Bacillus Anthracis
Geschrieben von Swissman am 29. Juni 2002 15:34:09:
Als Antwort auf: Was, so harmlos? geschrieben von Badland Warrior am 29. Juni 2002 11:57:39:
>Ich hätte mal eine frage: Wenn Milzbrand tatsächlich so harmlos ist, und mit einfachen Antibiotika behandelt und geheilt werden kann, warum sterben dann Menschen daran? Bzw., wenn es so harmlos ist, weshalb wird es dann als Biowaffe mißbraucht? Nach deiner Aussage scheint es ja nur sowas wie eine mittlere Grippe zu sein.
Es kommt ganz auf die Art der Erkrankung an: Anthrax kann in drei Formen auftreten: Bei natürlich auftretenden Erkrankungen handelt es sich zumeist um das vergleichsweise "harmlosen" Hautanthrax. Wenn der Erreger, etwa durch den Verzehr von verseuchtem Fleisch, in den Verdauungstrakt gelangt, entwickelt sich Darmanthrax, wobei die Mortalität, unbehandelt, bei etwa 60% liegt. Die gefährlichste, zugleich seltenste, Form ist Lungenanthrax. Diese Verlaufsform führt unbehandelt fast immer zum Tod. Um Lungenanthrax hervorrufen zu können, müssen die Erreger in Sporenform vorliegen, damit sie tief genug inhaliert werden können. Um eine Erkrankung auszulösen, ist die Aufnahme von ca. 5000 - 8000 Sporen notwendig (zum Vergleich: Bereits 90 - 100 Yersinia-Pestis-Bakterien genügen, um Lungenpest hervorzurufen).
Hautanthrax ist für den Arzt leicht zu diagnostizieren. Bei Darm- und Lungenanthrax hingegen sind die Symptome relativ unspezifisch: In Verbindung mit der Seltenheit dieser Formen besteht ein recht grosses Risiko der Fehldiagnose. Besonders gross ist diese Gefahr naturgemäss in Gebieten, in denen Milzbrand nicht endemisch vorkommt, sodass die Krankheit den Ärzten allenfalls aus Büchern bekannt ist. Bei den Anthrax-Briefen in den USA wurde der erste Fall anfänglich als Grippe fehlinterpretiert.
Wie Savonarola richtig schreibt, ist Anthrax, bei richtiger Diagnose problemlos mit Antibiotika zu behandeln. - Allerdings muss die Diagnose möglichst frühzeitig erfolgen, da zur Behandlung nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung steht: Es sind nämlich nicht die Anthrax-Erreger selbst, die das Opfer töten, sondern das von diesen produzierte Toxin. Sobald das Toxin ins Blut übergetreten ist, kann man nur noch versuchen, die Schmerzen des Patienten zu lindern - das Toxin wird den Kranken unabwendbar innert kurzer Zeit töten. Mangels eines Gegengiftes kann die Medizin heute rein gar nichts tun, um dies zu verhindern. An einem Gegenmittel wird selbstverständlich intensiv geforscht, aber bislang ohne verwertbaren Erfolg.
Wenn Anthrax als Biowaffe eingesetzt wird, wird der Erreger in Sporenform als Aerosol verteilt. Infolgedessen ist so gut wie ausschliesslich mit Lungenanthrax-Erkrankungen zu rechnen. Da westlichen Ärzten im Allgemeinen die Erfahrung mit dieser Krankheit fehlt, sind Fehldiagnosen vorprogrammiert (zumal der Gegener kaum so nett sein wird, darauf aufmerksam zu machen, dass ein Einsatz von Anthrax stattgefunden hat). Ab einer gewissen Anzahl Erkrankter ist zudem das Gesundheitssystem schlicht überfordert. Es stellt sich auch die Frage, ob die Krankenhäuser genügend Antibiotika vorrätig haben, um, sagen wir 20'000 Menschen zu behandeln. Kommt hinzu, dass man im Grunde genommen jeden prophylaktisch behandeln müsste, der einem Infektionsrisiko ausgesetzt war. Um das Risiko eines Rückfalles auszuschliessen muss die Behandlung etwa zwei Monate lang erfolgen.
Ein bedeutender "Vorteil" des Bacillus Anthracis, bei der Anwendung als B-Waffe, liegt natürlich darin, dass die Krankheit von Mensch zu Mensch nicht übertragbar ist - anders als etwa die Pocken oder die Lungenpest sind die Folgen beherrschbar, und der Anwender riskiert nicht, seine eigenen Truppen gleich mitzuvernichten.
- Danke für die Beratung! Badland Warrior 29.6.2002 23:16 (0)