jakob van hoddis

Geschrieben von Stern am 19. Oktober 2005 02:17:00:

Der Visionarr

Lampe blöck nicht.
Aus der Wand fuhr ein dünner Frauenarm.
Er war bleich und blau geädert.
Die Finger waren mit kostbaren Ringen bepatzt.
Als ich die Hand küsste, erschrak ich:
Sie war lebendig und warm.
Das Gesicht wurde mir zerkratzt.
Ich nahm ein Küchenmesser und zerschnitt ein paar Adern.
Eine große Katze kam
und leckte zierlich das Blut vom Boden auf.
Ein Mann indes kroch mit gesträubten Haaren
einen schräg an die Wand gelegten Besenstiel hinauf.

Tristitia ante ...

Schneeflocken fallen. Meine Nächte sind
sehr laut geworden, und zu starr ihr Leuchten.
Alle Gefahren, die mir ruhmvoll deuchten,
sind nun so widrig wie der Winterwind.

Ich hasse fast die helle Brunst der Städte.

Wenn ich einst wachte und die Mitternächte
langsam zerflammten - bis die Sonne kam -,
wenn ich den Prunk der weißen Huren nahm,
ob magrer Prunk mir endlich Lösung brächte,

war diese Grelle nie und dieser Gram.

Morgens

Ein starker Wind sprang empor.
Öffnet des eisernen Himmels blutende Tore.
Schlägt an die Türme.
Hellklingend laut geschmeidig über die eherne Ebene der Stadt.

Die Morgensonne rußig. Auf Dämmen donnern Züge.
Durch Wolken pflügen goldne Engelpflüge.
Starker Wind über der bleichen Stadt.
Dampfer und Kräne erwachen am schmutzig fließenden Strom.
Verdrossen klopfen die Glocken am verwitterten Dom.
Viele Weiber siehst du und Mädchen zur Arbeit gehn.
Im bleichen Licht. Wild von der Nacht. Ihre Röcke wehn.
Glieder zur Liebe geschaffen.
Hin zur Maschine und mürrischem Mühn.
Sieh in das zärtliche Licht.
In der Bäume zärtliches Grün.
Horch! Die Spatzen schrein.
Und draußen auf wilderen Feldern
singen Lerchen.




Antworten: