Re: @Swissmann: Irak-Syrien-Iran?

Geschrieben von Swissman am 07. Mai 2002 13:49:51:

Als Antwort auf: @Swissmann: Irak-Syrien-Iran? geschrieben von King Henry am 06. Mai 2002 01:43:27:

Hallo Henry

Die von Dir entwickelte Theorie macht militärisch durchaus Sinn. Ob sie sich durchführen lässt, hängt in erster Linie davon ab, ob die beteiligten Staaten zur Abwechslung gewillt sind, ihre sonstigen Differenzen zugunsten grösserer gemeinsamer Interessen zurückzustecken.

Soweit es Syrien betrifft, würde man meinen, das dem so sein müsste: Beide Staaten werden von der Ba'ath-Partei geführt. Die vom libanesischen Christen Michel Aflaqu im 19. JH gegründete Ba'ath-Partei war die erste organisierte Gruppierung, die den Panarabismus zum Programm erhob. Wenn es nach dem Parteiprogramm geht, sollten sich die arabischen Staaten nach und nach vereinigen, um schliesslich in einem gemeinsamen Vaterland aufzugehen. Das anzustrebende Arabien sollte sich durch religiöse Toleranz gegenüber den Minderheiten auszeichnen (der irakische Premierminister Tariqu Aziz ist denn auch chaldäischer Christ, und in Syrien stellt die islamische Sekte der Alawiten mit Assad sogar den Präsidenten). Später, nach Entdeckung der Erdöllagerstätten wurde das Programm um die gerechte Verteilung der Petrodollars ergänzt.

Soweit die Theorie. Eine Vereinigung von Syrien und Irak wurde kurzfristig versucht, scheiterte aber daran, dass sich Saddam Hussein und Hafez al-Assad nie darüber einigen, wer von beiden das Amt des Staatspräsidenten übernehmen sollte - im Grunde wollten beide die erste Geige in der arabischen Welt spielen. Hinzu kamen wohl auch noch persönliche Animositäten zwischen den beiden Herrschern. Faktisch herrschte jahrelang kalter Krieg zwischen den beiden Ländern, und man warf sich auch gegenseitig vor, Attentate auf das jeweilige Staatsoberhaupt versucht zu haben. Verschiedentlich standen die beiden Länder kurz vor einer Kriegserklärung.

Andererseits ist ja Hafez al-Assad mittlerweile verstorben, und sein Sohn hat bereits kurz nach seinem Amtsantritt erklärt, die Beziehungen zum Nachbarland verbessern zu wollen. Ob dies mehr als blosse Lippenbekenntnisse sind wird sich erst noch zeigen müssen.

Syrien wird es sich sicherlich gut überlegen, bevor es sich auf Seiten Iraks beteiligt, da es in diesem Fall einen Dreifrontenkrieg riskiert. Scharon ist es durchaus zuzutrauen, dass er die Gelegenheit nutzen würde, den Syrern in den Rücken zu fallen (Syriens Hauptstadt Damaskus liegt übrigens innerhalb der Reichweite der israelischen schweren Artillerie), derweil deren beste Verbände fern der Heimat im Kampf gegen die USA stehen. Hinzu kommt, die bekanntermassen enge militärische Zusammenarbeit Israels mit der Türkei - es wird allgemein vermutet, dass die beiden Staaten einen Beistandspakt geschlossen haben - in diesem Fall könnte die Türkei Syrien allein schon dadurch in die Knie zwingen, dass sie Euphratdämme schliesst: Syriens Trinkwasserversorgung hängt fast ausschliesslich an diesem Fluss.

Iran und Irak haben sich bekanntlich 10 Jahre lang einen erbitterten Kampf geliefert, der ca 1 Mio Opfer gefordert haben dürfte. Die Frage ist, ob die Iraner es Saddam Hussein je verzeihen werden, dass er sie damals angegriffen hat. - Wenn sich der Iran aber zur Hilfeleistung entschliessen sollte, hätten die Amerikaner ein grosses Problem: Nach den Erfahrungen des 1. Golfkrieges neige ich dazu, dem iranischen Soldaten die beste Kampfmoral im gesamten Nahen Osten zuzusprechen. Der grossartige Abwehrerfolg gegen die irakischen Panzerdivisionen beruht weitgehend auf dem Heldenmut der iranischen Verteidiger. Dass der Iraner sich auch im Angriff bewährt, zeigte sich bereits nach wenigen Monaten, als die Iraker im Rahmen der Ramadan-Offensive auf eigenes Gebiet zurückgetrieben wurden, und sich der völlige Zusammenbruch nur noch mittels C-Waffen verhindern liess.

Dabei sollte man nicht vergessen, dass das iranische Kaderheer zu Beginn des Konflikts weitgehend zerschlagen wurde - dies wurde alles von Wehpflichtigen und Kriegsfreiwilligen vollbracht, deren Bewaffnung embargobedingt meist recht kläglich ausfiel.

Ein weiterer Trumpf der Iraner liegt bei der Seekriegsführung: Im Golfkrieg entwickelten sie den Einsatz von Schnellbooten gegen grössere Schiffe zur Meisterschaft. Mittlerweile verfügt Iran auch über eine Anzahl äusserst leise U-Boote der Kilo-Klasse. Nicht zuletzt lässt sich die Strasse von Hormuz bereits mit weittragender Artillerie und/oder Boden-Boden-Raketen sperren.

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