Aus wahhabitischer Sicht überhaupt kein Problem

Geschrieben von Swissman am 04. September 2005 00:22:08:

Als Antwort auf: Re: Katrina - Auslöser der Ereignisse? geschrieben von Zitrone am 03. September 2005 12:04:36:

Hallo Zitrone,

>Mit der Steilvorlage, Allah hat sie gestraft, wäre ich vorsichtig als Muslime--wo war denn dann "allah" als der Iran vor ca. 1,5 Jahren von einem schweren Erdbeben heimgesucht wurden und ca. 40000 Muslime starben oder bei der Katastrophe in Indoneseien, die mindestens 100000 tote Muslime zur Folge hatte.

Du vergisst, dass es sich bei Osama bin Laden und Konsorten gerade nicht um Moslems im eigentlichen Sinne, sondern um Wahhabiten handelt: Die Wahhabiten sind eine Sekte, die sich vor ca. 200 Jahren vom orthodoxen Islam abgespalten hat, und sämtliche Nicht-Wahhabiten - einschliesslich nicht-wahhabitischer Moslems! - als Satansanbeter betrachtet.

Dein Einwand ist mithin aus wahhabitischer Sicht durchaus kein Widerspruch - vielmehr wird sich ein Wahhabit dadurch erst recht in seinem Irrglauben bestätigt sehen, da die Iraner zu über 90% der Schia't Ali angehören. Die Schiiten aber gelten gemäss Lehre Mohammed Ibn Abdul Wahhabs, sogar noch vor Christen und Juden, als Anhänger der schlimmstmöglichen Ketzerei: Aus der Tatsache, dass die Schiiten ihre zwölf Imame als Heilige verehren, leiten die Wahhabiten nämlich ab, dass die Schiiten Vielgötterei betrieben, und folglich Verräter am wahren Islam (sprich Wahhabismus) seien.

Umgekehrt predigte kein geringerer als Ayatollah Khomeini persönlich, dass es sich bei den Wahhabiten nicht um Muslime, sondern um Häretiker handle.

Tatsächlich sind Wahhabiten und Schiiten natürliche Todfeinde: Jeder Schiit weiss, dass es die wahhabitischen Ikhwan-Reiter waren, die den schiitischen Südirak und el-Hasa während Jahrzehnten terrorisierten. Im Jahr 1802 fielen wahhabitische Ikhwan-Reiter unter dem Kommando von Saud ibn Abdul Asis ins südliche Mesopotamien ein und erstürmten die den Schiiten heilige Stadt Kerbala. Sämtliche Bewohner - Männer, Frauen und Kinder - wurden massakriert. Kerbela soll vor der Eroberung um die 40'000 Einwohner gezählt haben. Zusätzlich, und dies war der eigentliche Sinn und Zweck des Unterfangens, wurde das Grab des Imams Hussein geschändet, die zugehörige Moschee verwüstet.

Es erstaunt denn auch nicht, dass sich der britische Offizier Glubb Pascha bis heute erheblicher Beliebtheit unter den Schiiten erfreut, weil er der wahhabitischen Pest mit harter Hand einen Riegel vorschob und diese nach Saudi Arabien zurücktrieb.

Der Gründer des Wahhabismus, Mohammed Ibn Abdul Wahhab, behauptete im übrigen, dass er keineswegs eine neue Lehre verkünde, vielmehr habe er den wahren Islam, wie er, seiner Ansicht nach, angeblich Jahrhunderte zuvor von einer "salafitischen Rechtsschule" verkündet worden sein soll, wiederentdeckt. Freilich sind sich sunnitische wie schiitische Theologen für einmal darin einig, dass es so etwas wie eine "salafitische Rechtsschule" niemals gegeben hat, und dass diese tatsächlich von Mohammed Ibn Abdul Wahhab selbst erfunden wurde.

Aufschlussreich ist dabei die Tatsache, dass diese "salafitische Rechtsschule" laut Abdul Wahhab von Mu'awija bin Hind begründet worden sein soll: Dieser war der Hauptfeind des ersten schiitischen Imams Ali. Muaweyahs Sohn Yazid wiederum sollte Jahre später den dritten Imam, Hussein, und dessen Familie töten lassen. Mu'awija und Yazid gelten bei den Schiiten als die Personifikation eines ungerechten, tyrannischen Herrschers schlechthin.

Da Schiiten und Wahhabiten sich gegenseitig kompromisslos ablehnen, wird ein Wahhabit Deinen Einwand begeistert aufnehmen und darauf verweisen, dass in diesem Fall die Schiiten den Zorn Allahs zu spüren bekommen hätten, weil sie, weil sie den Koran anders interpretieren, als die Wahhabiten. Dein Einwand stellt daher aus wahhabitischer Sicht absolut keinen Widerspruch dar, im Gegenteil.

Übrigens: Als letztes Jahr ein Hurrikan über Florida fegte, dauerte es nicht lange, bis ein Propaganda-Video auftauchte, in dem genau Dunkelelbins Argument gebracht wurde: Allah selbst kämpfe an der Seite Al Kaidas, und habe nun die Kafirin bestraft. Weitere, und noch weit schlimmere Schläge würden schon bald folgen. Ich wäre erstaunt, wenn die wahhabitischen Propagandisten nicht zumindest versuchen würden, die Erfüllung der Drohung geltend zu machen...

mfG,

Swissman



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