Ethnobombe (viel Text)
Geschrieben von zSz am 09. April 2002 17:27:47:
Als Antwort auf: Re: ETHNO BOMBE ! geschrieben von Ghost am 09. April 2002 13:18:55:
Das genetische Schlachtfeld Israel bastelt an einer Biowaffe, die nur Araber töten soll. Behaupten Geheimdienstler. Unwahr? Undenkbar? Ein Report über die ethnische Genforschung, die irgendwann beides liefern könnte:
Medikamente und Bomben es klang wie eine Meldung aus Saddam Husseins Propagandaministerium: Israel sei dabei, eine Biobombe zu entwickeln. Gerichtet gegen die arabische Welt, speziell gegen das irakische Volk. Als Zeugen für diese Behauptung traten auf: anonyme Militärs; westliche Geheimdienste; ein israelischer Wissenschaftler, der seinen Namen nicht preisgeben wollte; das amerikanische Pentagon; ein Sprecher der Biokampfstofflabors im britischen Porton Down Die Sunday Times faßte zusammen: Wissenschaftler des Instituts für biologische Studien in Nes Ziona bei Tel Aviv seien Genmarkern auf der Spur, die nur in bestimmten. Übereifrige Forscher vergaßen bei der Suche nach seltenen Genen, die Betroffenen zu fragen. Daß Papua oder Hopi etwas dagegen haben könnten, ihr Erbgut in den Dienst des Fortschritts zu stellen, war den Wissenschaftlern nicht in den Sinn gekommen. Nun trat ihnen eine "Koalition indigener Völker" entgegen die in Gegenden des Nahen Ostens zu finden seien. Man arbeite unter strenger Geheimhaltung an Bakterien und Viren, die sich gezielt ins Erbgut von Arabern schleusen ließen. Dort könnten sie eines Tages punktgenau wirken. Ethnische Säuberung mittels Gentechnik, betrieben ausgerechnet von Juden - eine Horrorvorstellung. David Bar-Illan, Berater von Israels Ministerpräsident Netanjahu, ließ sofort wissen, die Nachricht sei nicht mal ein Dementi wert. War das Ganze nur ein besonders makabrer Scherz aus dem Schlapphutmilieu?
Unbestritten ist, daß die Forscher in Nes Ziona an chemischen und biologischen Kampfstoffen arbeiten. Bewiesen ist, daß Südafrika schon Anfang der achtziger Jahre an der Ethnobombe gebastelt hatte. 1999 beichtete der verantwortliche Wissenschaftler Daan Goosen der
Wahrheitskommission, man habe Teile der schwarzen Bevölkerung unfruchtbar machen wollen, allerdings ohne Erfolg. Seither hat die zivile Genforschung große Fortschritte gemacht - insbesondere beim Aufspüren individueller Merkmale des Menschen. Die gleiche Technik, die heute vor Gericht dazu dient, einen Straftäter zu überführen, eignet sich ebensogut zur
Durchleuchtung von Familienstammbäumen. Auch der nächste Schritt ist keineswegs Utopie: ganze Clans, ganze Stämme, ganze Völker unter die Lupe zu nehmen. Alles nur eine Frage des Aufwandes. Und tatsächlich sind die Wissenschaftler längst dabei.[PARA]Ein genetischer Weltatlas kann Territorialkämpfe schüren. Auf der ganzen Welt suchen sie, und zwar nach
Spuren historischer Völkerwanderungen, nach weiträumigen Verwandtschaftsverhältnissen, nach der Häufigkeit von Krankheiten, nach deren genetischen Ursachen und schließlich nach Medikamenten. Eine Art globaler Volkszählung schwebt ihnen vor, ein genetischer Weltatlas. Darin wäre das Erbe der Menschheit enthalten und, wer weiß, vielleicht sogar der Schlüssel für die Bekämpfung von Alzheimer, Aids und Krebs. Medikament oder Ethnobombe: Die Wege der Erkenntnis sind theoretisch dieselben. Wer die Krankheiten besiegt, kann, bösen Willen vorausgesetzt, Menschen besiegen. So ist der Zwilling der Heilserwartung die Schreckensvision. Für die modernen Biowissenschaften wäre die Genwaffe der Supergau. Sogar ohne Mißbrauch durch Militärs tun sich Abgründe auf. Die ganze ethnische Genforschung bringt ein Bündel von Problemen mit. Auf Island angelt der Genforscher Kári Stefánsson nach Auffälligkeiten im Erbgut seiner Landsleute. Für einen Pharmakonzern will er eine riesige Datenbank aufbauen. Dann wäre per Knopfdruck zu erfahren, wo die
Firmenforschung welches Gen finden kann sich: Die alte unselige Erbgesundheitsfrage. Wenn sich bei einzelnen Volksgruppen, Juden aschkenasischer Herkunft etwa, ein erhöhtes Risiko für
bestimmte Krankheiten feststellen läßt, heißt das nicht, daß sie irgendwie "schlechte Gene" haben? Besteht nicht die Gefahr der Diskriminierung? Und sei es bloß in Form höherer Krankenversicherungsbeiträge? Der neue Rassenwahn. Überall, wo ethnische Konflikte schwelen, könnten Gengutachten Stammeskriegern den Vorwand liefern, Minderwertigkeit in der Andersartigkeit zu sehen. Serbisches gegen kroatisches Erbgut, aserbajdschanisches gegen armenisches, Hutu gegen Tutsi? Volkshetze, diesmal auf dem Boden "objektiver
Genprofile"? ü Genetische Volkszählungen könnten Territorialkämpfe schüren. Die chinesische Führung hat ihren Anspruch auf die autonome Region Tibet schon mit dem Hinweis untermauert, Studien hätten enge Blutsbande zwischen Tibetern und Nordchinesen zutage gefördert. Auch die lang diskutierte Frage, wer die ersten Nordamerikaner waren, ließe sich so
beantworten. Wenn es vor 10 000 Jahren Europäer waren, die den Kontinent über die Beringstraße eroberten, wären dann die Ansprüche der Ureinwohner, der Eskimos und Indianer, hinfällig? Ungeklärte Eigentumsfragen. Gehört mein Gen eigentlich mir? Darf der Erfinder eines Genmedikaments das betreffende Gen patentieren lassen? Dürfen Pharmakonzerne dafür kassieren, am Ende gar bei jenen, denen sie ihren Fund verdanken? Der Häuptling der Onondaga bewacht die Gene seines Volkes. Mit all diesen Schwierigkeiten ethnischer Genforschung hatten die Gründer des Human Genome Diversity Project von Anfang an zu tun. Es wurde 1991 ins Leben gerufen, von Luca Cavalli-Sforza. Der heute 76jährige emeritierte Stanford Professor gilt als graue Eminenz seines Faches. Seit Jahrzehnten arbeitet Cavalli-Sforza an einer Enzyklopädie des Menschengeschlechts. Sein Lebenswerk wollte er
krönen. In der Fachzeitschrift Genomics schlug er vor, Blutproben möglichst aller lebenden Volksgruppen zusammenzutragen. Mit Hilfe einer Technik, die auch beim genetischen Fingerabdruck eingesetzt wird, wollte er die Daten auswerten. Auf diese Weise könnte rückwirkend der Stammbaum des Menschen konstruiert werden. Aus dem Stammbaum ließe sich dann die Häufigkeit erblicher Krankheiten ablesen. Aus beidem zusammen könnte man nach den bekannten Mendelschen Gesetzen die zugehörigen Gene finden und so eines
Tages vielleicht Medikamente und Therapien entwickeln. Cavalli-Sforza versah seinen Aufsatz mit einem Dringlichkeitsappell. Viele indigene Völker und Kulturen stünden kurz vor dem Aussterben. Die Resonanz war groß. Cavalli-Sforza und seine Mitstreiter kamen schnell an erste Forschungsgelder. Sie reichten für ein paar Workshops. Auf einem davon, 1992 in Pennsylvania, soll eine Stimmung geherrscht haben wie auf dem Basar: 50 Experten sollten innerhalb von drei Tagen entscheiden, von welchen ethnischen Gruppen ein Genprofil erstellt werden müsse - möglichst von "Urbevölkerungen", im Fachjargon "Isolate von historischem Interesse" genannt. Auch wenn manche Teilnehmer des Workshops sich so fühlten, als
dürften sie beim schwedischen Buffet nur einmal zugreifen, kam die Liste zustande. Die vom Aussterben bedrohten Volksgruppen standen ganz oben. Da fanden sich die 200 überlebenden Buschmänner der tansanischen Hadza neben den sibirischen Tschuktschen, die malaysischen Andamanesen neben den legendären Yukaghir. Mit dieser Liste ging der Ärger richtig los. Man
hatte im Übereifer schlicht vergessen, die Betroffenen zu fragen.
Daß Papua oder Hopi grundsätzlich etwas dagegen haben könnten, ihre Gene in den Dienst
des Fortschritts zu stellen, war den Forschern nicht in den Sinn gekommen. Jetzt mußten sie sich auf einmal mit einer "Koalition indigener Völker" auseinandersetzen. Aus den "historischen Isolaten" sprach ein eigenes, höchst lebendiges Interesse. Als "legalisierten Diebstahl" verurteilte der Kongreß der australischen Aborigines das Vorhaben. Der Häuptling der
amerikanischen Onondaga, Leon Shenandoah, schimpfte im Namen seines Volkes:
"Unethisch, feindlich und kriminell." Seither verabschiedet alle paar Monate irgendeine internationale Zusammenkunft eine Resolution gegen das "Vampirprojekt".[PARA]Widerstand regte sich auch in den eigenen Reihen. Der Anthropologe Jonathan Marks von der Yale-Universität prangerte an, das Human Genome Diversity Project stelle die falschen Fragen, provoziere die falschen Antworten, operiere fahrlässig mit dem Rassenbegriff, kurz und gut, die
Gelehrten hätten sich verhalten wie Halbstarke, die in der Garage mal eben einen Teilchenbeschleuniger zusammenbauen wollten. Von einer molekulargenetischen Analyse des menschlichen Stammbaums halten Humanwissenschaftler wie Marks ohnehin nicht viel: "Ich brauche keine Molekulargenetik, um zu wissen, daß die Dänen mit den Schweden näher
verwandt sind als mit den Irokesen. Und ob sie nun näher mit den Österreichern oder den Schweizern verwandt sind - das ist doch völlig irrelevant." Seitdem wird gestritten. Cavalli-Sforzas Vorschlag ist wie eine heiße Kartoffel von einem Ausschuß zum anderen, von einer
Ethikkommission in die nächste weitergereicht worden. Auf Island angelt der Genforscher Kári Stefánsson nach Auffälligkeiten im Erbgut seiner Landsleute. Für einen Pharmakonzern will er eine riesige Datenbank aufbauen. Dann wäre per Knopfdruck zu erfahren, wo die
Firmenforschung welches Gen finden kann Schließlich wurde der Plan vom amerikanischen National Research Council begutachtet. Dieses Gremium befand Ende 1997, man sei aus der Angelegenheit nicht recht schlau geworden, die Zielsetzung sei einfach zu vage.Grundsätzlich hält allerdings auch das National Research Council eine genetische Bestandsaufnahme der Menschheit für wünschenswert. Nur über das Wie gehen die Meinungen in der Fachwelt auseinander. Mehrere Modelle stehen zur Debatte. Eine total anonyme Erhebung. Sie hätte den
Vorteil, keine ethischen oder juristischen Debatten auszulösen. Sie wäre aber zugleich kaum aussagekräftig, denn man wüßte anschließend nur, wie verschieden die Menschen sind, nicht aber, wo und wie welche Gene zu finden wären. Geographische Erfassung. So könnte das Muster der Wanderungsbewegungen des Menschen nachgezeichnet werden. Allerdings würden heikle Abstammungsfragen berührt. Wanderten die Gründermütter und -väter der
japanischen Bevölkerung ursprünglich aus Korea ein? Kamen Chinas Pioniere in grauer Vorzeit aus Europa? War der berühmte amerikanische Kennewick Man, der vor 9000 Jahren lebte, ein Indianer oder ein Weißer? Und wer soll entscheiden, ob und gegebenenfalls an wem strittige Untersuchungen durchgeführt werden? Stämme, Völker, Nationen? Häuptlinge? Präsidenten?
Parlamente? Mancher Forscher würde gern zusätzliche Daten sammeln:
über Zugehörigkeit, Sprache, Geschlecht, Alter und Geburtsort. So könnte ein Bild entstehen, das zeigt, wie viele Untergruppen des Menschen es gibt, wo sie zu Hause sind, worin sie sich unterscheiden, was ihnen gemeinsam ist. Das wäre allerdings Munition für Ethnokrieger. Fehlinterpretationen wären wahrscheinlich. Denn die jeweiligen genetischen Unterschiede innerhalb einer Untergruppe können größer sein als die gemeinsamen Unterschiede zu einer
ganz anderen Untergruppe.[PARA]Forscher, die es gern perfekt hätten, möchten obendrein Hautfarbe, Körperbau und das gehäufte Auftreten bestimmter Krankheitsbilder erfassen. Dann könnten sie sich auf die systematische Suche nach genetischen Krankheitsanlagen machen. Die Anonymisierung der Daten wäre allerdings schwierig, einige Rechtsfragen blieben ungelöst, und die Gefahr von Diskriminierung wäre keineswegs gebannt. Unbeantwortet bleibt auch die
Frage nach der "informierten Zustimmung des Patienten": Nicht jedem Eskimo oder Buschmann dürfte klarzumachen sein, wozu er im einzelnen Blut spendet. Gleichwohl wird der informed consent in der medizinischen Forschung aus guten Gründen gefordert; er soll verhindern, daß an Hilflosen und Behinderten ohne deren Einwilligung medizinisch experimentiert wird.
Ein Dschungel von Problemen also. Einen Ausweg soll "Elsi" finden - das Kürzel steht für ethical, legal and social issues. Die sind damit natürlich nur benannt, nicht gelöst; und ideologische Fragen noch gar nicht berührt. Doch der Schatten läßt sich nicht abschütteln. Humangenetik und politischer Wahn gingen in diesem Jahrhundert schon einmal eine Allianz ein. Der Gedanke der Eugenik ist sogar noch älter; von der Einteilung der Menschheit in wertvolle und weniger wertvolle Rassen träumte im 19. Jahrhundert bereits der britische Naturforscher Francis Galton. Programme zur positiven Auslese, zur Zuchtwahl des Menschen waren in vielen Ländern populär. Bis Nazideutschland sich an die Umsetzung seines Wahnvorhabens machte. Eines der ersten Gesetze, die unter Hitler verabschiedet wurden, war
das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses". Für die Nürnberger Rassengesetze fand er wissenschaftliche Unterstützung bei den Professoren. Ethnische Forschung steht seitdem unter Generalverdacht. Ethnische Genforschung erst recht. Eine genetische Volkszählung läßt sich politisch mißbrauchen[PARA]Cavalli-Sforza weist jede Kritik empört von sich, nach der sein Projekt dem Rassismus Nahrung gebe. Prominente Mitarbeiter des Human Genome Diversity Project waren engagiert in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, sind öffentlich gegen Diskriminierung aufgetreten. Sie sind fest davon überzeugt, daß ihre Studie jedem Rassismus die objektive Basis entziehen würde. Einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen haben sie
vorgelegt: das "Modellprotokoll zur Sammlung von DNS-Proben". Es beschreibt, wie sich Wissenschaftler indigenen Völkern nähern sollen (mit Respekt), wie die Zustimmung der Betroffenen eingeholt werden kann (indem sie umfassend informiert werden), wie sie angemessen entschädigt werden könnten, wie die Vertraulichkeit der Daten zu gewährleisten sei. Nicht in allen Punkten, räumt der Autor Henry Greely von der Stanford School of Law ein, sei eine Lösung gefunden worden. An der Frage der Eigentumsrechte habe man sich
beispielsweise die Zähne ausgebissen. Und was den möglichen politischen Mißbrauch einer Genzählung betrifft: Davor sei niemand gefeit. Die Unesco hat sich ebenfalls Gedanken gemacht. Im November vergangenen Jahres verabschiedete sie eine Deklaration über das "menschliche Genom und die menschlichen Rechte". "Niemand", heißt es darin hochherzig, "darf wegen seiner genetischen Eigenschaften benachteiligt werden." Und weiter: "Das
menschliche Genom darf nicht dem finanziellen Profit dienen." Aber um die wichtige Frage des genetischen Copyrights macht auch die Unesco einen weiten Bogen. Daß Cavalli-Sforzas Human Genome Diversity Project noch eine große Zukunft hat, ist zur Zeit unwahrscheinlich. Jedenfalls nicht in seiner ursprünglichen Form. Das ist in gewisser Weise bedauerlich. Denn die Genjagd läuft natürlich weiter, auch ohne lästige Ethikkommissionen. So wie Darwin einst nach Galapagos segelte, um den Ursprung der Arten zu studieren, stöbern Genforscher, meist im Auftrag großer Pharmakonzerne, heute in den entlegensten Winkeln des Erdballs. Sie reisen bis nach Papua-Neuguinea, um der Frage nachzugehen, warum ausgerechnet die Angehörigen des Hochlandstammes der Hagahai resistent sind gegen ein Leukämievirus, das mit
dem Aids-Erreger verwandt ist. Auf den Philippinen hoffen Wissenschaftler, die Ursachen von Gaumenscharte und Wolfsrachen zu finden. Im indischen Westbengalen suchen sie nach erblicher Resistenz gegen Cholera. Mongolische Nomaden halten her für Studien über Anpassung an große Kälte. Und so fort. Dabei geht es bisweilen zu wie im Schlußverkauf: Wer zuerst kommt, sichert sich das schönste Stück. Zum Beispiel auf Tristan da Cunha, einem
Zipfel der Welt, den bestenfalls ein paar Hochsee-Segler kennen. Gäste begrüßt am Hafen ein Schild: "Welcome to the loneliest island in the world". Nicht, daß da sehr viele Gäste zu begrüßen wären. Tristan da Cunha liegt mitten im Südatlantik, in Höhe der sturmgepeitschten Roaring Fourties auf halbem Weg zwischen dem Kap der Guten Hoffnung und Südamerika. Einmal im Jahr, im Januar oder Februar, kommt ein Versorgungsschiff. Das ist es auch
schon, was die 300 Bewohner von Tristan da Cunha mit dem Rest der Menschheit
verbindet. Vor einigen Jahren erlebte Tristan da Cunha einen für dortige Verhältnisse ungewöhnlichen Ansturm von Besuchern. Und zwar deshalb, weil jeder zweite Inselbewohner an Asthma leidet. Nicht wegen des rauhen Klimas, sondern auf Grund von Veranlagung. Die hinterließ ein britischer Unteroffizier namens William Glass, der die Insel 1816 in Beschlag genommen hatte. Fast jeder Inselbewohner ist ein direkter oder indirekter Nachkomme. Das veranlaßte Noë Zamel vom Mount Sinai Hospital im kanadischen Toronto, die lange Reise in den Südatlantik auf sich zu nehmen. Er nahm viele Proben. Weil Asthma eine Krankheit ist, an der weltweit rund 100 Millionen Menschen leiden, blieb es nicht dabei: Die kalifornische Firma
Sequana Therapeutics schloß ein Abkommen mit der Universität von Toronto.
Davon hörte wiederum das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim. Die Deutschen kauften sich bei Sequana ein, mit 32 Millionen Dollar, und wollen die Summe "bei Erreichen gewisser Meilensteine" noch einmal verdoppeln. Deals in dieser Größenordnung sind inzwischen gang und gäbe. Noë Zamel fragt unbefangen: "Wo bekommt man heutzutage so einen Forschungsetat ?" Mit dem Geld von Boehringer und Sequana kann er die nächsten Asthmaexpeditionen planen.[PARA]Inseln sind wunderbare Fundorte für Genforscher. Auf Island angelt der Genforscher Kári Stefánsson nach Auffälligkeiten im Erbgut seiner Landsleute. Die leben seit Hunderten von Jahren zusammen und können ihre Vorfahren häufig bis zu Erik dem Roten zurückverfolgen. Obendrein gibt es auf der Insel ein zentrales Krankheitsregister. Kári Stefánsson, der in Harvard ausgebildet worden ist, zog einen 200 Millionen Dollar schweren Auftrag von Hoffmann-La Roche an Land. Jetzt will er 270 000 isländische Genprofile, Krankenakten und Familienstammbäume zu einer einzigen Datenbank vereinigen. Daraus ginge per Knopfdruck hervor, wo für das Pharmaunternehmen welches Gen zu holen ist. Demnächst will die isländische Regierung über ein entsprechendes Gesetz abstimmen lassen. Stefánssons Firma Decode Genetics plant derweil den Gang an die Börse. Die "Entrepreneure des Erbgutes" (Der Spiegel), allen voran der amerikanische Forscher und Multimillionär Craig Venter, machen keinen Hehl daraus, daß sie vor allem Geld verdienen wollen. Es gehe ihnen nicht um wissenschaftliche Erkenntnis, verkündet beispielsweise die
kalifornische Biofirma Incyte Pharmaceuticals, sondern nur darum, "die gesamte wirtschaftlich relevante Information abzufischen". Das Patentrecht weist dem Unternehmen den Weg. Rund 1500 Abschnitte menschlicher DNS sind inzwischen weltweit geschützt; im amerikanischen Patentamt warten weitere 350 Anträge inklusive einer halben Million DNS-Sequenzen auf Zustimmung. Viel Arbeit für Anwälte und Richter.[PARA]Präzedenzfälle gibt es schon. Eine
Zellinie, gewonnen aus dem Blut der Papua-Hagahai, wurde in den USA klammheimlich patentiert; erst nach lauten Protesten verzichteten die Forscher auf die kommerzielle Nutzung. Bekannt wurde auch der Fall John Moore. Der Getränkehändler aus Seattle bezeichnet sich inzwischen selbst als "lebende Goldmine", nachdem er erfahren hatte, daß sein Arzt aus seiner Milz eine Zellinie isoliert hatte, mit der sich ein Immunmittel für Krebspatienten herstellen läßt. Marktanalytiker, behauptet Moore, hätten den potentiellen Wert seiner Zellen auf drei Milliarden Dollar geschätzt. Gibt es ein Recht am Gen? Und wenn ja: Wem gehört es? Dem einzelnen,
der Familie, dem Stammesverband oder am Ende der Menschheit? Droht die Gefahr biologischer Ausbeutung ganzer Völker? Widerstand gegen die Genjagd gibt es bereits. Am besten organisiert ist er unter den Indianern Nordamerikas. Mitte Oktober 2000 fand in Montana ein indianischer Kongreß über "Kolonialismus und Biopiraterie" statt. Frank Dukepoo, einer der Sprecher, sagt: "Jahrhundertelang haben die Weißen uns wie Studienobjekte behandelt.
Anthropologen, Psychologen, Soziologen, praktisch alle. Davon haben wir jetzt genug. Diese Art von Helikopter-Wissenschaft, wo die Forscher schnell mal einfliegen und Blutproben nehmen, wird es mit uns nicht mehr geben." Frank Dukepoo stammt aus Arizona. Genauer gesagt, aus der Nähe von Oraibi. Dieser Flecken gilt als ältestes kontinuierlich besiedeltes Dorf der Vereinigten Staaten von Amerika. Es ist ein staubiger Ort in einer staubigen Prärie, und kein gastfreundlicher dazu. Nicht einmal Touristen sind hier willkommen, Kameras verboten, Tonbandgeräte unerwünscht. In Oraibi und zehn weiteren Dörfern auf den benachbarten Tafelbergen lebt das Volk der Hopi, und es möchte eigentlich nichts weiter, als in Ruhe gelassen zu werden. Die Hopi hatten stets genug an sich und ihren endlosen Tanzzeremonien. So konnte sich im Laufe der Zeit ein kompliziertes Verwandtschaftsmuster herausbilden.
Und ein auffälliges Merkmal. Jeder 200. hier hat weiße Haut. Albinismus heißt diese Störung des Pigmentstoffwechsels - sie wird vererbt. Frank Dukepoo ist ausgebildet worden in der modernen Welt, als Genetiker an der University of Northern Arizona. Seine Doktorarbeit schrieb er über den Hopi-Albinismus, wahrscheinlich war er der einzige Wissenschaftler, dem eine
solche Untersuchung überhaupt möglich war. Denn Blut oder Haare für Gentests
herzugeben - das paßte bislang schlecht zum indianischen Weltbild.[PARA]Bislang. Jetzt wird diskutiert. Und abgewogen. Frank Dukepoo will nicht ausschließen, daß der eine oder andere Indianerstamm bereit ist, seine Gene zu verkaufen. Haben doch selbst die fundamentalistischen Hopi vor Jahren einen Teil ihres Reservates verpachtet und leben jetzt von den Einnahmen des Kohleabbaus. Warum nicht auch im Erbgut schürfen? Allerdings nur unter gewissen Bedingungen: "Unser Erbgut", sagt Dukepoo, "gehört uns allen. Uns allen als Stamm, wohlgemerkt. Man wird sich sehr genau anschauen müssen, wonach die Wissenschaftler suchen. Was mit den Proben geschieht. Wer Zugang dazu hat. Was mit den Zellinien passiert, wenn das Forschungsvorhaben abgeschlossen ist. Vielleicht will der Stamm sie zurückhaben. Und schließlich: Wie soll der Profit aufgeteilt werden? Das alles muß klar geregelt sein.
- Genbombe nicht möglich Badland Warrior 09.4.2002 19:28 (1)
- Re: Ethnobombe (viel Text) Kamikatze 09.4.2002 17:55 (2)
- 12 Monkeys peacemaker2002 09.4.2002 19:24 (1)
- Re: 12 Monkeys Kamikatze 09.4.2002 19:28 (0)