Militärhistorischer Exkurs
Geschrieben von Swissman am 04. Oktober 2005 02:32:31:
Als Antwort auf: Re: Militärische Kurzinfo zum Iran (speziell für Zitrone) geschrieben von Jürgen am 02. Oktober 2005 21:06:48:
Hallo Jürgen,
Aber haben das jemals MOSLEMS geschafft? Soweit ich die Geschichte kenne: Niemals
>1 zu 1 haben sie regelmäßig verloren, oft auch 10:1 und mehr.
>Das war im Mittelalter so, das war in den israelisch/arabischen Kriegen so.
>Gewonnen haben sie immer nur, wenn der Feind schon so kaputt war, daß sie ihm nur den Rest geben mußten.
>Ich lasse mich aber gerne belehren!Ich stimme Dir insofern zu, als die arabischen Siege über Persien und Byzanz wesentlich dadurch erleichtert wurden, dass die beiden Grossmächte sich zuvor jahrzehntelang gegenseitig ausgeblutet hatten. Im Fall Byzanz' kam noch erschwerend hinzu, dass die Bevölkerung im Grossraum Palästina/Levante eine relativ starke Minderheit diverser Sekten beinhaltete, die beim Nahen der Araber als fünfte Kolonne agierten.
Im Fall von Byzanz kamen in der entscheidenden Schlacht von Manzikert (1071 - Kräfteverhältnis: 40'000 Byzantiner vs. 70'000 Seldschuken) taktische Fehler des oströmischen Feldherrn hinzu: Bei Einsetzen der Dämmerung hatte Romanus das Zentrum der seldschukischen Schlachtordnung zerschlagen und trieb den Feind vor sich her - es sah bereits so aus, als wären die Seldschuken geschlagen. Unglücklicherweise brach Romanus nun die Verfolgung ab, sodass die Überreste des feindlichen Heeres sich erneut sammeln konnten - der darauf folgende Gegenangriff überraschte die Byzantiner vollkommen, und es kam zu einem höchst verlustreichen Nachtgefecht auf kürzeste Distanz.
Etwas anders sieht es hinsichtlich der Schlacht von Kadisiya aus, bei der die Vorentscheidung des arabisch-persischen Krieges fiel: Im Frühling 637 stellte der persische Regent Rustam bei der mesopotamischen Stadt Kadisiya ein arabisches Heer mit einer Stärke von rund 30'000 Mann. Rustam selbst befehligte gut 100'000 Soldaten.
Die Perser wiesen zuerst mehrere arabische Kavallerieattacken ab, um dann mit Kriegselefanten zum Gegenstoss anzusetzen. Die Araber, die bislang keine Erfahrung mit Kriegselefanten gehabt hatten, gerieten in Unordnung - wenn nicht die Sonne rechtzeitig untergegangen wäre, wäre eine Massenpanik wohl unvermeidbar gewesen. Am zweiten Tag wogte der Kampf hin und her, ohne dass eine von beiden Seiten einen entscheidenden Vorteil erringen konnte. Am dritten Tag traf die von Feldherr Sa'ad angeforderte Verstärkung ein: Eine kleine, offenbar zahlenmässig nicht genau überlieferte, Truppe arabischer Veteranen, die im Syrienfeldzug Erfahrungen in der Bekämpfung von Elefanten gewonnen hatten.
Beim nächsten persischen Angriff wurden Stosstrupps losgeschickt, die die Elefanten mit Pfeilen und Speeren bekämpften. Die Elefanten gerieten vor Schmerz in Panik, drehten ab und preschten durch die Reihen der persischen Infanterie. Umgehend drangen die Araber in die entstandenen Breschen ein und gingen zum Nahkampf über. Die ineinander verbissenen Heere kämpften verbissen den ganzen Tag und die ganze Nacht. Die Position der Perser wurde unhaltbar, als am Morgen des vierten Tages ein starker Sandsturm aufkam, der ihnen direkt ins Gesicht wehte - der Versuch eines geordneten Rückzuges scheiterte, und der grösste Teil der persischen Truppen, darunter auch Rustam, wurde auf der Flucht getötet.
In der Folge überfluteten die Araber ganz Mesopotamien.
Endgültig zerschlagen wurde das Perserreich 641, anlässlich der Schlacht von Nehawend: Firuz II. stellte sich südlich des heutigen Hamadan mit einem Heer von knapp 100'000 Mann zum letzten Gefecht. - Ihm trat der arabische General Sa'id ibn Abi-Waqqas entgegen. Die Quellen nennen für die Stärke seiner Armee Zahlen von 20'000 - 50'000 Mann.
Serbien war, als es von den Osmanen unterworfen wurde, alles andere als ein ausgepowerter, dekadenter Staat gewesen - zu diesem Zeitpunkt geboten die serbischen Herrscher über weite Teile des Balkans und expandierten kräftig. In die erste Schlacht auf dem Amselfeld führte Prinz Lazar ein Heer von 25'000 Mann, gegen eine türkische Streitmacht von 40'000 Mann. Die Eröffnungsphase ist relativ gut überliefert, über die weitergehenden taktischen Feinheiten wissen wir leider so gut wie nichts.
Bei Ain Dschalut, in der Nähe des See Genezareth, vernichtete 1260 ein etwa 20'000 Mann starkes Mamelucken-Heer (Militärsklaven des Kalifen) die etwa gleich starke Vorhut der Mongolen - die erste offene Feldschlacht, in der ein mongolisches Heer besiegt wurde.
1883 massakrierten die Anhänger des "Mahdi" im Sudan ein 10'000 Mann starkes britisches Expeditionskorps. Zwar dürften die Mahdi-Anhänger zahlenmässig weit überlegen gewesen sein - dies wird aber zumindest teilweise wieder durch die Tatsache ausgeglichen, dass die Briten über Feuerwaffen verfügten, während die Aufständischen mehrheitlich mit Schwertern und Stangenwaffen ins Feld zogen. Dieser Sieg lässt sich daher ausschliesslich durch überlegene Kampfmoral erklären. - 1898 wurde der Mahdi jedoch bei Omdurman von General Kitchener vernichtend geschlagen. Kitchener fasste den Kampf wie folgt zusammen: "We had the Maxim, they hadn't." ("Wir hatten das Maxim [frühes MG], sie nicht.")
Ein zeitgenössisches Beispiel wären die verschiedenen moslemischen Exklaven in Ostbosnien (Gorazde, Srebrenica, Cerska, Zepa), die unter teils prekärsten Umständen, teilweise mehrere Jahre lang, gegen die belagernden Serben gehalten wurden (unter der Hand hört man allerdings gelegentlich, dass die CIA eine minimale Versorgung per Luftbrücke sichergestellt haben soll - trotzdem: Die Kämpfe mussten die Bosniaken allein ausfechten).
Im Zusammenhang mit dem Iran dürfte aber die Schlacht von Kerbela das massgebliche Beispiel sein: Imam Hussein kämpfte hier, unterstützt von nur 72 Getreuen, gegen mehrere tausend Truppen seines Feindes Yazid. Hussein und die Seinen fielen bis auf den letzten Mann.
Aufgrund der an sich überlegenen westlichen Militärkultur (der übrigens auch Israel angehört) bin ich durchaus der Ansicht, dass (unter ansonsten identischen Ausgansbedingungen) bei einem Kampf zwischen einem westlichen und einem islamischen (oder einem beliebigen anderen "Militärkulturkreis") Heer der Siegeskranz beinahe zwangsläufig vom Westen ergriffen werden wird.
Das Problem bei den Amerikanern sind gewisse militärfremde, d. h. zivile, Einflüsse: Um das Kind beim Namen zu nennen: Der Wankelmut, der Hedonismus und die mangelnde Opferbereitschaft der US-Öffentlichkeit.
Oder, wie die Sybille auf die Frage der Spartaner, ob es jemanden gebe, der dazu fähig wäre, die Spartaner zu besiegen, antwortete: "Die Spartaner."
mfG,
Swissman