Re: Irak: Einige Militärstrategische Anmerkungen
Geschrieben von Swissman am 05. Mai 2002 21:22:24:
Als Antwort auf: Re: Irak: Einige Militärstrategische Anmerkungen geschrieben von IT Oma am 05. Mai 2002 17:22:43:
>Das stimmt, über die Berge wäre es ein logistischer Alptraum. ABER: über den >Tigris und die an ihm verlaufende Strasse nicht. Diese Strecke wird heute >schon für den Zigaretten- und Diesel-Schmuggel von und nach Irak kräftig von >Lastwagen benutzt.
Auf den ersten Blick hast Du im Prinzip Recht. Bei genauerem Studium der Karte stelle ich jedoch fest, dass die Trasse der Bahnlinie Adana-Mossul-Baghdad zwischen Nusaybin und Tell Kotehek auf ca 80km über syrisches Staatsgebiet führt. Eine Strasse ist auf meiner Karte gar nicht eingezeichnet, ich nehme aber an, dass es eine geben muss, die ungefähr dem Verlauf der Bahnlinie folgt (In jedem Fall würde man den Nachschub, wenn immer möglich, über die Bahn rollen lassen). Dass die Syrer den Amerikanern die Durchmarschrechte erteilen würden, glaube ich absolut nicht - da wette ich eine Kiste Champagner gegen einen Napf lauwarmer Spucke dagegen.
Rein theoretisch ist es möglich, sich über die Ausläufer des Taurusgebirges auf irakisches Gebiet vorzuarbeiten. Dort wäre abermals ein Höhenzug zu überwinden, bevor man auf den Tigris stösst, den man dann überschreiten müsste, um sich die westlich des Tigris verlaufende Bahnlinie dienstbar zu machen. Zuzgleich stünden die Pioniere der US-Army vor der schier übermenschlichen Aufgabe, innert kürzestmöglicher Zeit eine Rollbahn durchs wilde Kurdistan aus dem Boden zu stampfen.
Alternativ dazu könnte man natürlich entlang der weiter nord-östlich Dohuk-Erbil-Kirkuk folgen. Dort wäre man dann aber wieder auf der ganzen Strecke im Hochgebierge, und somit weitgehend an die Strasse gebunden. Wie leistungsfähig diese ist, entzieht sich meiner Kenntnis, ich vermute allerdings, dass sie die zur Versorgung einer angreifenden Armee nötigen Mengen an Nachschub deren Kapazhität bei weitem übersteigen. Weiters sind die Brücken vermutlich für normale LKW's ausgelegt, sodass sie von Kampfpanzern nicht ohne vorherige Verstärkungen benutzt werden könnten (davon abgesehen kann man Brücken auch sprengen). Da das Hochgebirge an sich nicht panzergängig ist, stehen die Panzer auf der Strasse gleichsam auf dem Präsentierteller, jedem Halbwüchsigen mit einer RPG-7 ausgeliefert.
Nicht zuletzt löst sich auch der Belag einer Strasse recht schnell auf, wenn er mit Panzerketten in Kontakt kommt.
Das Positive an der Nordvariante ist natürlich die Tatsache, dass man die Bodentruppen voraussichtlich mit türkischen Verbänden verstärken könnte. Der türkische Soldat geniesst an sich den Ruf eines ausgezeichneten, hochmotivierten Kämpfers. - In Kurdistan ist er jedoch verhasst, personifiziert er doch die Unterdrückung seitens der Zentralregierung in Ankara. Vermutlich würde in diesem Fall auch die PKK wieder aktiv werden, und den Nachschub mittels Guerillangriffen zusätzlich erschweren.
Alles in allem überwiegen die Nachteile.
>Man müßte sich dafür nur mit den unter sich zerstrittenen Kurden im Nordirak >arrangieren.
Dies scheint so gut wie ausgeschlossen: Das grosse Problem der Kurden ist seit jeher ihre innere Zerstrittenheit (In Kurdistan gibt es ein Sprichwort: "Wenn sich drei Kurden einig sind, ist mindestens einer davon kein Kurde.")
Ob die irakischen Kurden sich nochmals darauf einlassen würden, für die USA die Kastanien aus dem Feuer zu holen, bezweifle ich: Das letzte Mal endete es mit einem hinterhältigen Verrat seitens des alten Bush. - Die Kurden werden diese leidvolle Erfahrung sicherlich nicht so schnell vergessen. Es scheint sogar durchaus möglich, dass die kurdischen Peschmergas sich an den durchmarschierende GI's zu rächen versuchen würden, zumal man ja mit Saddam faktisch einen Modus vivendi gefunden hat, der den Kurden weitgehende Autonomier gewährt.