Auch ein paar Kommentare

Geschrieben von franke43 am 27. Februar 2002 14:29:01:

Als Antwort auf: Re: Von Neurosen und alten Feindbildern geschrieben von Templar am 27. Februar 2002 10:41:25:

Hallo Templar

>Hier fühle ich mich persönlich angesprochen. Bin zwar erst 69 geboren, schätze >mal als 68 gehe ich kanpp nicht mehr durch. Aber man könnte die Unterteilung >auch ganz anders vornehmen. Eine Gruppe die vom WKII und dem Kalten Krieg >immer noch dermassen geprägt sind, dass alles westlich von Wien bereits zum >Reich des Bösen gehört. Die Russen werden dämonisiert, als kriegslüsterne >Volksmasse dargestellt die seit Jahren sabbernd darauf wartet bis sie den >Westen das gelobte Land endlich brandschatzend heimsuchen können. Die Hälfte >der Bevölkerung besteht aus getarnten Septznaz-Einheiten und der Feind hört >selbstverständlich überall mit, im Aldi sowieso. In guter alter >Kriegertradition wird nicht mehr von Menschen geredet sondern von >gesichtslosen Feinden mit barbarischen Absichten.....zum schämen ehrlich....

Um es mal so zu formulieren: die Russen sind ein altes Kulturvolk mit
kulturellen Leistungen auf höchstem Niveau, das unterscheidet sie von
den US-Amerikanern. Nichtsdestotrotz hat sich dieses kultivierte Volk
in den Weltkriegen 1+2 zu barbarischsten Kriegsaktionen benutzen lassen:

Im 1. Weltkrieg von Anfang an als Angreifer, dann mehr und mehr in
der Defensive. Oberster Kriegsherr war der Zar.

Im 2. Weltkrieg erst 1939 als Angreifer und Mittäter (Polen, Finnland),
dann in der Defensive 1941-42, dann wieder in der Offensive, allerdings
zunächst in Verteidigung des eigenen Territoriums.

Ebenso hat das russische Volk auf Befehl seiner Führung - weisse oder
rote Zaren - mehrere andere Angriffskriege geführt, gegen die Türkei
(mehrere einschl. Krimkrieg), gegen Afghanistan (ach ja), gegen Polen
(polnische Teilungen), gegen Schweden und Finnland (1700-1721, 1808/9).
Um nicht die Eroberung Sibiriens, des Baltikums, Kasachstans, der
innerasiatischen und der Kaukasusprovinzen zu vergessen. Also Eroberungen,
die zum grossen Teil wieder verlorengegangen sind.

Genau wie das deutsche Volk hat auch das russische sich wiederholt zu
umfassenden Kriegen mit Angriffs- bzw. Eroberungscharakter benutzen
lassen. Und das trotz hochstehender Kultur. Eben auch ein Volk der
Dichter und Denker, das sich unter einer rücksichtslosen Führung
schnell in ein Volk der Richter und Henker verwandelt.

Insofern ähneln sich beide Völker, das russische und das deutsche.

Und wieder mal scheint das russische Volk "Pech" mit seiner Führung
zu haben, wie schon früher so oft. Putin ist de facto bereits Diktator,
allerdings auf dem Umweg der demokratischen Wahl zu seiner Stellung
gekommen. Er ist als Regierungschef wesentlich besser legitimiert
(noch) als seinerzeit Hitler und Stalin.

Bei den russischen Eliten zeigt sich immer wieder mal ein militanter
Drang nach Westen. Das hat mit Peter dem Grossen angefangen und ist
während des kalten Krieges unter der Rubrik "Befreiung der Arbeiter-
klasse" offizielle Militärdoktrin gewesen.

>Ich schätze mal keiner von euch Paranoikern hat auch nur einen gebürtigen >Russen in seinem Bekanntenkreis, geschweige denn dass er Leute in Russland >kennt oder Infos von vor Ort bekommen kann... So wie ihr über das russische >Volk als solches herzieht, ohne jede Relativierung, ist schon fast der >Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt..

Wer sagt denn, dass wir über Wanja, Sascha und Aljoscha herziehen ?

>Was würdet ihr wohl davon halten wenn >russische, britische, belgische und >schwedische Menschen heute noch von der latenten Gefahr eines deutschen >Rückfalls in totalitäre Zeiten schwadronieren würden? (was zumindest hinter >vorgehaltener Hand hie und da in Frankreich und England durchaus zu hören >ist...)

Halten die Engländer da wirklich eine Hand vor ? Für die ist doch
jedes Fussballländerspiel Deutschland/England eine Miniausgabe
des 3. Weltkriegs, wie mir erst vor Tagen unser Engländer Michael
Morris erzählt hat. Auch hier in Schweden hört man (selten) so
Zwischentöne raus. Obwohl Schweden nie deutsch besetzt war, sondern
nur umgekehrt (1630-48).

>Völlig unmöglich? Ich dachte es geht hier darum das unmögliche zu denken und >derartige Szenarien in Betracht zu ziehen? Also?

Unmöglich ist keine Kategorie der Weltgeschichte. Das hat schon
Napoleon gesagt, der das Wort aus dem Wörterbuch streichen wollte.

>Noch so ein paar unmögliche Szenarien: Die USA, manche hier sehen sich ja >automatisch schon wieder im Alliertenverbund ("...diesesmal stehen wir aber >auf der richtigen Seite!") klinken völlig aus. Kümmern sich weder um Europa >oder sonstwen und ziehen ihr Ding unbarmherzig durch. Plötzlich sieht sich >Europa Seite an Seite mit den Russen im Versuch den amerikanischen Alleingang >aufzuhalten....

Weit hergeholt, aber der erste Teil - der rücksichtslose Alleingang
der John-Wayne-Amis - wäre schon denkbar.

>oder wie wäre es damit...Russland wird von China angegriffen, da die USA >mittlerweile beste Handelsbeziehungen mit den Chinesen unterhalten bittet >Russland die Europäer um Hilfe...ihr sprecht von unwahrscheinlichen Szenarien?

Die Chinesen wollen aber erst Taiwan zurück.

>Phantasielos seid ihr, noch immer behaftet in alten Weltbildern wo Freund und >Feind schön säuberlich in Ost und West zu trennen sind...das war damals schon >falsch und heute ist es das erst recht!

Das stimmt jetzt wirklich nicht. Auch der Nord-Süd-Gegensatz, der
ausser religiösen auch wirtschaftliche Gründe hat, wird hier
durchaus berücksichtigt.

>mfg
>Templar (Abteilung: Suche mir jetzt mal ein paar russische Brieffreunde...)
>
>......ach ja und wenn ich deswegen jetzt ein Troll bin, dann herzlichen Dank! >Mit denen habe ich mich schon in Island prächtigst verstanden...jetzt wird >auch schon das Elementarreich diffamiert....

Wie heisst es so schön bei Ibsen:

Mann - vaer deg selv

und

Troll - vaer Deg selv - NOK


Erklärung nur auf Wunsch, wäre recht viel Text.

Gruss

Franke 43
Abtlg. Trolle und Huldren


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