Savonarola ist auferstanden

Geschrieben von Savonarola am 28. Mai 2002 09:27:43:

Erlauchte Freunde, Brüder, Schwestern, Genossen und Feinde

Hier bin ich!
Damit ihr auch wisst mit wem ihr kommuniziert, will ich euch ein paar Episoden
aus meinem Leben erzählen.
Ich wurde am 21. September 1452 in Ferrara geboren. Im selben Ort studierte
ich später an der Universität.
Die einen preisen mich als einen Heiligen. Andere halten mich für einen geistes-
gestörten Mystiker. Die einen sehen in mir einen Vorläufer des Protestantismus.
Andere hassen mich weil sie glauben ich sein ein gefährlicher Fanatiker.
In wirklichkeit war ich das Werkzeug in den Händen Gottes um eine geistige
Erneuerung zu bringen. Mein rücksichtloser Kampf gegen den Zerfall der Sitten
am päpstlichen Hof führte zu einem heftigen Konflikt mit Papst Alexander VI.,
der mir ein Predigtverbot auferlegte. Als ich den Gehorsam verweigerte, wurde
ich exkommuniziert, gefangen und gefoltert. Schliesslich wurde ich 1498 auf der
Piazza della Signoria in Florenz als Ketzer gehängt und verbrannt.


1472 verfasste ich meine ersten Gedichte. Ein Excerpt aus einem der Gedichte
wenigstens möchte ich hier wiedergeben. Es handelt vom Ruin der Welt.

Die Welt ist chaotisch;
Tugend und Sitten sind tot;
niemand schämt sich mehr seiner Laster;
Die Achtung der Menschen gilt den Feinden Gottes;
Das Zepter der Könige ist in den Händen von Piraten;
St. Peter ist eingestürzt;
Die Kurie ist mit Schauspielern, Zuhältern und Homosexuellen bevölkert;
Diebe und Mörder verkehren in höchsten Kreisen;
Witwen und Weisen werden ausgebeutet ...

Da es sehr einseitig wäre nur aufgrund eines Gedichtes Schlüsse zu ziehen,
geb ich euch noch ein anderes Kuchenstück zum probieren. Es handelt sich
um einen Teil aus einer meiner Sermons.

.... Was nun aber die Vorstellungskraft anlangt, so schaute ich ein schwarzes
Kreuz über Babylon-Rom mit der Inschrift: Zorn des Herrn. Und darüber
regnete es Schwerter, Messer, Lanzen, und Waffen aller Art, sowie Hagel und
Steine in einem furchtbaren Gewitter mit Blitzen und finsterer Nacht.
Und ich schaute ein anderes Kreuz von Gold, welches vom Himmel auf die Erde
über Jerusalem reichte und die Inschrift trug: Barmherzigkeit Gottes. Und hier
herrschte helles und klarstes Wetter. Und auch aufgrund dieses Gesichtes
erkläre ich dir, dass sich die Kirche Gottes erneuern muss, und zwar bald, denn
Gott ist erzürnt, dann aber werden sich die Ungläubigen bekehren und zwar bald.

Ein anderes Gesicht. Ich schaute ein Schwert, welches über Italien gezückt war,
und ich sah Engel, welche kammen und rote Kreuze in einer Hand hielten, in der
anderen aber viele weisse Gewänder, und sie reichten das Kreuz jedem zum Kusse
dar, welcher es wollte, und sie boten auch die weissen Gewänder an. Manche
nahmen, andere verweigertenes, wieder andere wiesen es nicht nur für sich
selbst ab, sondern hielten auch andere dazu an.

Dann verschwanden diese Engel und es nahte noch eine viel grössere Anzahl mit
Kelchen voll süssen Weines bis an den Rand, aber zu unterst war bittere Hefe.
Und diese Engel reichten den Kelch jedermann, und jene, welche die Kleider
willig genommen hatten, kosteten auch willig von dem Weine, welcher oben süss
war, die bittere Hefe aber liessen sie den anderen, welche die Gewänder
verschmäht hatten und auch vom Kelche nichts wissen wollten, ihn aber
widerstrebend und sich krümmend, doch trinken mussten.

Und sogleich sah ich, wie sich das über Italien gezückte Schwert mit der Spitze
nach unten kehrte und im furchtbarsten Wetter die schwerste Züchtigung unter
ihnen vornahm, nur dass jene mit den weissen Gewändern weniger darunter litten
und den süssen Wein im Kelche tranken, während die anderen die bittere Hefe
widerwillig schluckten. Und bei dieser Züchtigung flehten sie die in den
weissen Kleidern an mit Worten: Gib mir etwas von deinem Kleide, auf dass ich
diesen bitteren Trank nicht zu leeren brauche! Es ward ihnen jedoch
geantwortet: Es ist zu spät. Und so sage ich dir: die Erneuerung kommt und zwar
bald.

Zur erklärung will ich dir, o Florenz, mitteilen: Das über Italien gezückte
Schwert ist das des Königs von Frankreich, dass sich gegen Italien richtet.
Die Engel mit den roten Kreuzen, den weissen Kleidern und dem Kelche sind die
Prediger, welche dir diese Züchtigung ankünden und das rote Kreuz, das heisst
das Leiden des Märtyriums zum Küssen dareichen, welches bei der mit der
kirchlichen Erneuerung verbundenen Züchtigung hereinbricht. Das weisse Kleid
beduetet die Reinigung des Gewissens von allen Lastern, so dass es in weisser
Reinheit erglänzt. Der Kelch mit dem guten Weine oben bedeutet das Leiden,
welches jeder kosten muss; jene aber mir dem weissen Gewande, die ihr Gewissen
gereinigt haben, geniessen süssen Wein, das heisst sie spüren von der
Züchtigung nur wenig, sie werden von ihr zwar zuerst betroffen, aber doch nur
in geringem Masse, welches sie geduldig ertragen, um dann, etwa hierbei von dem
Tode hinweggerafft, ins Leben einzugehen.

Die anderen aber trinken die bittere Hefe gezwungen, denn sie schmeckt ihnen
sauer, wie sie auch sicherlich ist. Das Schwert hat seine Spitze noch nicht
nach unten gekehrt, obschon es sich in ganz Italien gezeigt hat; Gott erwartet
euch also noch zur Busse. Bekehre dich, Florenz, denn es gibt kein anderes
Heilmittel als Busse!Bekleidet euch mit dem weissen Gewande und säumet nicht
länger, um die Gelegenheit zur Busse nicht zu verscherzen! ...

Ich komme endlich zum Schlusse ... Gott hat ein grosses Essen für ganz Italien
angerichtet, aber all diese Speisen sind bitter; vorerst hat er nur den Salat
gegeben,der aus einem etwas herben Lattiche bestand. Verstehe mich wohl,
Florenz, die anderen Gerichte folgen erst noch, aber bitter sind alle, es sind
sehr viele Gänge, denn es soll ein grosses Mahl sein.

So schliesse ich denn, merke es wohl, Italien sei eben erst am Anfang seiner
Trübsal. O Italien, ihr Fürsten Italiens, ihr Prälaten der Kirche! Der Zorn
Gottes ist über euch, und es bleibt euch kein anderer Ausweg als die Bekehrung:
Und bei meinem Heiligtume will ich beginnen (Ezechiel 9, 6). O Italien, o
Florenz, um deiner Sünden willen brechen die Trübsale über dich herein! O ihr
Vornehmen, ihr Mächtigen, ihr Leute aus dem Volke! Die Hand Gottes ist über
euch, und keine Macht keine Flucht, keine Weisheit mag ihr zu widerstehen. Und
er wird nicht allein sein, denn du weisst nicht, wie es um dich bestellt ist.
O ihr Fürsten Italiens, fliehet vor dem Lande des Nordens, tut Busse solange
das Schwert noch in der Scheide ruht und mit Blut noch nicht befleckt ist.
Fliehet vor Rom! O Florenz, fliehet mittels der Busse vor der Sünde, und
fliehet vor den Bösen!

Der Schluss ist dieser: Ich habe dir all diese Dinge mit göttlichen und
menschlichen Gründen dargetan und mich einer bescheidenen Sprache befleissigt.
Ich habe dich gebeten, denn befehlen kann ich dir nicht, da ich nicht dein
Herr, sondern Vater bin. Möge Gott dich erleuchten, sein ist die Herrlichkeit
und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!

Euer Girolamo Savonarola


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