Re: Militärische Kurzinfo zum Iran (speziell für Jan-Peter Behle)
Geschrieben von Swissman am 25. September 2005 06:35:56:
Als Antwort auf: Militärische Kurzinfo zum Iran (speziell für Jan-Peter Behle) geschrieben von warlord am 23. September 2005 15:10:49:
Hallo warlord,
>Die Moral der iran. Streitkräfte muß als überdurchschnittlich hoch angesehen werden. Nicht nur der Revolutionsgarden, die das iran. Äquivalent der republikanischen Garden von Saddam Hussein sind, sondern aller Streitkräfte, da diese auf eigenen Territorium und (aus ihrer Sicht) für eine gute und gerechte Sache kämpfen.Absolute Zustimmung. - In Bezug auf die Pasdaran (=Revolutionswächter) wäre noch zu ergänzen, dass diese nicht nur militärisch, sondern auch weltanschaulich geschult werden. Zudem handelt es sich hier um Berufssoldaten, die sich ausschliesslich aus Freiwilligen rekrutieren (wobei längst nicht jeder Bewerber auch tatsächlich angenommen wird - es handelt sich also um eine Elitetruppe im strengen Sinne des Wortes), und auch bevorzugt mit neuen Waffensystemen ausgestattet werden.
Die iranischen Revolutionsgarden stellen daher einen in jeder Hinsicht absolut ernstzunehmenden Gegner höchster Kampfkraft dar. - In mancher Hinsicht könnte man die Revolutionsgarden durchaus mit der Waffen SS vergleichen (was als Kompliment zu verstehen ist).
>Auch besitzt die iran. Armee und die Gesellschaft des Landes verglichen mit den USA die Fähigkeit große Verluste leicht wegzustecken. Diese Fähigkeit wurde besonders im 1. Golfkrieg (Iran gegen Irak) sehr eindrucksvoll bestätigt als die iran. Armee Angriffe von irak. Panzerdivisionen mit Infanterieeinheiten abzuwehren versuchte mangels eigener schwerer Waffensysteme.Ein höchst wichtiger, um nicht zu sagen entscheidender Umstand: Die amerikanische Gefallenenpsychose allein genügt vollauf, um die Macht der USA längerfristig unausweichlich zerfallen zu lassen. Bereits heute kann man sie deswegen nur noch bedingt ernstnehmen. - An diesem Problem leiden die Iraner durchaus nicht.
Wenn man vom 1. Golfkrieg spricht, geht leider oftmals vergessen, dass die vom Schah aufgebaute Berufsarmee von den irakischen Streitkräften unter den ersten wuchtigen Schlägen der Iraker weitgehend zerschlagen wurde. Dass der Iran unter diesen vernichtenden Schlägen nicht zu Boden ging, ist letztlich das Verdienst eines einzigen Mannes: Ayatollah Khomeini.
Ohne jemals eine formale militärische Ausbildung genossen zu haben, weckte er den Opfermut der Bevölkerung und stampfte ein neues Freiwilligenheer aus dem Boden - trotzdem der Iran praktisch von der gesamten Welt boykottiert wurde. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die irakische Armee damals mit nichts weiter als dem unbedingten Willen zum Durchhalten gestoppt wurde (diese Leistung respektiere ich uneingeschränkt, auch wenn sich meine eigene Weltanschauung von derjenigen eines Ayatollah Khomeini ansonsten doch ganz erheblich unterscheidet).
Besonders deutlich ist dieser Aspekt bei bei den "Bassidschi", in aller Eile aufgestellten Freiwilligenverbänden, die sich überwiegend aus Halbwüchsigen zusammensetzten, ersichtlich. Zumeist recht ärmlich bewaffnet und lediglich einer militärischen Schnellbleiche unterzogen, wurden die Bassidschi an die jeweiligen Brennpunkte geworfen, wo sie sich sehr bewährt haben: Bei den Irakern erwarben sie sich, zu Recht, den Ruf, selbst schwerste Verluste vollkommen unbeeindruckt hinzunehmen und nötigenfalls bis zum letzten Mann zu kämpfen.
Es waren in erster Linie die Bassidschi und die Pasdaran, die den ersten Ansturm des irakischen Heeres zum Stehen brachten, und dieses in der Folge nach und nach über den Schatt el Arab zurücktrieben. Letztlich gelang es Saddam Hussein nur durch den massierten Einsatz chemischer Waffen (was damals niemanden zu stören schien...), die iranischen Gegenangriffe abzuweisen und die Frontlinie (bereits auf eigenem Territorium!) mehr schlecht als recht einigermassen zu stabilisieren.
Ich habe vor einigen Jahren selbst einen ehemaligen "Bassidsch" kennengelernt: In sein erstes Gefecht ging er lediglich mit einer einzigen geballten Ladung bewaffnet. Seine Einheit trat dabei gegen ein durchgebrochenes Panzerrudel an, das in der Folge weitgehend aufgerieben wurde - unter immensen eigenen Verlusten, versteht sich. Im Verlauf des Gefechts gelang es ihm, seine Sprengladung an der Wanne eines Panzers anzubringen und diesen zu knacken.
>Nächtliche Schnellbootangriffe oder Kommandoaktion (Selbstmordangriffe) gegen US-Schiffe in pers. Golf sind sicherlich nicht auszuschließen.Am gefährlichsten für die US-Flotte sind die russischen Marschflugkörper des Typs Yakhont.
Wenn ich der iranische Oberbefehlshaber wäre, würde ich im Fall einer grossangelegten amerikanischen Bodenanoffensive zudem die Erdölaorta kappen, d. h. ich würde sämtliche Verladeterminals am Westufer des Persischen Golfs dem Erdboden gleich machen, die allesamt innerhalb der Reichweite iranischer Mittelstreckenraketen liegen. Dabei denke ich insbesondere an al Ahmadi in Kuwait sowie Ras at Tannura und Dammam in Saudi Arabien. Natürlich würde auch der iranische Terminal auf der Insel Kharg gesprengt. Selbst wenn nur die vier namentlich genannten Terminals ausfallen würden, hätte dies eine Verminderung des weltweiten Erdölexportes um ca. 40% zur Folge...
>Aufgrund der Größe des Landes und der Streitkräfte dürfte für die USA ein konventioneller Angriff äußerst riskant sein. Abgesehen von der Frage woher die USA überhaupt die militärischen Kapazitäten für einen solchen Feldzug hernehmen wollen.Absolut korrekt. - Anderslautende Gedankenspiele sind reines Wunschdenken und entbehren des Bezuges zur Realität.
>Damit dürften Nuklearschläge von Seiten der USA gegen den Iran als Ausweg betrachtet werden und damit sehr wahrscheinlich seinDies glaube ich wiederum nicht: In diesem Fall würde ich nämlich an Stelle des iranischen Oberbefehlshabers unverzüglich die amerikanischen Träger mit Yahkont-Marschflugkörpern eindecken - Wracktaucher dürfen sich in diesem Fall auf eine neue Attraktion freuen...
Gleichzeitig würde ich sämtliche vorhandenen Mittelstreckenraketen, Marschflugkörper und Bomber starten lassen. Ziele: Die Erdölverladeterminals, die "Grüne Zone" in Bagdad, der königliche Palast in Riad, die amerikanischen Luftwaffenstützpunkte in Incirlik (Türkei) und Bagram (Afghanistan) sowie die Häfen von Basra, Kuwait (über Basra und Kuwait läuft der Nachschub der Besatzungstruppen im Irak), Bahrain (Hauptstützpunkt der amerikanischen Flotte im Golf) und Karachi (entscheidend für die Versorgung der amerikanischen Truppen in Afghanistan). Zudem würden die Schiiten im Irak die Erlaubnis zum allgemeinen Aufstand erhalten.
Ich könnte mir vorstellen, dass sich in Washington die Freude über diese Art "Sieg" in Grenzen halten würde... - Spass beiseite: Die Kosten eines Nuklearschlages übersteigen dessen Nutzen in jeder nur erdenklichen Hinsicht bei weitem.
Ich gehe daher davon aus, dass sich die USA damit begnügen werden, die wichtigsten iranischen Nuklearanlagen mit konventionellen Präzisionswaffen anzugreifen: Diese lassen sich auch so ohne weiteres ausschalten.
>Wie schätzen andere hier im Forum die Qualität der iranischen Streitkräfte ein?Die iranische Armee schätze ich nach Israel (in erster Linie aufgrund der israelischen Nuklearwaffen) als die zweitstärkste im Nahen Osten ein. Die Pasdaran würde ich hinsichtlich Moral und Kampfgeist sogar als den russischen Speznaz, der französischen Legion Ètrangère (derzeit wahrscheinlich der härteste militärische Grossverband weltweit), der britischen SAS, den israelischen Lila Képis sowie den amerikanischen Navy Seals ebenbürtig betrachten. Wenn wir auch historische Truppen miteinbeziehen, würde ich aber doch die deutsche Wehrmacht und die Waffen SS an die Spitze der Rangliste setzen.
mfG,
Swissman
- Re: Militärische Kurzinfo zum Iran (speziell für Jan-Peter Behle) maxwell 25.9.2005 09:35 (0)