Neuer Artikel von Wolfgang Strauss
Geschrieben von Maria_2 am 18. Mai 2002 16:17:34:
Hallo Foris,
anbei ein neuer Artikel von Wolfgang Strauss.
Ich setze ihn deshalb hier rein, weil ich denke, daß ein Rußlandkenner uns vielleicht KGB- HAuptmann Putin näher bringen kann.
ICH WILL HIER KEINE POLITISCHE AUSEINANDERSETZUNG STARTEN!!!!Grüße
MAria_2
Wolfgang StraussDie Bombe von Kaspisk
[15.5.2002] Die Militärkapelle intonierte gerade die alte Sowjethymne (und jetzige Putinhymne), als die Autobombe detonierte, 42 Zivilisten und Soldaten tötete. Geschehen am "Tag des Sieges" in der Hafenstadt Kaspisk im nordkaukasischen Dagestan, bewohnt von Moslems. Die Bombe war die Grußbotschaft an Präsident Putin und an die Russen. In der Hymne heißt es, Großrußland habe die Völker für ewig geeint im Sowjetvaterland. Die kaukasische Antwort vom 9. Mai 2002 lautet: Es gab und gibt für uns kein gemeinsames Vaterland mit Moskau, und es wird es nie geben.
In einer Nacht- und Nebelaktion wurden am 23. Februar 1944 die nordkaukasischen Völker der Inguschen und Tschetschenen in die mittelasiatische Wüste deportiert, auf Befehl Stalins. Die Hälfte der Vertreibungsopfer überlebte das Massaker nicht. Für diesen Holocaust haben sich bis heute weder der russische Präsident noch die Duma entschuldigt - auch nicht die Russisch-Orthodoxe Kirche.
Putins Antwort am 9. Mai bestand in der Wiederholung stalinistischer Literatur. Er verglich die kaukasischen Unabhängigkeitskämpfer ("Terroristen") mit den Weltkriegsdeutschen ("Nazis") und schleuderte in die Veteranenrunde auf dem Roten Platz den bolschwistischen Bannfluch: "Ismatywatj Iswerg!" ("Zerquetscht das Scheusal!"). Das sind Worte Stalins 1944, gemünzt auf die Deutschen. Was beweist, daß KGB-Hauptmann Putin in seinem Menschenbild, seiner Mentalität und seinem Geschichtsdenken Stalinist geblieben ist. "Alles ist erlaubt!" war Stalins Befehl im Januar 1945. Auch zu diesem Wort bekennt sich Putin, indem er Schliemanns Troja-Schatz und Kants Königsberg als legitime Beute des imperialistischen Eroberers ansieht. Der "Tag des Sieges" 2002 bestätigt die Fortdauer des Antideutschlandkurses durch Wladimir Putin.
Verbündete hat er unter deutschen Beutegenossen. Bei der Wiederaufrichtung des reparierten sechs Meter hohen Stalinsoldaten auf den Seelower Höhen am 9. Mai legten antifaschistische Veteranen aus SPD und PDS Kränze nieder, hat doch die Rote Armee vor 57 Jahren das deutsche Volk von antikommunistischer Freiheit befreit.
Die Aufarbeitung eine grauenvollen Vergangenheit befindet sich in Rußland an einem Wendepunkt. Gegen mutige Geschichtsrevisionisten haben Konterrevisionisten, zu denen auch Geschichtsfälscher Putin zählt ("Die Sowjetarmee hat Europa befreit"), eine Offensive in staatlichen wie privaten Massenmedien eröffnet.
Für Rostislaw Ljubwin vom Kriegsgeschichtlichen Museum der früheren Leningrader Polizei ist General Wlassow immer noch ein Vaterlandsverräter, Stalin dagegen der Vaterlandsretter, dessen Rede vom 3. Juli 1941 vom "ganzen sowjetischen Volk" mit "Hoffnung und Ergriffenheit" aufgenommen worden sei. Ljubwin verbreitet die Legende, in der Schlacht um Ostrow und Pleskau (Pskow) Juli 1941 seien die sowjetischen Verteidiger den Deutschen materialmäßig unterlegen gewesen. Doch gerade an diesem Frontabschnitt kamen Hunderte von überschweren Panzern KW 1 und KW 2 zum Einsatz, allerdings ohne Erfolg. Und geleugnet wird nach wie vor von spätsowjetischen Historikern die Tatsache, daß im eingeschlossenen Stalingrad etwa fünfzigtausend Russen und Ukrainer freiwillig an der Seite der 6. Armee der Wehrmacht kämpften.
Aber das Lager der Geschichtsrevisionisten wird immer größer. Sie entlarven die Betrugskampagnen hinsichtlich der Kriegsopfer in der Roten Armee. Unter Stalin, 1946, wurden 8,24 Millionen und Gefallene und Vermißte angegeben, ein Jahr später wuchs das Totenheer auf ca. 10 Millionen an, heute geht man von fast 12 Millionen gefallenen Rotarmisten aus (so in einer Dokumentation der Zeitschrift Sputnik-Nowosti vom 3. Mai 2002).
In regierungsloyalen Printmedien kommen die Geschichtsrevisionisten (noch) nicht zu Wort. Vielleicht wird die Situation im Jahre 2005 eine andere sein. Die regierungsamtlichen Vorbereitungen des "60. Siegesjubiläums" laufen bereits auf Hochtouren. Bis dahin hat sich Putin, der ja niemals in der Armee gedient hat, ein Kantinenziel gesetzt, um die Komsomolskaja Prawda vom 11. Mai zu zitieren: Auf der Grütze eines jeden Wehrdienstleistenden soll eine dicke Schicht Sonnenblumenöl schwimmen."
V.i.S.d.P. und © 2002 Wolfgang Strauss
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