Russland ist von seinen Fesseln befreit
Geschrieben von IT Oma am 24. Mai 2002 15:35:50:
»Russland ist von seinen Fesseln befreit«
Utl: Moskauer Abrüstungsvertrag günstiger als START-II -
Mehrfachsprengköpfe müssen nicht mehr vernichtet werden
Von AP-Korrespondent Vladimir Isachenkov
Moskau (AP) Das neue Moskauer Abrüstungabkommen markiert eine
dramatische Zäsur in der jahrzehntelangen Geschichte
amerikanisch-russischer Rüstungskontrolle: Erstmals steht beiden
Supermächte die Entscheidung frei, welche ihrer Waffen sie behalten
wollen. Das kommt vor allem den maroden russischen Streitkräften
zugute. Denn anders als noch im START-II-Vertrag sind sie jetzt
nicht mehr verpflichtet, ihre Raketen mit Mehrfachsprengköpfen zu
vernichten und dafür teuren Ersatz zu bauen, um mit dem
Atomwaffenarsenal der USA gleichzuziehen.
»Das Abkommen hat Russland von seinen Fesseln befreit«, sagte
General Wasili Lata, der frühere stellvertretende Stabschef der
strategischen Atomstreitkräfte Russlands. In den seit den 70-er
Jahren von Washington und Moskau unterzeichneten Abrüstungsabkommen
war die exakte Zusammensetzung der Atomarsenal beider Länder
akribisch aufgelistet.
Im Bemühen, die Bedrohung durch den Feind möglichst gering zu
halten, brauchten die Unterhändler beider Seiten immer Jahre, um die
Verträge unter Dach und Fach zu bringen. Jeder davon umfasst etliche
Aktenbände, in denen die Zahl von U-Booten und Raketen festgehalten
ist, die jedes Land behalten darf. Das 1993 unterzeichnete
START-II-Abkommen verbot alle landgestützten Interkontinentalraketen
mit Mehrfachgefechtsköpfen - und damit den Kern der russischen
Atomstreitkräfte.
Würde START-II in Kraft treten, hätte Moskau eine große Zahl
neuer Raketen vom Typ Topol-M stationieren oder Atom-U-Boote mit
ballistischen Raketen bauen müssen, um im Wettrüsten mit den USA
mithalten zu können. Beides hätte die russische Regierung unmöglich
finanzieren können.
Zwtl: »Das neue Abkommen gleicht einem romantischen Gedicht«
Bei der Ratifizierung von START-II 2000 machte das Moskauer
Parlament die Umsetzung des Vertrags von der Beibehaltung des
ABM-Vertrags von 1972 abhängig, der die Einrichtung eines nationalen
Raketenabwehrsystems verbietet, wie es die USA planen. Die Senat in
Washington wies die russischen Forderungen zurück, so dass START-II
nicht in Kraft gesetzt wurde.
Nach russischer Darstellung wurde START-II nach dem Rückzug der
USA vom ABM-Vertrag im Dezember vergangenen Jahres ungültig. Mit dem
neuen Abkommen sei es endgültig gestorben. Auch US-Vertreter
erklärten, der Moskauer Vertrag sei das letzte Abrüstungsabkommen
zwischen beiden Staaten, die sich nicht länger als Feinde
betrachteten.
»Wenn man die vorherigen Abrüstungsverträge als harte Prosa
beschreiben kann, dann ist das neue Abkommen ein romantisches
Gedicht«, sagte Alexei Arbatow, stellvertretender Vorsitzender des
Verteidigungsausschusses im Parlament. Für Russland bedeutet es in
erster Linie, dass es seine Raketen der Typen SS-18 und SS-19
vorerst behalten kann. Da ihre Lebensdauer allerdings ohnehin längst
abgelaufen ist, müssen sie wohl doch noch in diesem Jahrzehnt
vernichtet werden.
In der Zwischenzeit können die russischen Streitkräfte den
Aufschub nutzen, um seine neuen Topol-M-Raketen mit jeweils drei
Gefechtsköpfen aufzurüsten - eine weit günstigere Variante, als es
START-II erfordert hätte. Da dies aber wohl nur langsam voran gehen
wird, dürfte es Russland schwer fallen, mit den US-Atomstreitkräften
Schritt zu halten.
Ende
AP/256/mp/sv
241520 mai 02