Untoter Kommunismus in Rumänien
Geschrieben von another am 01. März 2001 02:45:37:
Rumäniens Geheimdienst Securitate ist lebendige Vergangenheit
Bukarest (dpa) - Der unter Rumäniens Diktator Nicolae Ceausescu gefürchtete Geheimdienst Securitate ist gut elf Jahre nach der Wende lebendige Vergangenheit. Erst jüngst zeigten die regierenden Exkommunisten von Präsident Ion Iliescu, dass sie zu den Kadern der damaligen Geheimpolizei ein zumindest lockeres Verhältnis haben. Offiziere, die im früheren kommunistischen Spionagedienst aktiv waren, wurden jetzt in bedeutende Ämter befördert. Unterdessen kämpft die neue Behörde zur Aufarbeitung der Securitate-Akten (CNSAS) mit schwachen Waffen dafür, dass die Bürger die Wahrheit erfahren.
Die Öffentlichkeit bewegt vor allem der Fall Ristea Priboi. Ausgerechnet dieser Ex-Offizier des Spionagedienstes DIE wurde Chef des parlamentarischen Kontrollausschusses für den jetzigen Auslandsgeheimdienst SIE. Er hatte seine frühere Tätigkeit selbst eingestanden, seine Partei der Sozialen Demokratie (PDSR) wusste seit langem davon. Und Ministerpräsident Adrian Nastase ließ liberale Parlamentarier abblitzen, die Pribois Absetzung mit dem Hinweis verlangten, dessen Berufung könne Zweifel an euro-atlantischen Optionen aufwerfen. Rumänien will Mitglied der Europäischen Union und der Nato werden.
Zweifel am Ernst dieser Absicht erregt auch die Vergangenheit von Tudor Tanase, dem neuen Chef des Dienstes für Spezielle Telekommunikation (STS). Tanase soll ebenfalls DIE-Offizier gewesen sein. Aufgabe des STS ist es, für Politiker abhörsichere Telefone zu schaffen und Abhörmaßnahmen bei strafrechtlichen Ermittlungen zu organisieren.
Derweil sitzt Gheorghe Onisoru in einem winzigen Büro nahe dem Regierungssitz in Bukarest. Der 37-jährige Historiker und weitere zehn Mitglieder des "Nationalen Rats zur Erforschung der Securitate- Archive" (CNSAS) müssen sich gegen massive Kritik wehren. Sein Amt soll unter anderem Bürger über die mögliche Securitate-Vergangenheit von öffentlichen Amtsträgern informieren. Jetzt steht eine gerichtliche Klage ins Haus, weil der CNSAS einen Politiker der Ungarn-Partei UDMR als Kollaborateur der Securitate bezeichnet hatte ohne zu erwähnen, dass er auch Verfolgter des kommunistischen Regimes war.
Der CNSAS kann offensichtlich kaum der Vergangenheitsbewältigung dienen, weil er keine gesetzliche Handhabe gegen frühere hauptberufliche Angestellte der Securitate hat. Diese kommen in den Karteien nicht als Mitarbeiter vor, anders als die schätzungsweise 400 000 bis 700 000 Normalbürger, die aus diversen Gründen der Securitate geholfen haben. Verschont vor Enthüllungen bleiben auch weitgehend Ex-Mitglieder der Kommunistischen Partei. Etwa 100 000 ihrer Akten wurden bereits in den 70 er Jahren gezielt vernichtet.
Mit nur 200 Mitarbeitern - wenig im Vergleich zu den mehr als 3 000 der deutschen Gauck-Behörde - hatte der CNSAS vor den Neuwahlen im vergangenen Herbst binnen vier Wochen mehr als 4 000 Parlamentskandidaten überprüft und 38 als Kollaborateure entlarvt. Jetzt sieht Onisoru ein, dass seine Behörde ihre Bescheide über die Überprüften klarer formulieren muss, um Missverständnissen vorzubeugen. Bisher hat der CNSAS die Betroffenen entweder als "Kollaborateure ersten Grades" (schwere Fälle) und "zweiten Grades" (minder schwere Fälle) bezeichnet. Als Kriterium gilt, ob der Betreffende ein Instrument der "politischen Polizei" war.
Besser wäre es nach Meinung von Onisoru, in jedem Fall die komplette Geschichte bekannt zu geben: Ob jemand etwa unter Zwang eine Verpflichtungserklärung unterschrieben habe und ob jemand Opfer und Täter zugleich war. Er beklagt auch, dass seine Behörde mangels geeigneter Räume keinen direkten Zugang zu den Securitate-Akten hat. Sie lagern in verschiedenen Archiven. Dabei ist Bukarests Bürgermeister Traian Basescu gesetzlich verpflichtet, dem CNSAS ausreichend Räume zu geben. Warum tut er es nicht? "Basescu kümmert sich lieber um das Einfangen der Straßenhunde", sagt Onisoru und lächelt.