Schrecklich wissenschaftlich!

Geschrieben von Descartes am 03. April 2002 22:22:38:

Bonsoir, mesdames et messieurs!

Weiter unten wurde die Begebenheit hinsichtlich der Löwin ja schon recht erschöpfend abgehandelt. Trotzdem noch ein paar Kleinigkeiten dazu:

Auf einfaches und verständliches Schema gebracht besteht das biologische System der gesamten Welt im wesentlichen aus zwei großen Gruppen:
den Produzenten und den Konsumenten (wobei auch abbauende Organismen zu den zweiten gezählt werden).

Produzenten sind in der Lage, aus anorganischen Verbindungen organische (Kohlenstoffverbindungen) aufzubauen. Dazu benötigen sie in der Regel Sonnenlicht, welches als wesentlicher Energielieferant für den Vorgang der Photosynthese dient. Seit geraumer Zeit weiß man, daß es auch ohne geht: bei den Schwefelbakterien am Meeresgrund etwa, die in der Lage sind, auch ohne jegliches Licht organische Moleküle zu bilden und die damit die Basis einer ganz eigenen Nahrungskette darstelen..

Von diesen Primärproduzenten (Bakterien, einzellige Algen, höhere Pflanzen) ernähren sich nun die Konsumenten, wobei diese wiederum in verschieden langen Nahrungsketten ihren bestimmten Platz einnehmen.
Konsumenten 1. Ordnung ernähren sich also immer von Produzenten (sind also herbivor), Konsumenten 2. Ordnung von solchen der 1., usw. (carnivore Ernährung).

Dabei ist die Länge solcher Nahrungsketten höchst unterschiedlich, man kann im Allgemeinen jedoch sagen, daß aquatische aus mehr Gliedern bestehen als terrestrische.

Relativ kurz ist die Nahrungskette in der afrikanischen Savanne.
Die Primärproduzenten (Gräser) werden von Pflanzerfressern konsumiert, welche wiederum als Nahrung für Großkatzen, hundeartige Raubtiere oder Vögel (als Aasfreser) dienen.

Wichtigste "Requisiten" von Pflanzenfressern sind neben dem speziellen Gebiß ungleich längere Verdauungstrakte als bei Fleischfressern, das Verhalten des Wiederkäuens (wie bei jeder Kuh) und auch eine eigene bakterielle Darmflora, die in der Lage sein muß, Zellulose (Hauptbestandteil pflanzlicher Nahrung) aufzuspalten und damit dem Organismus eines herbivoren Tieres überhaupt verfügbar zu machen.

All das fehlt aber bei Konsumenten höherer Ordnung!

Einen reinen Fleischfresser wie einen Löwen zu einem friedlichen Pflanzenfresser umzufunktionieren wäre also ungefähr gleich unmöglich, wie einen Jumbojet in einen Hubschrauber umzubauen!

Verhaltensstörungen kommen allerdings auch in freier Wildbahn immer wieder vor und um eine solche handelt es sich eindeutig auch hier!

Reaktionen erwachsener Tiere auf ein gewisses optisches Bild (Kindchenschema) von Jungtieren über Artgrenzen hinweg mögen ebenfalls manchmal vorkommen, sind jedoch in der Regel selten, ausgenommen beim Menschen.
Dieser findet Kleinkinder, aber auch andere Jungtiere mit gewissen optischen Merkmalen "niedlich", was bei ihm dann auch eine Art von Brutpflegeinstinkt auslöst. Auch Walt Disney hat ja bekanntlich erfolgreich auf diesen Effekt der Überbetonung kindlicher Merkmale bei manchen seiner Figuren ("Bambi") gesetzt.

Fallweise funktioniert das Kindchenschema aber auch wieder überhaupt nicht, nicht einmal innerhalb derselben Art, wie der genetische Egoismus von männlichen Großkatzen und auch Bären zeigt, die den bereits vorhandenen Nachwuchs eines Weibchens umbringen, um dann die eigenen Erbanlagen uneingeschränkt weitergeben zu können.

Eins ist jedoch der zugegebenermaßen völlig artuntypische Brutpflegeinsinkt einer Löwin gegenüber einem Beutetier niemals: etwas Esoterikbezogenes oder gar etwas, was auf die Veränderung eines topcarnivoren zu einem Pflanzenfresser hindeuten würde!

Friedlich dreinschauende Löwen neben wolligen Schafen gibt's nämlich nur auf den Werbebroschüren mancher Sekten.

Au revoir!





Antworten: