Der Sterndeuter und Seher Johannes Lichtenberger

Geschrieben von H.Joerg H. am 28. April 2002 03:06:05:

Schönen Sonntag allen!

Sozusagen um die Ecke meines Wohnortes (der Nahe-Hunsrück-Region) lebte einst einer, um den sich noch heute zahlreiche Mythen und Legenden ranken. Ich selbst wusste nichts von seiner Existenz, um so mehr war ich überrrascht, als ich am Samstag meine Regional-Zeitung aufschlug, und diesen interessanten Artikel entdeckte, und alsgleich neugierig in mich aufsog...:

STERNDEUTER IM DIENSTE DES KAISERS

Aus Grünbach bei Baumholder stammt der berühmte Seher Johann Lichtenberger, in Niederbrombach war er Pfarrer

Kaum einer kennt heute den Namen Johannes Lichtenberger (um 1440 bis 1503), doch zu Lebzeiten war der aus Grünbach nahe Baumholder stammende Lichtenberger ein so berühmter Astronom, dass er sogar im Dienste des Kaisers stand. Selbst der Reformator Martin Luther setzte sich mit seinen Weisssagungen auseinander.

KREIS BIRKENFELD. Zur selben Zeit vor 500 Jahren, als der sponheimische Abt, Theologe und "Erzzauberer" Johannes Trithemius mit seinen Büchern über Geheimschriften und Hexerei viel Aufsehen erregte, machte auch Johannes Lichtenberger von sich reden. Als Hofastrologe Kaiser Friedrichs III. war er im ganzen Abendland für seine präzisen Vorhersagen berühmt. Alte Schriften heißen ihn und : Das Dörfchen Grünbach bei Baumholder war sein Geburtsort; der Nachname leitete sich von der westpfälzischen Herrschaft Lichtenberg her.

FRIEDRICH III. war begeistert

Seine theologische und wissenschaftliche Ausbildung hat er wohl in Trier, Speyer und Heidelberg empfangen. Lange Zeit lebte er auch in Mainz, bevor ihm schließlich die Dorfpfarrei im heutigen Niederbrombach zugewiesen wurde. Noch der Straßburger Münsterprediger Kaspar Hedio, als er 1529 mit Ulrich Zwingli und anderen Reformatoren auf Burg Lichtenberg logierte, fügte seinem Reisebericht hinzu, sie seien in der Heimat des prominenten Sterndeuters gewesen.

Ein halbes Jahrtausend nach Lichtenbergers Kindheit zählte sein Geburtsort Grünbach 1939 zu den Dörfern, die bei Anlage des Truppenübungsplatzes Baumholder aufgegeben wurden. Dieses Schicksal seiner Heimat hat der Astrologe freilich nicht voraus gesehen. Johannes Lichtenbergers Lebenslauf und Werdegang ist rätselhaft bis zum Jahr 1468, als er durch die spekulative "Deutung" eines Himmelsphänomens schlagartig bekannt wurde.

Er beschrieb einen im Sternbild der Zwillinge erschienenen Kometen und stellte
verwegene Theorien über dessen vermeintliche Auswirkungen auf das irdische Leben und insbesondere die Politik auf. Damals war er bereits als Geistlicher in Amt und Würden. 1474 legte er unter dem Titel eine nächste ausführliche Abhandlung zu sternenkundlichen Themen vor, die vor allem Kaiser Friedrich III. beeindruckte. Denn wenig später durfte sich der Seher mit dem wohlklingenden Prädikat eines schmücken.

Der kaiserliche Astronom erntete auch Kritik: Um das Jahr 1490 häuften sich ermahnende und kritische Kommentare über die oft allzu plattitüdenhaften Prophezeiungen des Johannes Lichtenberger. Besonders starke Beachtung fanden solche Kritiken, wenn der stolze Hofastrologe mal wieder mit einer Vorhersage
grässlich daneben getroffen hatte. Seit den Jahren um 1475 - er hatte den "Kölnischen Krieg" (zwischen Friedrich III. und Karl dem Kühnen von Burgund) richtig vorhergesagt - als sein Ruhm am größten war, hatten sich außer Kaiser Friedrich auch mehrere bedeutende Fürsten von ihm weissagen lassen, muss die Fehlerquote seiner Ankündigungen dermaßen angewachsen sein, dass Lichtenberger
sogar seine geachtete und zuvor schier unanfechtbare Beraterstelle bei Hofe einbüßte.

Doch dank der Fürsprache einer Veldenzer Pfalzgräfin glückte es dem in Ungnade
Gefallenen wenigstens, um 1480 als Dorfgeistlicher im Hunsrückdorf Brombach unterzukommen. Gleichwohl führte er noch viele Jahre seinen Titel des .

Und auch als biederer Ortspfarrer "in den Wäldern" schwor Lichtenberger seiner Astrologie beileibe nicht ab, sondern setzte bis zu seinem Tod 1503 das Forschen, Experimentieren und Deuten beharrlich fort. "Er starb in Einsamkeit
und Verborgenheit, nachdem er sich durch seine Prophezeiungen viel Feindschaft zugezogen", schreibt der Heimatforscher Walter Haarbeck.


RICHTIG POPULÄR

Er traf die Stimmung

Was J. Lichtenberger so populär machte, lag darin, dass seine Ansichten und Deutungen die gesellschaftliche Grundstimmung des hohen Mittelalters spiegelten.
Die Menschen lebten damals dem vom Klerus beständig beschworenen nahen Ziel und Ende ihrer Geschichte entgegen. Der Zwiespalt von Heilserwartung und apokalyptischer Angst hatte auch den Seher ergriffen. Er verstand sich als Mahner, der noch kurz vor Eintreffen des Jüngsten Gerichts die letzten aller Dinge zu verkünden hatte.

Die astronomischen Mechanismen, den Gang der Gestirne und ihre Konjunktionen, glaubte er mithin wie einen kosmischen bzw. göttlichen Aufmarschplan vor der endzeitlichen Schlacht interpretieren zu können. Gleichwohl erschaute Lichtenberger aus den kosmisch vorgebahnten Leitlinien nicht nur die politischen
Hauptprobleme der Zeit, sondern auch die vergleichsweise geringfügigen Konflikte
seiner engeren Heimatregion. Insbesondere sorgte er sich um die Uneinigkeit der Erzbistümer Köln und Trier.


ALLES WICHTIGE VORHERGESAGT

Mit Lichtenberger beschäftigten sich auch Luther und Paracelsus

In seinem 1488 erstmals erschienenen und dann in rund fünfzig Auflagen verbreiteten Hauptwerk "Pronosticatio" rühmt der Astrologe sich als Experte, der bereits seit zwanzig Jahren alle wichtigen Ereignisse am Rhein und in Deutschland vorhergesagt habe. Schon lange vor der "Pronosticatio" hatten Lichtenbergers genaue Vorhersagen des pfälzischen Krieges von 1504 und der Bauernaufstände von 1524 seine Popularität begründet. Und nach 1475 machte auf den Jahrmärkten sogar ein neues Lied die Runde: "Zu Menz (Mainz) in der stat gut
sprach ein maister aus freiem mut. Das hat vor dreien jaren offenbar geweißaget einer von Menz für war, Johann Lichtenberger ist er genannt, in dem ganzen Reich wolbekannt. Der hat anfang und ende dises krieges gar behende besunnen mit guter zeit."

Wie berühmt der große Hellseher in den Jahrzehnten um 1500 war und wie sehr seine Thesen auch nach seinem Tod in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, belegt außer zahlreichen anderen Dokumenten die von Martin Luther kommentierte 1527 in Wittenberg erschienene Ausgabe der . Der Reformator sieht den Astrologen nicht etwa als einen "falschen Propheten" im biblischen Sinn: "Dieser Art ist Lichtenberger keiner, denn er berumt noch berufft sich nicht auff den heiligen geist."

Luther glaubte sogar, die vom Sternkundigen Lichtenberger gedeuteten Phänomene
der "Schwanztsterne", Sonnen- und Mondfinsternisse seien - "Zeichen, die Gott ym
hymel thut".
Doch zehn Jahre später befand er kurz und bündig in einer seiner Tischreden:"Prophetien dieser Art sind alle vom Teufel!"

"Gott straft in der Seel"

Auch Theophrastus Paracelcus hat sich ausgiebig mit der "Pronosticatio" beschäftigt und um 1530 eine Schrift mit 50 Seiten Umfang heraus gegeben: dem Seher darin zu, dass "der Historiographus auch sei ein Erfahrener der Geschichte des Himmels; denn die obern und untern Geschichten sollen zusammen vergleicht werden."

Der Chronist und Heimatforscher Walter Haarbeck hat die Wirkungsgeschichte Lichtenbergers charakterisiert:"Mit klarem Blick sah er die Verwirrung in Kirche
und Reich. Berühmt wurde er durch seine Prophezeiungen, die er seit 1465 ausgehen ließ, dass nach schweren Trübsalen, welche vor allem die Geistlichen und die weltliche Obrigkeit treffen würden. Er verlangt, dass alles Gesetz und Recht aus der Schrift, d.h. aus dem Evangelium, abgeleitet werde, und sagt, zu allen Gesetzen sei die Bewilligung des Volkes notwendig. Auch die Idee der Bauern, dass ihre Forderungen im Evangelischen stünden, stammt von Lichtenberger. So wurde er der erste Wortführer des Bauernaufstandes, und von dem Augenblick an wurde es nicht mehr ruhig."
(Texte Uwe Anhäuser)

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