeitsbewegung Polisario-Front zu unterstützen. Die Westsahara war früher eine spanische Kolonie, die 1975 von Marokko annektiert wurde. Die Uno versucht bereits seit Jahren, einen Volksentscheid über den Status der rohstoffreichen Region zu organisieren. Das Mandat der UN-Mission für die Organisation des Volksentscheids (Minurso) wurde zu diesem Zweck bereits mehrfach verlängert.

Erdöl: Die Suche nach dem "schwarzen Gold" vor den Kanarischen Inseln durch die spanische Gesellschaft Repsol verstößt nach marokkanischer Auffassung gegen internationales Recht, da das betreffende Seegebiet in marokkanischen Gewässern
liege.

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