Der Papst bald im Rollstuhl ?

Geschrieben von Mat72 am 06. März 2002 15:01:48:

News Ticker
6. März 2002, 14:55

Sorge im Vatikan: Muss der Papst in den Rollstuhl?

Rom (dpa) - Wie Johannes Paul II. die langen Wandelgänge im Vatikan bewältigt, ist eines der am besten gehüteten Geheimnisse des Kirchenstaates. Predigt der Papst im Petersdom, lässt er sich auf einem rollenden Podest zum Altar schieben. Jeder Schritt bereitet ihm Qualen. Doch jetzt hat eine neue Phase begonnen: Akute Gehprobleme haben den 81-Jährigen jetzt gezwungen, reihenweise Termine abzusagen. «Der Vatikan bereitet die Welt auf einen Papst im Rollstuhl vor», kommentiert ein Insider am Mittwoch. Undenkbar ist das nicht.

Offiziell spricht der Kirchenstaat von Arthrose im rechten Knie. Doch da der Vatikan bislang nicht einmal die Parkinson-Krankheit offiziell bestätigt, ist Skepsis angebracht. Seit zwei Wochen besucht der sonst so zähe Pole keine römischen Pfarreien mehr, am Mittwoch ließ er gar eine Generalaudienz ausfallen. «Jetzt wollen sie ihn zwei Wochen in seinen Privatgemächern einsperren», kommentiert ein Theologe. Selbst Kardinäle, Bischöfe und Staatsoberhäupter, die den Papst sehen wollen, müssen mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock des Apostolischen Palastes hinauffahren.

Seit Monaten zirkuliert in Rom die Möglichkeit des Rollstuhls als letzte Rettung. Das wäre zwar für das Publikum «gewöhnungsbedürftig», heißt es in Rom. «Aber den Papst würde es von seiner Mission nicht abhalten.» Schon seit Jahren sind seine Reisen so angelegt, dass er nie mehr als ein paar Schritte zu Fuß gehen muss. «Jetzt werden sie seine Reisen wohl bald rollstuhlgerecht anlegen müssen.»

«Aber die entscheidende Frage lautet: Ist es nur das Knie?», kommentiert ein Journalist in Rom. Immer deutlicher wird der gesundheitliche Verfall des Polen, immer weniger lässt sich das Problem verleugnen. Die Parkinson-Krankheit ist so weit fortgeschritten, dass die Artikulation des Papstes fast nicht mehr verständlich ist. Auf seiner bisher letzten Reise in die armenische Hauptstadt Eriwan im September waren Messebesucher derart schockiert, dass sie unumwunden zugaben, sie hätten die Papst-Predigt schlichtweg nicht verstanden.

Zeitweise wirkt der Pontifex wie geistig abwesend. Längere Termine kann er kaum noch durchhalten, er nickt ein; eine Folge der Medikamente gegen Parkinson. «Wer führt im Vatikan wirklich?», fragen sich viele immer häufiger und immer offener. Kaum denkbar, dass der geschwächte Johannes Paul alles unter Kontrolle hat. Als einer der mächtigsten Männer, die das Vakuum füllen, gilt der streng konservative deutsche Kardinal Joseph Ratzinger.

Das Problem: Je schwächer und gebrechlicher der Papst, desto mehr neigt der Vatikan zur alten Geheimniskrämerei. «Il papa è stanco» (Der Papst ist müde) streuen die Offiziellen, wenn es wieder mal schlecht steht; eine Floskel, die beruhigen soll. Jeder weiß: Parkinson ist unheilbar und führt zum körperlichen Verfall. Doch die missliche Frage, was dann werden soll, ist im Kirchenstaat tabu.

Als der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Karl Lehmann vor Jahren die kirchenrechtliche Möglichkeit eines Papst-Rücktritts auch nur vage andeutete, reagierte der Vatikan indigniert. Dabei wird hinter vorgehaltener Hand über Nachfolger längst fleißig spekuliert; nur eben niemals in der Öffentlichkeit. «Wenn er keine Messe mehr halten kann, tritt er zurück», meint ein Papst-Kenner. Doch viele halten das für eher unwahrscheinlich. Es heißt, dieser Papst wolle im Amt sterben.

Vollends pikiert verfolgten die Vatikan-Offiziellen unlängst einen anderen Tabubruch eines US-Journalisten. «Es gibt keinen Mechanismus, um einen Papst zu ersetzen, wenn er chronisch verwirrt, senil oder im Koma ist», beschrieb die Zeitung «International Herald Tribune» das Problem, über das Kardinäle, Bischöfe und Prälaten geflissentlich schweigen. Niemand in Rom wagt, solche Fragen auch nur zu stellen.

«Medizinisch ist der Papst ein Pflegefall», meinte ein Theologe jüngst. Doch kein Zweifel herrscht: Der Papst will weiter dienen, ganz gleich wie schwer ihm die Qual wird. «Aufgeben wird er nicht, auch nicht im Rollstuhl.» Als nächste Herausforderung stehen die körperlich anstrengenden Osterfeiern, unter anderem mit dem Kreuzweg am Karfreitag und dem Segen Urbi et Orbi, ins Haus. Auch weitere Reisen sind geplant: Nach Bulgarien, nach Aserbaidschan, nach Kanada, in die polnische Heimat.


06.03.2002 14:16 MEZ

index zurück weiter



Antworten: