Für die Stärkung des russischen Staates - Neue Informationen meines Freundes

Geschrieben von Backbencher am 25. November 2005 13:31:45:

Für die Liebhaber der russischen Langzeitstrategie ein Artikel meines 'russischen' Freundes:

Der Ministerpräsident und die Prinzessin mit dem Orden der Geheimpolizei

Wahrscheinlich hätte ich nie die komische Mittelung in der Boulevardzeitung gemerkt, wenn mich nicht ein überraschter deutscher Kollege nach dem Sinn der Sache gefragt hätte. In der Meldung hieß es, die Prinzessin Maja von Hohenzollern habe die höchste gesellschaftliche Auszeichnung Rußlands erhalten. Den Orden „Peter der Große“ habe ihr eine gewisse russische Akademie für Sicherheit mit Sitz in Moskau verliehen.

Das ganze klang zuerst wie ein Scherz – was sollte das heißen – ein gesellschaftlicher Orden und auch noch „der höchste“? Zu Beginn der 90-er Jahre sprossen in Rußland eine Menge „Akademien“ aus dem Boden. Sie haben die eigenen Mitglieder und viele, die es begehrten mit Auszeichnungen, mit wissenschaftlichen und akademischen Titeln bedacht, so daß es in Rußland in den letzten Jahren eine wahre Schwemme an Dr.sc. gegeben hat.

Allerdings werden die Auszeichnungen von gesellschaftlichen Organisationen wohl kaum Orden genannt. Ein Orden ist eine staatliche Auszeichnung. Und wenn es um die „höchste gesellschaftliche Auszeichnung Rußlands“ geht, so muß dann auch die verleihende Organisation „die höchste gesellschaftliche Organisation“ im Lande sein? Fragen über Fragen…

Ohne allzu starkes Interesse bin ich also ins Internet getaucht und kam von dem Gefundenen einfach nicht mehr weg. Die Akademie erwies sich als eine äußerst interessante Einrichtung.

* * *

Der Name dieser seltsamen russischen gesellschaftlichen Nichtregierungsorganisation von der ich erzählen werde, klingt in voller Länge so: „Akademie zu Fragen der Sicherheit, der Verteidigung und der Rechtsordnung“ (ABOP). Präsident der Akademie ist der General des KGB Viktor Schevchenko, ehemals Chef der Spionageabwehr der strategischen Raketenstreitkräfte. Die meisten der zahlreichen Vizepräsidenten sind ebenfalls Generäle des KGB-FSB oder der Polizei.

Die Akademie ist 1999 zeitnah zu Putins Amtsübernahme gegründet worden. General Schevchenko behauptet in einem seiner häufigen Interviews, daß die Akademiegründung auf Anregung von Putin selber geschehen sei. Laut Satzung ist die Akademie befugt, „an der Erarbeitung von Beschlüssen staatlicher Regierungsstellen und der lokalen Selbstverwaltung teilzunehmen“.

Unter den Mitgliedern der Akademie finden wir alle sicherheitsrelevanten Minister (Power-Minister, wie sie dort genannt werden) Rußlands, den jetzigen und frühere Ministerpräsidenten, praktisch die gesamte Elite des Staates, einschließlich 58 Oberhäupter von Föderationssubjekten.

Auf der Internetseite der Akademie www.abop.ru befindet sich eine Listeо mit 141 der herausragenden Akademiemitglieder. Insgesamt zählt die ABOP, laut abweichende eigene Angaben des Präsidenten und der Presseabteilung mal 5, mal 6, mal 8,5 Tausend Mitglieder.

Fünfzehn der Akademiemitglieder in der genannten Liste sind Generäle des KGB-FSB, die momentan oder früher als Minister oder stellvertretende Minister tätig waren. Weitere fünfzehn sind Generäle des Innenministeriums. 23 sind Generäle und Admiräle auf hohen Armeeposten.

Darüber hinaus gehören der Akademie als Mitglieder noch 35 der höchsten Regierungsbeamte, Minister, Gebietsgouverneure, einschließlich des Staatspräsidenten Putin. An sich ist die ABOP die geheime Schattenpartei der Macht. Es handelt sich bei ihr um eine, als gesellschaftliche Organisation getarnte, vom Staat verdeckt finanzierte, gigantische Struktur von Mitarbeitern der Geheimpolizei und des Nachrichtendienstes.

Gemäß ihrer Satzung funktioniert die Akademie nach eigener betriebwirtschaftlicher Rechnungsführung und finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen und aus Einnahmen von wissenschaftlichen Auftragsarbeiten auf dem Gebiet der Sicherheit des Staates. In einem Interview aus 2004 hat Viktor Schevchenko angegeben, daß die ABOP 193 wissenschaftliche Projekte und 30 Forschungsarbeiten im Auftrag der Präsidialverwaltung, des Apparats des Sicherheitsrates und der „Power-Ministerien“ erstallt habe. Diese geheimnisvolle Auftragsarbeiten werden offenbar sehr gut bezahlt, um den aufwendigen Präsentationsbetrieb und die nicht minder aufwendige inoffizielle Tätigkeit der Akademie finanzieren zu können.

Eigentlich gibt es zwei „Akademien für Sicherheit“. Die Eine, von der bisher die Rede war, die ABOP, und noch eine zweite, durch die ABOP gegründete, „autonome, nichtkommerzielle Akademie für nationale Sicherheit, Verteidigung und Rechtsordnung“ (ANBOP). Die ANBOP ist eine nichtstaatliche akademische Hochschule. Leiter ist Valerij Radin, erster Stellvertreter der „Akademie zu Fragen der Sicherheit, der Verteidigung und der Rechtsordnung“ (ABOP), ein General-Leutnant der Staatsicherheit.

Laut Satzung ist die ANBOP angehalten, ihre Aktivitäten im Sinne der „Entwicklung von Bildungsbedürfnissen, von Bedürfnissen an Kultur, an geistig-moralische und weitere immaterielle werte der Bürger zu entfalten“.
In der ANBOP werden Manager, Juristen und Verwaltungsfachleute ausgebildet. Für Akademiker, die bereits ein Diplom haben, verkürzt sich die Ausbildung auf 2-3 Jahre. Es werden auch Kurse von einem halben Jahr Dauer angeboten.

Die Vermutung liegt nahe, daß die „nichtstaatliche“ ANBOP Fachleute für den Bedarf des FSB vorbereitet. Fachleute, die dann, wo immernötig ein ziviles Diplom aufweisen können. Gleichzeitig wird die Umschulung von Offizieren des FSB gewährleistet, die anschließend in allen Gesellschaftsstrukturen, die für den FSB und für die ABOP von Interesse sind, vor allen dingen im Staatsapparat untergebracht werden. Beziehungen zu diesem Zwecke sind ja mehr als genug vorhanden.

Die Akademie verfügt über mindestens zwei von ihr gegründete Hochschulen. Eine davon ist die Psychologische Universität in Moskau. Die Ausbildungszeit beträgt 8 Monate. Hauptfach ist die „Neurolinguistische Programmierung“. Auf der Internetseite der Universität wird das Studium folgendermaßen schmackhaft gemacht: „Die neurolinguistische Programmierung verleiht Ihnen die Fähigkeit, mit jedem Menschen augenblicklich in Kontakt zu treten, jedem Gesprächspartner bedingungsloses Vertrauen zu Ihnen einzuflößen, sich unbemerkt an den Gewünschten „heranzupirschen“ und nötige „Korrekturen“ in seinem Denken und Handeln vorzunehmen...“

Eine weitere Hochschule im System der ABOP ist die Akademie für nationale Sicherheit. Ihr Ziel ist es, die Umschulung und Weiterbildung von Mitarbeitern der Geheimdienste auf dem Gebiet der BWL, VWL und des Managements zu gewährleisten. Offiziere des FSB erhalten dort neutrale zivile Berufe und werden dann in alle Strukturen, die für den FSB und für die ABOP von Interesse sind weitervermittelt. Das sind vor allem verschiedene Ebenen der staatlichen Verwaltung, Wirtschaftsunternehmen und Banken. (об этом было выше, про АНБОП, может соединить два куска?)

Unter den Organisationen, die die ABOP gegründet hat, fällt auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft «Russisches Wirtschftsprüfungshaus». Hierzu fällt folgender Ausschnitt eines Interviews des Chefs der Firma Valerij Fedotov, das auf die Internetseite der Gesellschaft zu finden ist:
„Im Zuge einer Wirtschaftsprüfung stellt jeder Betrieb oder Verband praktisch die gesamte Information über seine finanzielle und wirtschaftliche Tätigkeit zur Verfügung. Innerhalb bevollmächtigter Wirtschaftsprüfungsorganisationen wird ein Gesamtbild über die Aktivitäten in einer ganzen Wirtschaftsbranche erstellt. Da für die Akademie für Sicherheit der Russischen Föderation die Interessen der wirtschaftlichen Sicherheit des Staates im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen, ergibt sich nunmehr eine neue Möglichkeit, die wirtschaftlichen Sicherheit von Betrieben und Organisationen zu gewährleisten…Wichtigstes Ziel unseres Projekts ist es, die Wirtschaftsprüfung im Dienste der wirtschaftlichen Sicherheit des Landes und jeder einzelnen Landesregion einzusetzen“.

DieTätigkeit von Wirtschaftsprüfern ist per Definition mit einer vertraulichen Behandlung von Wirtschaftsgeheimnissen verbunden, weil der Wirtschaftsprüfer mit allen Geschäftsgeheimnissen der Firmen zu tun hat. Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, organisiert durch die Staatssicherheit, die nicht verschweigt, daß sie sich in ihrer Arbeit von den „Interessen der Sicherheit des Staates“ leiten läßt ist etwas ganz Besonderes. Den Nutzen, den der FSB von einer profunden Kenntnis der Geschäftsgeheimnisse aller Branchenbereiche der russischen Wirtschaft gewinnen kann, ist kaum zu überschätzen.

In Rußland propagiert die Akademie aktiv eine extrem rechte, imperiale Ideologie und den Kampf gegen die „westlichen Werten“.

Die Akademie hat ein ganzes System von Orden und Auszeichnungen ins Leben gerufen. Der höchste Orden ist „Peter der Große“. Alle Orden werden als gesellschaftliche Auszeichnungen geführt, sind aber vom Erscheinungsbild den staatlichen nachempfunden. Die Auswahl der Ordensträger auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR ist sehr aufschlußreich - unter ihnen sind viele Diktatoren und Politiker vom neofaschistischen Schlage. Den Orden „Peter den Großen“ haben u.a. erhalten: Lukaschenko, Nazarbaev, Radovan Karadzic, Turkmenbashi Nijazov, Shirinovski, der letzte KGB-Chef und Putschist von 1991 Krjutschkov und eine Vielzahl Einzelpersonen mit ähnlichen Ansichten und vergleichbarem Ruf.
Aus Anlaß des 60. Jahrestages vom Ende des II Weltkrieges fand in der russischen Hauptstadt ein internationales Kolloquium „Paris - Berlin - Moskau. Realität und Perspektiven“ statt. An erster Stelle unter den Organisatoren firmiert die ABOP. Ein Schlüsselthema, das beide Sitzungstage bestimmt hat, war die „abgestimmte Strategie von Moskau, Berlin und Paris zu Fragen der internationalen Sicherheit“. Als Teilnehmer von deutscher Seite werden die renommierten regierungsberatenden Institutionen Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und die Stiftung „Wissenschaft und Politik“ genannt.

Die Akademie ist auch im Ausland sehr aktiv, insbesondere in Deutschland und verleiht hier Orden und Auszeichnungen. Nicht alle Würdenträger sind aber auf der Internetseite zu finden. So erfahren wir aus Meldungen der Boulevardpresse, daß eine schillernde Figur, die aus der DDR stammende, in den deutschen Adel eingeheiratete Maja von Hohenzollern 2004 „die höchste gesellschaftliche Auszeichnung Rußlands“ erhalten habe. Bei näherem Betrachten, erweist sich diese Auszeichnung als der uns bereits bekannte Orden „Peter der Große“.

Dafür ist auf der ABOP-Internetseite eine Massenverleihung am Vorabend des o.g. 60. Jahrestages auch bildlich dargestellt. Im Berliner Haus der russischen Kultur in der Friedrichstraße wurde u.a. dem alten Kollegen Markus Wolf die höchste Auszeichnung verliehen, was wenig verwunderlich erscheint. Den gleichen Orden „Peter den Großen“ haben aber auch einige heute aktive Politiker erhalten, unter ihnen Matthias Platzeck, Gernot Erler, Walter Momper (alle SPD) sowie Martina Michels (PDS). Im November dieses Jahres bekam auch der deutsche Militär-Attache in Moskau General Schafranek den Orden „Peter der Große“ II Grad.

Ob die deutschen Politiker sich dessen bewußt sind oder nicht, mit wem sie es zu tun haben und was sie dabei riskieren, wenn sie die Pseudoorden aus den Händen eines KGB-Generals erhalten, bleibt offen. Vielleicht wäre es für die Ausgezeichneten nicht verkehrt, einen Blick auf die Rückseite des Ordens zu werfen. Auf goldenem Grund steht dort geschrieben: „Für die Stärkung des russischen Staates“...

Es ist offensichtlich, daß die Auszeichnung mit Orden und Titeln durch ABOP in keinerlei Verhältnis zu den Verdiensten der Ausgezeichneten im üblichen Sinne steht. Die Auswahl der «Ordenträger» wird von ihrem gesellschaftlichen Stand, von ihrer realen Macht, von ihren Einflußmöglichkeiten und beruflichen Kontakten bestimmt. Man kann sich leicht davon überzeugen, wenn man einmal die langen Listen der von der ABOP Ausgezeichneten durchsieht. ABOP hat ihr Augenmerk ganz besonders auf alle Schlüsselstrukturen des Staates gerichtet – auf den zentralen und den lokalen Machtapparat, auf die staatlichen und privaten Großunternehmen, Industrie, Finanzen, Kultur... Die auf den ranghöchsten Positionen erhalten auch die höchsten Orden.

Eigentlich stellt dies eine Anwerbung (oder eine Förderung) von Mitstreitern dar. Eine Art öffentlicher Unterzeichnung eines Mitarbeitervetrages mit Personen, die für die „KGB-Akademikern“ aus diesen oder jenen Gründen von Interesse sind. Unter Umständen ist sich auch die Prinzessin von Hohenzollern nicht darüber im Klaren, in was für eine Organisation sie sich als Mitglied wiedergefunden habe, für die Ordensverleiher ist der weitere Weg zu ihr und zu ihren gesellschaftlichen Kontakten bereits verlegt.

Natürlich stellt die ABOP ein Scheingebilde dar oder, wie es in der KGB-Sprache so schön heißt, sie ist eine „Deckoperation“. Die „Akademie“ und ihre Tausende „Professoren“ haben nicht das Geringste mit der Wissenschaft zu tun. Die Tarnmaske einer „gesellschaftlichen Organisation“ erlaubt den „Akademiemitgliedern“ in Zivil aufzutreten, sich im Namen der „Gesellschaft“ zu äußern und sich hinter illustren Personen des öffentlichen Lebens zu verbergen. Das Ganze erinnert teilweise an die verschiedenen „gesellschaftlichen Organisation“, die zu Sowjetzeiten vom KGB organisiert und kontrolliert wurden. Damals wurde aber deren Verbindung zum KGB verschwiegen. Bei der ABOP ist es – ausgehend von ihren eigenen Werbematerialien – anders. Sie versucht gar nicht einmal besonders aktiv, ihr KGB-Wesen zu verheimlichen. Dies wird für jeden Interessenten klar und deutlich, insbesondere über die Namensbezeichnung der Akademie.

Indem die Akademie Orden und Titel verleiht, legt sie auch ihre Interessenbereiche fest. Die Interessen von KGB-FSB sind traditionell sehr vielfältig – sowohl innerhalb als auch außerhalb Rußlands. Die Kontrolle über dem russischen Staatsapparat und die Kontrolle über die Aktivitäten der russischen Emigranten sind unterschiedliche aber artverwandte Aspekte ein und derselben professionellen Tätigkeit. Für den FSB sind die direkten Kotakte mit der politischen und gesellschaftlichen Elite von unschätzbarem Wert. Die Ziele und der Auftrag dieser Organisation haben sich seit Sowjetzeiten kaum verändert, dafür sind die Arbeitsbedingungen im Westen bemerkenswert besser geworden.
Vor 20 Jahren hätten die Kollegen von Markus Wolff und Vladimir Putin von solchen Möglichkeiten nur träumen können.

Наверное надо включить кусок о Борисе Фельдмане, как пример работы с эмиграцией....





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