Re: An Swissman und alle Nahost-Interessierten

Geschrieben von Swissman am 03. Mai 2002 23:58:11:

Als Antwort auf: An Swissman und alle Nahost-Interessierten geschrieben von another am 30. April 2002 01:30:23:

>Ich spekuliere über die Möglichkeit eines baldigen Ölembargos wahrscheinlich >im Zusammenhang mit einem Sturz des saudischen Königshauses.
>Jetzt meine Frage, weiss jemand von euch Details über die Hintergründe der >Revolution im Iran 1979, bei der der von der CIA an die Macht gebrachte Schah >abgesetzt wurde? Gibt es da eine belegbare Verstrickung der Sowjets?

Eine direkte Beteiligung der Sowjets hat es offiziell nicht gegeben. Folgendes ist allerdings belegt: Die Revolution im Iran war zu Beginn keineswegs rein islamisch - Khomeini war es gelungen, ein loses Bündnis der verschiedenen persischen Oppositionsgruppierungen zu knüpfen. Das Bündnis war recht homogen und rein taktischer Natur - die Gemeinsamkeiten der meisten der involvierten Gruppen und Grüppchen erschöpften sich darin, dass man den Schah stürzen wollte.

Unter anderem war auch die persische KP beteiligt - rein zahlenmässig waren die Kommunisten im Iran eine recht geringe Gruppierung (wie überall), was sie durch straffe Organisation wettmachten. Die Anhänger der Kommunisten rekrutierten sich überwiegend unter den Intellektuellen. Seit der Besetzung Nordpersiens durch die Sowjets im 2. WK und die zeitweise Errichtung einer "Kurdischen SSR" genossen die Kommunisten zudem einige Sympathie unter den iranischen Kurden.

In der breiten Masse, insbesondere auf dem Land, konnten die Kommunisten genausowenig Fuss fassen, wie die vom Schah unter dem Schlagwort "Weisse Revolution" initiierte Verwestlichung. Es ist offensichtlich, dass die Sowjets vorhatten, Khomeini, der damals der mit Abstand geachtetste schiitische Kleriker war, zu benutzen. Der Schah, obwohl im Volk nicht sehr beliebt, sass fest im Sattel. Die Kommunisten mit ihrer beschränkten Anhängerschaft würden Jahre brauchen, bis sie ihn allenfalls stürzen könnten. Khomeini, dessen Einfluss viel weiter reichte, sollte daher gleichsam eine zweite Februarrevolution einleiten. Die Kommunisten würden dann, nach bewährtem Muster, mittels einer zweiten Revolution die neue Regierung, die sich noch nicht richtig etabliert hatte, relativ leicht absetzen können.

Khomeini war sich dieser Gefahr durchaus bewusst - als Geistlicher hat er den Kommunismus zeit seines Lebens immer wieder als "teuflische Irrlehre" verdammt. Nachdem er die Macht erobert hatte, ging er denn auch hart gegen seine einstigen Verbündeten vor - tatsächlich dürfte er der einzige Politiker sein, dem es gelang, mit den Kommunisten zu paktieren, und diese erfolgreich hereinzulegen *g* Im privaten Kreis hat auch Ronald Reagan seine diesbezügliche Wertschätzung geäussert, wie im Zusammenhang mit Iran-Contra-Gate enthüllt wurde. Die Besetzung der US-Botschaft muss ihm daher äusserst ungelegen gekommen sein (bei den Geiselnehmern handelte es sich um Studenten - es wäre interessant, zu wissen, ob deren Anführer kommunistische Verbindungen hatten...) Obwohl er offiziell gezwungen war, gegen den Iran Stellung zu beziehen, leitete er im Rahmen der Operation Iran-Contra Waffenlieferungen an den Iran ein - wie kommt es wohl, dass die iranische Luftwaffe heute noch flugfähige US-Typen besitzt, obwohl doch offiziell seit 1979 keine Ersatzteile mehr geliefert wurden...? *g* Auch hier wäre es wiederum interessant, zu erfahren, wer die Iran-Contra-"Affäre" aufgedeckt hat, bzw. wer sein Quellen waren...

Kurz nach dem Sturz des Schahs nutzte Saddam Hussein die, wie er glaubte, günstige Gelegenheit, um die südiranische Erdölprovinz Khusistan anzugreifen. Saddam Hussein ging davon aus, dass die Araber, die in Kusistan die Mehrheit stellen, seine Truppen als Befreier begrüssen würden, was nicht der Fall war. Vor allem aber nahm er an, dass die Iranischen Streitkräfte durch die Revolution und die nachfolgenden Säuberungen paralysiert wären, sodass kein grosser Widerstand geleistet würde. Vielmehr nahmen er, und so gut wie alle Fachleute, mit Ausnahme Peter Scholl-Latours, an, dass das iranische Volk sich erheben, und Khomeinis Regierung in die Wüste schicken würde. - Tatsächlich kam es ganz anders: Die irakischen Truppen konnten nirgends einen Durchbruch erzielen, nach einigen Erfolgen von rein lokaler Bedeutung frassen sie sich fest. Nach und nach eroberten die Iraner die verlorenen Gebiete zurück und drangen schliesslich auf irakisches Gebiet vor. Mehrmals setzten die iranischen Verbände zum strategischen Stoss in die Tiefe an - mit Müh und Not, und auch nur durch den massiven Einsatz von chemischen Kampfstoffen, gelang es, die Einbrüche wieder abzuriegeln. Danach erstarrten die Operationen im wesentlichen zum blutigen Stellungskrieg, der von Ost und West geschürt wurde - perverserweise unterstützten beide Supermächte den Irak...

Wenn man berücksichtigt, dass Saddams Irak Ende der 70er Jahre der wohl engste Verbündete der Sowjets im Nahen Osten war, liegt die Vermutung nahe, dass Saddam Hussein aus Moskau ermutigt wurde, den Iran anzugreifen - die iranische KP hätte dann, im erhofften Zusammenbruch der Islamischen Republik, selbst nach der Macht ausgreifen können. Die Sowjets wiederum hätten von nun an die Erdölaorta in der Strasse von Hormuz nach Belieben zudrücken können.

Interessanterweise ging Saddam Hussein, der, obwohl Bündnispartner der Sowjetunion, nie viel vom Kommunismus hielt (Zitat: "Mir ist es egal, bei wem ich meine Waffen kaufe - mich interessiert in erster Linie, wozu man sie gebrauchen kann."), und als eine seiner ersten Amtshandlungen die KPI verbot, während des Golfkriegs mehrmals gegen (angebliche oder tatsächliche?) Verschwörungen kommunistischer Gruppen vor... - ein guter Schachspieler denkt bekanntlich mehrere Züge voraus... ;-)

Was übrigens kaum jemand weiss: Die UdSSR und der Schah unterzeichneten kurz nach dem 2. WK einen "Vertrag", welcher den Sowjets das Recht gab, aus einer ganzen Reihe von Gründen Truppen in den Iran zu entsenden. Insbesondere vepflichtete sich die Sowjetunion, die iranische Regierung "militärisch gegen Aufstände zu unterstützen", wenn sie von dieser um Hilfe ersucht würde (natürlich, kennt man ja aus einer ganzen Reihe andere Länder, wie das dann ablüft) und vor allem räumte Iran der UdSSR das Recht ein, im Iran von sich aus zu intervenieren, wenn es dort zu Unruhen käme, welche die Sowjetunion "bedrohten" (dies kommt der Sache wohl schon näher). Ebenfalls erhielt die Rote Armee Durchmarschrechte für Interventionen in anderen Ländern zugesprochen. Dieser "Vertrag" dürfte der Hauptgrund für die enge Anlehnung des Schah an die USA gewesen sein. Der Vertrag wurde nie offiziell gekündigt, ist also im Prinzip immer noch gültig.


>Mit einem Angriff auf den Irak würden die Amis m.E. ins offene Messer laufen,

Denke ich auch. Aber vor allem verfügen die USA dank Clinton gar nicht mehr über die Luft- und Seetransportkapazitäten, um einen zweiten "Desert Storm" aufzuziehen: Der Aufmarsch dauerte damals monatelang, und für die logistische Bewältigung musste eine grosse Anzahl Schiffe der Reserveflotte entmottet werden. - Unter Clinton wurden diese Schiffe aus "Spargründen" abgewrackt.


>aber auch wenn dieser Angriff ausbleibt, reichen die Zustände in den >Palästinensergebieten vielleicht schon aus, dass die westlich orientierten >arabischen Monarchien den Rückhalt in der Bevölkerung verlieren und es zu vom >Iran unterstützten Revolutionen kommt?

Die weitverbreitete Angst vor dem Iran teile ich nicht. Im Vergleich zu Saudi Arabien komme ich nicht umhin, den Iran zu den gemässigten Staaten der Region zu zählen. Der Iran könnte und müsste sogar ein natürlicher Verbündeter bei der Niederschlagung des kommenden Weltoktobers sein. Dazu wäre es allerdings notwendig, dass die USA sich in ihrer Nahostpolitik in erster Linie von der Gerechtigkeit, und nicht etwa von taktischen Überlegungen bezüglich den nächsten Wahlen, leiten lassen.

Gerade im Zusammenhang mit Saudi Arabien halte ich hingegen die von den Wahhabiten ausgehende Gefahr für sehr gross: Es handelt sich dabei um eine gefährliche Sekte, deren Lehren im wesentlichen mit denen der Taliban überinstimmen. In Saudi Arabien ist der Wahhabismus Staatsreligion. In der Öffentlichkeit setzt die saudische Religionspolizei die rigiden Vorschriften der Wahhabiten rigoros durch. - Andererseits darf als bekannt vorausgesezt werden, dass in den Palästen der saudischen Prinzen Korruption, Völlerei, Alkohol und Hurerei regieren. Diese Zustände erregen seit langem den Zorn der fanatischen Wahhabiten, zu denen namentlich auch Osama Bin Laden gehört. Die meisten Terroristen vom 11.9. waren Saudis, und von diesen wiederum stammte die Mehrheit aus dem zentralarabischen Oasengürtel des Nedjd. Die Menschen dort bekennen sich seit Jahrhunderten zu Mohammed ibn Abdul Wahhabs Lehren. Die Dekadenz der herrschenden Klasse ist den wahhabitischen Predigern seit langem ein Dorn im Auge, bislang konnte sich das Haus Al-Saud seine Herrschaft durch grosszügiges Verteilen von Petrodollars sichern. Seit die Erdöleinnahmen nicht mehr so üppig fliessen, wie früher, und weil Saudi Arabien Operation Desert Storm mittels Verschuldung finanziert hat, ist dies nicht mehr im gewohnten Mass der Fall. Gerüchteweise soll die Opposition sich seitdem vermehrten Zulaufes erfreuen. Mich würde es denn auch nicht erstaunen, wenn Al Quaida mittelfristig zum Schlag gegen die Familie Al Saud ausholen würde - im Gegenteil: Laut OBL's eigenen Angaben waren es zwei Dinge, die ihn zur Religion zurückführten - die Prasserei der saudischen Herrscherchicht, und die Anwesenheit von US-Truppen auf der Arabischen Halbinsel. Für beides ist das saudische Herrscherhaus verantwortlich...

Und noch etwas lässt mir in diesem Zusammenhang keine Ruhe: Als Saudi Arabien in den frühen 20er Jahren des letzten Jahrhunderts seine Eigenstaatlichkeit erklärte, war die UdSSR der erste Staat der Welt, der das Land anerkannte und diplomatische Beziehungen mit ihm aufnahm... Die Sowjets müssten sich demnach in Bezug auf den Wahhabismus gut auskennen, und ich vermute, dass irgendwann der Entscheid fiel, die religiösen Fanatiker der Ikhwan-Reiterei wieder aus der Mottenkiste der Geschichte hervorzuholen. OBL ist sich dessen frelich kaum bewusst - er ist subjektiv sicherlich wirklich davon überzeugt, den Willen Allahs zu tun.

>Würde das saudische Königshaus fallen, dann wären die 4 größten erdölfördernden Länder der Opec in anti-amerikanischer Hand.
>Kuwait, Katar und die Vereinten Arabischen Emirate wären wohl dann die nächsten Revolutionskandidaten?!

Bahrain und Oman kannst Du ebenfalls auf die Liste setzen: Die Ölemirate am Persischen Golf sind militärisch allesamt keinen Schuss Pulver wert. - Die Auswirkungen wären verheerend.

Es wird höchste Zeit, die Produktion synthetischen Benzins auf Braunkohlebasis wieder aufzunehmen. Dies wäre ohne grössere Schwierigkeiten machbar: Die Verfahren sind im Prinzip bekannt, wenngleich vermutlich noch verbesserungsfähig. Der einzige point de resistance liegt in der Mineralölsteuer. Was spricht also dagegen, synthetische Erdölprodukte auf Dauer ganz oder zumindest weitgehend von der Mineralölsteuer freizustellen...?! Die dann erzielbarenen Gewinne wären hoch genug, dass die Erdölmultis von selbst die Produktion aufnehmen würden. Ganz nebenbei würden tausende Stellen für langzeitarbeitslose Bergmänner geschaffen...

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