Kopf hoch
Geschrieben von Brujito am 10. Juni 2005 19:49:43:
Als Antwort auf: Zwischenantwort von Mick_2 geschrieben von Johannes am 09. Juni 2005 14:17:16:
Hallo Mick,
ja, es ist schon wahr, Eigennutz und Egoismus sind Blockaden auf dem Weg, doch diese müssen von allen gemeistert werden, so ist auch der Seher nicht vom Menschsein befreit. Letzten Endes sind wir alle nur Passagiere auf unserer Reise ins Unbekannte - Seelen, die in einer dunklen Kutsche mit verdeckten Fenstern sitzen. Der Seher vermag den Vorhang zu öffnen, den Kopf herauszustrecken und etwas vom Weg zu sehen. Hier, Mick, denke ich durchaus auch, daß die Unterscheidung getroffen werden sollte, ob und wieviel von dem, was man sieht, den anderen mitgeteilt wird. Es ist sicherlich nicht nötig, den anderen Erkenntnisse, die nur für dich bestimmt sind, mitzuteilen, doch kann man der Seele in der anderen Kutsche zurufen: Halt dich fest, mein Freund, die nächste Etappe wird sehr holprig.
Es geht auch gar nicht darum, etwas zu verhindern - die Zügel sind fest in ganz anderen Händen und der Weg geht weiter. Doch dem Passagier der anderen Kutsche mag es helfen - zu wissen, daß es nur ein holpriger Abschnitt ist. Der Begleiter der Unwissenheit ist die Angst. Die Angst vor dem Unbekannten durch das Vergessen, das das Sitzen in der Kutsche mit sich bringt. Die Angst, wenn die Kutsche langsamer wird, das Leben sich dem Ende zuneigt, die Tür aufgeht und jemand erscheint, um dir beim Aussteigen zu helfen - soweit ich weiß die Aufgabe der Wesen, die Irlmeier als Dämonen beschrieb und den Leuten einen Heidenschreck einjagen, weil diese plötzlich unbekannte Wesenheiten sehen.
Doch diese Angst kannst du teilweise lindern, indem du ihnen etwas über den Weg erzählst. Indem man erklärt, daß es nicht vorbei ist, wenn die Kutsche anhält, weil nach dem Verlassen der Kutsche die Erinnerung und das Erkennen einsetzen wird, daß dies nur eine Reise von vielen und bei weitem nicht die letzte war. Die Wesenheit, die nur ihre Aufgabe erfüllte, wird der eine oder andere wiedererkennen, oder hat diese Aufgabe eventuell selbst schon verrichtet.
Mit dem Nehmen der Angst hast du dir keinen egoistischen Vorteil verschafft, sondern nur dem Anderen geholfen. Und auch der Seher sieht keine fünf Meter weit, ist auf Hilfe angewiesen und dankbar, wenn er etwas erfährt, das er übersehen hat. Wenn du weitergibst, was nur oder hauptsächlich den anderen hilft, wird Eigennutz keinen Platz zum Überleben finden.
Schlechte Eigenschaften oder der Kampf mit ihnen verringern nicht den Wert des Gesehenen für die Anderen. Mag sich der Pinsel Van Gogh's wichtig gefühlt haben oder nicht, an den Kunstwerken erfreuen sich Millionen. Es wäre eben dann die ultimative Herausforderung für diesen Pinsel gewesen zu erkennen, daß er nur einer von vielen Pinseln ist und der Künstler jemand ganz anderes. So, denke ich, sollte es auch mit den Sehern sein: Ein williges Werkzeug in der Hand des großen Künstlers, der das Universum malt, und der Pinsel sich bewußt ist, daß auch wenn der Künstler gerade mit ihm malt und durch ihn anderen Hilfe zukommen läßt - er eben nur ein Pinsel von vielen ist. Er tut was er kann, innerhalb seiner Möglichkeiten, sogut wie möglich, ohne sich dabei jedoch zu erschöpfen.
Irlmeier, so habe ich gelesen, hatte vielen unentgeltlich geholfen, vielleicht nur für ein Dankeschön. Mag sein, daß auch er mit sich gekämpft hat, wer weiß. Doch hätte er gewartet, bis er sich ganz sicher gewesen wäre, wäre viel Hilfe für die Anderen verlorengegangen. Manchmal macht man die größten Fortschritte, wenn das Leben und das Selbst wie ein Kriegsschauplatz erscheinen.
Es gibt hierzu viel mehr zu sagen und für den einen oder anderen mag sich das alles sehr seltsam anhören, doch ich bin sicher, du verstehst ziemlich genau, was ich dir sagen will. Es ist sicherlich extrem schwer, als Mensch perfekt zu sein, vielleicht ist es auch gar nicht möglich. Jetzt sind wir aber hier, unperfekt und mit uns selbst im Streit. Die kommenden Zeiten werden sehr hart, also müssen wir das Beste daraus machen und improvisieren. Manchmal muß es halt einfach so gehen.
Alles Gute auf deinem Weg
Brujito