Wie Wahr wie Wahr..!

Geschrieben von peacemaker2002 am 26. März 2002 10:59:56:

"Die Exil-Opposition hat keine Basis in Irak"
Der Orientalist Aziz Al Kazaz warnt vor Illusionen

Martina Doering

BERLIN, 24. März. In der Nähe von Washington soll in dieser Woche ein
von der US-Regierung unterstütztes Treffen von rund 150 im Ausland
lebenden irakischen Dissidenten stattfinden. Das berichtet die saudi-
arabische Presse. Die ehemaligen Geheimdienstleute und Offiziere
wollen über Szenarien für einen Sturz Saddam Husseins beraten. Einige
der Teilnehmer wurden bereits zuvor als mögliche Kandidaten für
dessen Nachfolge genannt.

Aziz Al Kazaz, Mitarbeiter des Hamburger Orientinstituts, bezweifelt
in einem Gespräch mit der "Berliner Zeitung", dass die Exil-Opposition
nach einem möglichen Sturz Saddam Husseins die Führung des Landes
übernehmen könnte. "Diese Opposition besteht aus sehr vielen kleinen
Grüppchen. Sie haben keine Basis in Irak und verfügen auch nicht über
Verbindungen", sagt Al Kazaz, der selbst irakischer Abstammung ist.

Zudem lasse sich mit letzter Gewissheit noch nicht sagen, ob die USA
Irak tatsächlich angreifen werden, so Al Kazaz. Noch sei der Widerstand
der EU - mit Ausnahme der Briten - sehr stark. Aber auch die arabischen
Staaten und besonders die Partner der USA am Golf warnten vor den
Folgen eines Krieges. "Eines ist sicher: Das irakische Volk wird keine
Regierung akzeptieren, die ihm von außen aufgezwungen wird. Es wird
Widerstand geben und ein Chaos ausbrechen."

Als Beleg für seine Einschätzung verweist Al Kazaz auf Studien ameri-
kanischer Denkfabriken. In der Tendenz konstatierten die meisten
Experten, dass die Iraker nicht Saddam Hussein die Schuld an ihrer
Misere geben. Sie sähen ihr Elend als Folge des UN-Embargos gegen
Irak, sagt Kazaz. "In ihren Augen tut der Präsident alles, damit das
Embargo aufgehoben wird. Die Aufrechterhaltung der Restriktionen wird
nicht mehr der Regierung angelastet." Die Amerikaner gäben selbst zu,
dass sie sich mit einer Rückkehr von UN-Waffeninspektoren nach Irak
nicht zufrieden geben würden. Das Embargo solle erst nach einem Sturz
Saddam Husseins aufgehoben werden.

Vorwürfe, Irak stelle wieder Massenvernichtungswaffen her, stuft Al
Kazaz zumindest in Teilen als Vor-Kriegspropaganda ein. Selbst US-
Inspektoren hätten - bevor sie wegen einer Spionageaffäre des Landes
verwiesen wurden - bestätigt, dass Irak die Möglichkeiten, atomare,
biologische und chemische Waffen zu produzieren, reduziert oder zum
Teil gänzlich genommen worden seien.

"Das Regime in Bagdad ist keine Demokratie im westlichen Sinne",
sagt Al Kazaz. Doch es unterscheide sich darin nicht von Ländern
wie Ägypten, Saudi-Arabien oder anderen Golfmonarchien. Diese aber
arbeiteten eng mit den USA zusammen. Im Krieg zwischen Irak und
Iran hätte die "Schreckensherrschaft" Saddams die Amerikaner nicht
gehindert, mit Bagdad zu kooperieren. Damals sei Irak als säkulares
Regime, für die Gleichberechtigung der Frau, die Religionsfreiheit
und die Alphabetisierungskampagnen gelobt worden. Nach der Kuwait-
Krise sei dies dann vergessen gewesen.

"Für die irakische Bevölkerung ist klar", sagt Aziz Al Kazaz, "dass
es den Amerikanern nicht um die Einführung der Demokratie oder den
Schutz der Menschenrechte in ihrem Land geht - sondern um geostra-
tegische und wirtschaftliche Interessen."

Eine ähnliche Exil-Konferenz wie in dieser Woche in den USA ist
für Mai in Bonn geplant. Es wäre jedoch, sagt Al Kazaz, keine kluge
Entscheidung der deutschen Regierung, diese Konferenz stattfinden zu
lassen. Die deutsche Regierung könne auch kein Interesse daran haben,
sich an einer Militäraktion der Amerikaner gegen Irak zu beteiligen.
Deutschland genieße in den arabisch-islamischen Ländern und auch bei
der irakischen Bevölkerung großes Vertrauen. "Berlin würde dieses
politische Kapital gefährden", meint Al Kazaz, "ohne von den Ameri-
kanern eine Gegenleistung zu bekommen."

Berliner Zeitung
Montag, 25. März 2002


Antworten: