Deutsche Pressestimmen zu "Bush-Doktrin"
Geschrieben von Peditor am 12. Juni 2002 12:07:12:
Deutsche Pressestimmen zu "Bush-Doktrin"
Frankfurt/Berlin - Die gegenwärtige Ausschlachtung des "Falls Padilla" durch die Bush-Regierung ist Gegenstand deutscher Pressekommentare am Mittwoch.
"Frankfurter Rundschau":
"Verzieht sich der Rauch, bevor die Bombe explodiert ist? Eine akute Gefahr, dass in einer Großstadt der USA eine 'schmutzige Bombe' hochgehen würde, hat offenbar nicht bestanden. Die Indizien, die nach der Gefangennahme des US-Bürgers Abdullah al Mujahir (vor seiner Konversion: Jose Padilla) bekannt geworden sind, bleiben undeutlicher als das, was die Geheimdienste der USA vor dem Verbrechen vom 11. September sicher wussten. (...) Handfest ist nichts; FBI-Chef Robert Mueller vermag nur 'erste Planungsstufen' eines möglichen Anschlags mit einer 'schmutzigen Bombe' zu erkennen. Seit die Dienste unter Kritik geraten sind, weil sie vor dem 11. September nicht gewarnt haben (oder Warnungen missachtet wurden), schlagen sie lauter und heftiger Alarm. Der Alarm nutzt sich ab, muss deshalb immer lauter vorgebracht werden - und schließlich wird der Eindruck, die Gefahr wachse mit der Lautstärke der Warnungen, für eine Widerspiegelung der Wirklichkeit gehalten."
"Berliner Zeitung":
"Schon das Zustandekommen der 'Horrormeldung' war mehr als suspekt. Problemlos hätten in Washington FBI-Chef Robert Mueller oder Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die Festnahme des mutmaßlichen Terroristen Jose Padilla bekannt geben können, der angeblich Kontakte zur El-Kaida-Organisation unterhält und mit einer 'schmutzigen' Bombe Anschläge auf amerikanische Ziele vorbereiten wollte. Doch es war Justizminister John Ashcroft, der aus Moskau die Verhaftung des 31-Jährigen verkündete. (...) Ashcrofts Auftritt löste in den USA heillose Verwirrung aus. Die Medien sprachen zunächst von einer 'atomaren Bedrohung' (...) Schließlich musste sogar FBI-Direktor Mueller einräumen, dass Padilla, alias Al Mujahir, lediglich an 'Diskussionen' über mögliche Anschläge teilgenommen habe und sich diese in einem 'sehr frühen Stadium' befanden. Der Fall Padilla illustriert die Widersprüchlichkeit der Anti-Terror-Kampagne des Weißen Hauses. (...) Timing und Effekthascherei machen das Vorgehen sehr fraglich. Das gilt auch für die demagogischen Züge von Bushs Reden. Er spricht von 'barbarischen totalitären Kräften' und der 'katastrophalen Macht der Terroristen'. Auf diesem Wege trägt der Präsident zur wachsenden Nervosität im eigenen Lande erheblich bei, statt sie zu lindern."
"Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ):
"Die Berichte über Muhajirs Festnahme sind doch Balsam für CIA und FBI, dürften sie doch das Vertrauen und die Zuversicht der Amerikaner stärken, dass die Behörden aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben und dass die Regierung Bush sich mit den begonnenen Reformen zur Stärkung der Sicherheit auf dem richtigen Weg befindet. Auch wenn der Sprecher des Weißen Hauses bestritt, dass die Regierung politische Gründe dafür gehabt habe, die schon am 8. Mai erfolgte Festnahme nun bekannt zu geben, wo der Präsident beim Kongress für seine Pläne zur Gründung eines neuen Ministeriums für innere Sicherheit wirbt, so kommt es der Regierung doch entgegen, dass die öffentliche Aufmerksamkeit sich weg von den unangenehmen Nachforschungen zu den Versäumnissen vor dem 11. September hin zu einem offenbaren Erfolg bei der Abwehr terroristischer Anschläge wendet."
"Handelsblatt":
"Ein ehemaliges Bandenmitglied aus Chicago hat die USA in Schrecken versetzt. Aber die Beweise sind offenbar noch dünn. Allzu viel haben die Behörden gegen Padilla offenbar nicht in der Hand. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass er radioaktives Material gekauft habe, berichten Offizielle. (...) Bush aber kommt die Verhaftung nicht ungelegen. Er steht innenpolitisch unter großem Druck. Immer neue Fehler wirft die Öffentlichkeit seinen Geheimdiensten vor. Vor allem, dass sie geschlampt und wichtige Informationen nicht weitergeleitet hätten. Und immer wieder taucht die Frage auf: Wieviel wusste das Weiße Haus vor dem 11. September? Die Erfolgsmeldung verschafft Bush erst einmal Luft. FBI und CIA bejubeln die Festnahme."
APA/dpa/AFP/ron
Quelle: kurier.at