Re: Ich muß noch mal nerven...

Geschrieben von Johannes am 14. Februar 2002 01:11:26:

Als Antwort auf: Ich muß noch mal nerven... geschrieben von Torsten am 13. Februar 2002 22:25:05:

> ich meine damit, daß an jedem Punkt noch Einflußnahme möglich ist.

Hallo Torsten,

auch auf die Gefahr hin, daß ich Dich jetzt nerve: Aber was sollen wir denn tun, damit Deine Kriterien erfüllt sind? Sollen wir jetzt den Bundestag stürmen, den Kanzler entmachten und selbst die Regierung übernehmen? :-))

Okay, wieder ernsthafter. Du hast schon recht, daß es bei einzelnen so aussieht, als würden sie jetzt nur gelähmt dasitzen wie das berühmte Kaninchen vor der Schlange. Aber nur zu sagen, tut etwas, nehmt Einfluß, das ist mir noch zu unkonkret.

Ich, für meinen Teil, bin gerade dabei, mein Leben etwas umzustellen. Nicht alles läßt sich hier gut schildern, weil vieles einen längeren Hintergrund hat. Aber es läuft meist darauf hinaus, daß ich nach langen Diskussionen hier im Forum zu der (für mich) neuen Erkenntnis kam, daß ich hier und jetzt lebe.

Mag sich für Dich banal anhören, aber für mich immerhin eine Erkenntnis. Ich neige dazu, alles erst 3-fach sicher durchzudenken, bevor ich etwas beginne. Die Diskussionen hier im Forum haben bei mir aber nun (meist) nicht dazu geführt, daß ich auf Grund der manchmal ausweglos scheinenden Situation bewegungslos dasitze, sondern daß ich eine ganz neue Freiheit bekomme.

Laß es mich mal so zusammenfassen:

- Ich weiß nicht, was die direkte Zukunft bringt
- Die Situation sieht mittel- bis langfristig sehr bescheiden aus (oder wer soll mal unsere Rente zahlen?, etc.)
- Ich kann eh nichts direktes daran ändern

Aber hier beginnt für mich der springende Punkt: Eben deshalb, weil ich das Schicksal Deutschlands nicht in der Hand habe (bin nun mal nicht BuKa oder ähnliches), brauche ich es auch gar nicht in die Hand zu nehmen! Ja, die Aussichten sind bescheiden, aber das ist nicht mein Problem. Mein Problem ist nur das, was ich aus meinem Leben mache. Ich muß mir also nicht erst sicher sein, wie ich Deutschlands Probleme und die der ganzen Welt löse, sondern ich kann mich viel entspannter um MEIN Leben und MEIN Umfeld kümmern.

Praktisch bedeutet das, daß ich mehr Freundschaften pflege. Daß ich jetzt anfange, mich mehr um die Pflegekinder einer guten Freundin zu kümmern, die mir etwas bedeuten, und das nicht hinausschiebe, bis sich irgendwas besser entwickelt hat. Nein, ich bin JETZT gefragt und muß die jetzigen Probleme lösen, nicht im voraus die der ganzen Zukunft im Griff haben. (Jesus drückte das so aus: Sorgt Euch nicht im den morgigen Tag, denn jeder Tag hat seine eigene Sorge - Und der Vater wird Euch geben, was Ihr benötigt).

Du hast es vielleicht mitbekommen, daß sich einige im Forum hier Gedanken machen über konkrete Krisenvorsorge. Sinnlos? Nein, denn keiner von denen, mit denen ich in Kontakt bin, zieht sich apathisch in seinen Keller zurück, sondern überlegt sich, wie er sein Geld sinnvoll anlegt. Lohnt es sich, Geld für Luxus auszugeben? Oder es nicht viel mehr in den Bereich "Selbstversorgung" zu stecken?

Für einige bedeutet das den Kauf eines Kochers (Allesbrenner) samt Trekkingmaterial, für andere (wie mich) eher den Aufbau eines Lebensmittelvorrats (mindestens 1 Monat Selbstversorgung als Ziel).

Verrückt? Vielleicht könnte man das so sehen, wenn man sich nur fragt, was das an der Gesamtsituation ändert. Aber wissen wir, was morgen passiert? Vielleicht kann der, der heute einen neuen Erste-Hilfe-Kurs macht, weil er einen drohenden Krieg sieht, morgen schon viel besser bei einem Unfall helfen? Und wenn keine Katastrophe kommt, für den ich meine Vorräte brauche? Na und? Wenn Du unerwartet zu Besuch kommst oder andere, dann habe ich immer genug da, um Euch zu bewirten. Wenn ich mal vergesse, etwas einzukaufen: Auch kein Problem. Und ich lebe auf Dauer billiger, weil ich bei einem langfristigen Lager mehr auf Angebote zurückgreifen kann.

Ja, und dann werde ich mich dieses Jahr mehr um unseren Garten kümmern. Daß ich letztes Jahr den Garten von meinen Eltern quasi übernommen habe, lag unter anderem an diesem Forum. Früher war ich zwar auch dort, aber es war mehr Pflichtbewußtsein, meinen Eltern zu helfen. Jetzt wollte ich lernen, wie man selbst etwas anbaut. Und weißt Du was: Es macht Spaß! Ich werde hoffentlich nie selbst anbauen müssen, um davon leben zu können. Aber es macht Freude, das zu lernen, ich bin mehr an der frischen Luft, ich lerne neue Leute kennen...

Gerade die Gedanken des Forums haben bei mir also dazu geführt, daß ich meine Ziele etwas kürzer stecke, denn ich sehe, daß die Zukunft scheinbar nicht mehr zu ändern ist. Also konzentriere ich mich auf das hier und jetzt. Und jetzt kommt's: Glaubst Du nicht auch, wenn jeder von uns die große Weltgestaltung mit der Verpflichtung, etwas zur Rettung beitragen zu müssen, beiseite legt und anfängt, SEIN Leben umzugestalten, daß dann in der Gesamtheit viel mehr geschieht, als es der einzelne je selbst ausrichten könnte?

Das Geld wird von uns also nicht mehr in Konsum gesteckt, sondern in langfristige Dinge. Sei es Werkzeug, Outdoor-Ausrüstung, Lebensmittel oder neue Fähigkeiten. Jeder fängt bei seinem Bereich an, den er tut, und wir tauschen uns darüber aus, ein Netzwerk entsteht. Was wird sich daraus wirklich ergeben? Auch hier bin ich, ganz im Gegensatz zu früher, offen: Es bringt mir bereits jetzt etwas, ich sehe Perspektiven für die Zukunft - und wenn es ganz anders kommt, dann war es auch nicht sinnlos. Und wenn es mehr werden, die ihre Fähigkeiten auf Bestand/Ausdauer/(Über)leben konzentrieren, dann gestaltet sich unser Land damit ganz automatisch in ein Land um, in dem mehr auf den anderen und die wirklichen Werte geachtet wird, statt nur haben zu wollen und zu konsumieren, es wird mehr aufgebaut statt zu verbrauchen.

Konnte ich es damit etwas erklären, wie ich diese Verbindung sehe? Gerade das Erkennen der Aussichtslosigkeit wird somit (hoffentlich) dazu führen, daß es erstens anders kommt und zweitens als gedacht, wie es so schön heißt.

> Irgendwie sagt mir die Logik, daß die zurückgelehnte Position im Fernseh-
> sessel nicht dazu geeignet ist, Geschehen zu beeinflussen.

Okay, hier muß ich Dir natürlich recht geben. Die Leute, die meinen, Chips kauend das Geschehen betrachten zu können, was sie natürlich nie und nimmer treffen kann (so meinen sie), werden mit dieser Einstellung natürlich wenig zum Positiven verändern. Aber die anderen, die die (scheinbare) Aussichtslosigkeit begreifen und anfangen (in ihrem kleinen, begrenzten Umfeld), die werden in ihrer Gesamtheit etwas bewirken!

So, das mußte auch mal wieder gesagt werden. :-))

Viele Grüße

Johannes


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