kennt jemand Fred Cuny?

Geschrieben von peacemaker2002 am 23. März 2002 01:35:40:

Der Mann, der versuchte, die Welt zu retten:

Das gefährliche Leben
und rätselhafte Verschwinden von Fred Cuny

"Er war ein körperlich großer Mann, nicht weil er laut gewesen wäre (er war ein stiller Mensch), oder rauh (er war zurückhaltend und empfindsam), sondern wegen der Intelligenz und Hingabe, die er ausstrahlte. Und diese Eigenschaften kamen einher mit einem wundervoll ansteckenden und schlauen Humor. Ich fragte ihn einmal etwa, was auf aller Welt ihn in Gang halte, und er beschwor eine Begebenheit von einer seiner frühesten Missionen herauf, in Biafra in den frühen Siebzigern, wo er hingegangen war, um als Pilot bei der Luftbrücke
auszuhelfen (er war damals 24 Jahre alt). An einem Tag, so erinnerte er sich, lenkte er sein baufälliges, voll beladenes Flugzeug raus auf die schlammbedeckte Startbahn und schickte dem Kontrollturm seine Anfrage um Starterlaubnis. "Warte, Red Cross Three", kam die Nachricht, "bis dieses nächste Flugzeug gelandet ist." Während er jenes Flugzeug in der Ferne im Landeanflug beobachtete, bemerkte er, wie einer seiner Motoren Rauch rauswarf. "Dann sah ich einen weiteren Feuer fangen", erinnerte er sich, "und dann einen dritten und schließlich
alle vier. Die Maschine stolperte in Richtung Landebahn, kippte und kam krachend auf die Piste, brach auseinander und in Flammen aus, eine Schicht von kochendem Feuer, die dicht neben meinem leerlaufenden Flugzeug vorbeiraste, den Rest der Landebahn lang. Da kam über unsere Kopfhörer die rauhe Stimme des Tower: 'Also, Red Cross Three: Start genehmigt.'
Nichts blieb stehen, man machte einfach weiter - und das ist's ziemlich genau, was Du machst: ... einfach weiter."

"Tschetschenien ist der beängstigendste Ort, an dem ich jemals war." Aber dann endete Cuny -weil er Cuny war- seine erschreckende Aufzählung mit den beiläufigen Worten: "Also, natürlich mußte ich wieder hin." Er war damals (1995) erst 50 Jahre alt." Zurückgekehrt ist er nicht mehr. ... In seinem Leben hat er buchstäblich Zehntausende, wahrscheinlich Hunderttausende Leben gerettet.

aus Lawrence Weschler, Life and Death of a Hero, New York Review of Books, 2. Dezember 1999)


Fred Cuny entwickelte sich zum Experten im Erfinden von neuen Arten von Hilfsmissionen. Seine revolutionäre Erkenntnis war, daß er Katastrophen als
Möglichkeiten erkannte, als Chancen für Gesellschaften, sich neu zu bilden. Besonders die Ärmsten können neue Handlungsspielräume und -möglichkeiten in sich
entdecken. Konventionelle Hilfeleistungen, z.B. mit Nahrungsmitteln, können die einheimischen Bauern in den Bankrott treiben und damit dem Land eine neue
Katastrophe zufügen.

Er hatte umfassende Kentnisse im Bauwesen, der Wasserversorgung, der Medizin und jeder Art von Transportmitteln. Er hatte genialen Einfallsreichtum, z.B. hat er
in einer Gegend Äthiopiens eine Hungersnot vermieden durch eine Manipulation des Wechselkurses in einem mehrere hundert Kilometer entfernten Handelsort.

Cuny's Organisation, International Technical Consultants in Emergency Management (Intertect), zog den Investment-Banker und Philanthropen George Soros an. Er
hat Intertect für fast ein Duzend Projekte in Osteuropa angestellt, angefangen von der Aufsicht über die Rehabilisierung der Schulen in Albanien bis zu einem
Brennstoff-Hilfsprogramm in Mazedonien. Auch die UN hatte Intertect einen Vertrag zur Beurteilung von Katastrophen-Hilfsprogrammen in Bangladesh übertragen.

Soros vergibt Hunderte Millionen von Dollar, nicht nur um gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu beeinflussen. Er -wie Fred Cuny- empfindet die Verpflichtung, Gesellschaften zu
verändern (G. Soros, Who lost Russia, New York Review of Books, April 13, 2000: "The collapse of the Soviet empire in 1989 and the Soviet Union in 1991 offered a historic opportunity
to transform that part of the world into open societies; but the Western democracies failed to rise to the occasion and the entire world has to suffer the consequences." ). Er hat in
Rußland eine Foundation gegründet, die die Wissenschaften und Universitäten fördert.

Hier sind einige wenige Stationen von Cuny's Leben:

1969: Biafra
Im Sommer 1969, mit 24 Jahren, besucht er die westafrikanische Nation Dahomey, die Basis für die Luftbrücke nach Biafra.
1970: Bangladesh
Er arbeitet mit bei Hilfsprojekten nach einem der tödlichsten Wirbelstürme der Geschichte.
1976: Guatemala
Er stellt schnell fest, daß die Hilfe, die Guatemala braucht, Reparatur der Straßen ist, sodaß die nicht verwüsteten Landesteile beim Wiederaufbau helfen können. Das würde die Wirtschaft der ganzen Region verbessern. Diese Arbeiten mußten so vielen Menschen des Landes dringend notwendige Arbeit und Ausbildung geben wie möglich. Erdbeben sind häufig in diesem Land, weshalb es solche einheimischen Fachkräfte auf Dauer braucht.
Ebenso brauchen die Menschen Häuser, die zukünftigen Erdbeben besser widerstehen. Cuny und seine einheimischen Berater entwickeln Muster dafür,
einige kann man leicht auf- und abbauen und damit in entlegene Dörfer tragen.
Nachdem das Program anfänglich ein Riesenerfolg zu versprechen scheint, entwickelt sich daraus eine neue Generation von einheimischen
Führungspersönlichkeiten, Verfechtern eines autonomen Lebens, einer Selbstverwaltung, die das dortige Machtgefüge bedroht. Dieses hinwiederum
bildet Todesschwadrone gegen sie aus. Es folgen erschreckende Massaker, die Cuny veranlassen, in Zukunft politisch vorausschauender vorzugehen,
sich besser der möglichen Opposition bewußt zu werden.
Winter 1991: Kurdistan
1/2 Million Kurden fliehen vor Saddam Husseins Truppen in die Wüste. Innerhalb von 2 Monaten blufft er -im Kontakt mit dem US-Außenministerium,
aber ohne dessen Genehmigung- die irakischen Truppen aus dem Land und führt die Kurden zurück. Somalia Er empfiehlt den USA (der Bush-Regierung) und den UN, sie sollen ihre Hilfsbasen auf dem Land errichten, die Städte den einander bekämpfenden Warlords überlassen. Diese ländlichen Friedenszonen würden ins ganze Land ausstrahlen.
Sarajevo Mit einem Abzweig von der serbischen Gasleitung nach Belgrad baut er eine Gas-Versorgung in Sarajewo auf. Zehntausende können wieder Heizen
und Kochen, ohne beim Suchen nach Brennmaterial in Hinterhalte zu laufen.
Er läßt in Texas eine 200 m lange Wasseraufbereitungsanlage herstellen, einfliegen und in einem Straßentunnel zusammensetzen. Damit kann er einen
großen Teil der Stadt mit Trinkwasser versorgen. Aus Untätigkeit der bosnischen Regierung gegenüber Korruption (z.B. dem Handel mit Trinkwasser)
wird die Anlage erst Monate nach ihrer Fertigstellung angeschaltet.
März 1995: Cuny's International Crisis Group (IGC) steht kurz vor der Gründung
IGC ist eine Beratergruppe, zusammengesetzt aus einigen der Welt fähigsten Experten auf dem Gebiet der humanitären Hilfe, die unabhängige
Untersuchungen durchführen würden in Gegenden, wo Unglück sich anbahnt. Sie würden den USA, der UN und privaten Hilfsgruppen berichten, um
vorbeugendes Eingreifen zu koordinieren. Im ICG Steuerkommittee war eine beeindruckende Reihe internationaler Persönlichkeiten versammelt,
darunter Desmond Tutu, Elie Wiesel, George Soros.
1995: Tschetschenien
siehe auch Frederick C. Cuny: Killing Chechnya, New York Review of Books; Apr 6, 1995


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