Re: El Kaida, eine Organisation?

Geschrieben von Johannes am 07. Juli 2005 19:45:28:

Als Antwort auf: Re: In London ist die Hölle los geschrieben von Navi am 07. Juli 2005 18:03:44:

> Er beschrieb es so:
> Man darf die ElQuaida nicht als terroristisches Netzwerk sehen, sondern eher
> als Ideologie. Wer immer innerhalb dieser Ideologie einen terroristischen
> Anschlag verübt, kann sich ElQuaida nennen.


Hallo Navi,

schön, Dich wieder zu lesen.

Das mit der El Kaida (El Quaida?) sehe ich übrigens genauso, es wird aber oft in den Diskussionen vergessen. Ich halte es aber für wichtig, das zu erkennen.

Wenn wir den Terror verstehen wollen, dann müssen wir uns in das Denken der Terroristen hineinversetzen. Ich füge jetzt hier mal ein "Comic"-Bild ein, dessen Humor mir zwar viel zu schwarz ist, aber das doch wiederum gut aufzeigt, daß wir weit davon entfernt sind, die Attentäter richtig verstehen zu können:

http://www.euroislam.info/bilder/terrorschule.jpg

Wir trennen das und überlegen, warum der Ausbilder sagt, er würde das nur einmal vorführen. Aber dann ist er doch tot, denken wir. Und schon wird deutlich, daß wir das Phänomen der Selbstmordattentätet eben nicht verstehen. Für uns ist es mit dem Tod trotz aller christlichen Erziehung erstmal aus, für den Attentäter geht es um die Erfüllung seines Lebens. Der Haß auf seine Feinde und deren Tod sind für ihn normal, und für dieses höhere Ziel sind auch Opfer zu bringen. Opfer? Nein, eigentlich nicht, denn er erwartet ja den krönenden Abschluß für sein erfolgreiches Leben.

Darüber müssen wir uns klar werden, es geht dabei um eine Ideologie, die das Leben der Täter und ihrer Unterstützer völlig prägt. Täter und unterstützer unterscheide ich dabei nicht in ihrer Ideologie, sie füllen nur jeder den ihnen (scheinbar) von Gott zugedachten Platz aus.

In den Foren wird die El Kaida nun oft auf eine einzelne Organisation reduziert und dann wird lange darüber gerätselt, daß könne doch gar nicht sein, daß die aus der Wüste all diese Dinge organisiert. Also könne sie es auch nicht gewesen sein.

Doch, die El Kaida war es schon, wir müssen nur berücksichtigen, daß die Vorstellung einer Organisation mit Mitgliedschaft und klarer Struktur (Karnickelzuchtverein und Kegelverein lassen grüßen) nur eine Hilfsvorstellung ist, die unserem westlichen Denken entspricht. Wir erkennen zwar, daß das so nicht sein kann, bleiben dann aber letztlich doch in dem Denken verfangen, für das diese Erklärung eigentlich gedacht war.

Wir suchen nach logischen Argumenten, warum die den Terror begehen (was soll es ihnen bringen, wenn sie das zu der Zeit an diesem Ort tun?), stellen fest, daß dies nicht nachvollziehbar ist oder sogar ihren Zielen zu schaden scheint, und schließen daraus, daß dies alles nicht wahr sein könne.

Wenn wir die El Kaida dagegen anders betrachten, dann wird das Bild klarer. Es gibt bei den Terroristen und ihrem Umfeld als erstes schon mal keine Trennung zwischen weltlichem Leben und dem Glauben an Gott. Was sie von ihrem Imam beigebracht bekommen, das hat für sie die gleiche Wertigkeit, wie für uns vielleicht humanistische Regeln, die wir vom Verstand herleiten. Wenn wir deren Verhalten nicht nachvollziehen können, dann liegt es erstmal an uns, nicht daran, daß es nicht so sein kann.

Nimm z.B. den Jubel der Palästinenser nach dem WTC-Attentat. Das war für uns so unfaßbar, daß lange versucht wurde, die Jubelbilder als gefälscht darzustellen, sei es durch alte Bilder von einer anderen Verantstaltung oder durch gestellten Jubel. War es aber nicht, der Jubel war echt, Demonstranten zogen mit Bin Laden-Plakaten durch die Straßen und feierten den Erfolg.

Für uns erscheint das erstmal unvorstellbar, zumal wenn wir vielleicht ansonsten mit ihnen sympathisieren. Da können die doch nicht... ! Doch, sie können, und aus ihrer Sicht heraus ist dieser Jubel eben nicht böse, sondern sogar absolut verständlich. Von Kindesbeinen an wird ihnen beigebracht, die USA seien der "große Satan", und sie werden von den Israelis bei Kontrollen oft erniedrigt und anscheinend grundlos schikaniert (was aus jüdischer Sicht wiederum nicht grundlos ist, aber ich betrachte jetzt mal nur die andere Seite). Sie versuchen sich zu wehren, aber ihre Steine und Molotow-Cocktails richten nicht viel aus. Ein paar Siedler können sie massakrieren, aber ihre Situation wird eher schlechter, nicht besser. Und da, endlich, schafft jemand das, wovon sie bisher kaum zu träumen wagen, der "große Satan" wird mitten im Herz massiv getroffen. Und da ist der Jubel (aus ihrer Sicht) verständlich.

Das müssen wir auch bei den El Kaida-Kämpfern so sehen. Natürlich gibt es nicht die zentrale Struktur, wie wir sie in einer westlichen Armee erwarten würden. Was sie verbindet, das ist nicht Befehl und Gehorsam mit klaren Führungsstrukturen, sondern eine Ideologie, bei der Religion und weltliches Denken eine Einheit bildet. Geeint werden sie vom Haß auf den "großen Satan" (die USA) und die Juden, und unter den vielen Beteiligten kristallisieren sich dann einige heraus, die die Fähigkeiten und Möglichkeiten haben, so aktiv zu werden, daß wir sie als "El Kaida" bemerken, obwohl sie doch eigentlich relativ unabhängig handeln. Das gemeinsame Ziel ergibt sich aus dem gemeinsamen Feindbild. Sicher gibt es Treffen, aber die Führungsstruktur ist wesentlich dezentraler, und das macht sie auch weniger verwundbar, wenn ein Einzelner in die Hand des Feindes fällt. Denn er kann nicht viel verraten, weil er selbst nur einen kleinen Teil des Puzzles kennt.

So könnte ich mich manchmal fast amüsieren, wenn jemand versucht zu beweisen, die El Kaida könne es gar nicht geben, weil z.B. schon der Name unpassend sei oder ähnliches. Und wenn es die nicht in einer Struktur gibt, wie wir sie erwarten, dann müssen es eben die Amis oder die Juden sein, die die Taten verüben. :-(

Deswegen ist die Erklärung so wichtig, die Du zitierst:

> Er beschrieb es so:
> Man darf die ElQuaida nicht als terroristisches Netzwerk sehen, sondern eher
> als Ideologie. Wer immer innerhalb dieser Ideologie einen terroristischen
> Anschlag verübt, kann sich ElQuaida nennen.

Und dieses Netzwerk ist sehr wohl aktiv, auch wenn es anders funktioniert, als wir es uns vorstellen. Es ist nicht zentral, sondern dezentral organisiert. Was aber nichts daran ändert, daß die einzelnen Zellen in ihrer Gesamtheit eben doch als eine gewisse Einheit erscheinen. Und diese Einheit wird als El Kaida bezeichnet, auch wenn es die so, wie wir sie uns meist vorstellen, nicht gibt. Aber es gibt sie trotzdem, wir müssen da nur unsere westliche Brille absetzen.

Was sind die Folgen meiner Gedanken? Ich erwarte derzeit keinen großen Anschlag, über den in anderen Beiträgen spekuliert wurde (Damm sprengen, Überflutung). Es gab ein einziges zentrales Großereignis (WTC), das für meine Begriffe mit geheimdiestlicher Hilfe aus dem Ausland organisiert wurde, damit wurde eine Entwicklung in Gang gesetzt. Und die wird zu weiteren Nadelstichen führen, die den Westen im eigenen Zentrum lahmlegen, während er immer mehr Truppen braucht, um Irak & Co zu beherrschen, die doch nicht beherrschbar sind. Die Nadelstiche kosten den Feind des Westens fast nichts, dem Westen selbst kosten sie aber soviel, daß er an de Bekämpfung kaputt geht, wenn nicht noch ein Wunder geschieht.

Gruß

Johannes


Antworten: